Deutschland ist längst ein Einwanderungsland

„Ohne Menschen ‚von außen‘ wird unsere Gesellschaft nicht existieren können. Zumindest nicht als die wohlhabende, pluralistische, moderne Gesellschaft, die sie derzeit ist.“ So heißt es im FR-Gastbeitrag, den Leni Breymaier und Josip Juratovic vorgelegt haben. Breymaier ist SPD-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, Juratovic ist seit 2014 der Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion. Sie werben für ein Einwanderungsgesetz, das die SPD vorgeschlagen hat. Es soll nach dem kanadischen Muster funktionieren und potenzielle Einwanderer mit einem Punktesystem aussuchen. Maximal 100 Punkte sind erreichbar. Hat ein Einwanderer bereits ein Jobangebot aus Deutschland, brächte ihm dies 25 Punkte. Seine berufliche Qualifikation wird mit 20 bis 35 bewertet, Sprachkenntnisse mit bis zu 15. Außerdem gibt es Punkte für niedriges Alter, Verwandtschaft oder frühere Tätigkeiten in Deutschland. 65 Punkte sind das Minimum für das Auswahlverfahren, so der SPD-Vorschlag.

Ein solches Gesetz wird dringend benötigt. Es muss Schluss mit den Versuchen sein, Einwanderung nach Deutschland per Asylrecht zu steuern. Das Asylrecht muss natürlich bestehen bleiben; wer politisch verfolgt wird oder vor Krieg flieht, muss auch weiterhin in Deutschland Schutz bekommen. Eventuelle künftige Flüchtlingswellen lassen sich ohnehin nur in sehr eingeschränktem Maße steuern. Beim Thema Einwanderung geht es jedoch um etwas völlig anderes. Es geht um die Frage: Wollen wir die Kontrolle darüber haben, wer zu uns kommen darf? Wollen wir etwas dagegen tun, dass die Bevölkerung Deutschlands bis 2050 auf prognostizierte 60 Millionen zurückgeht? Wollen wir unseren Wohlstand sichern und unsere Wirtschaft in der Erfolgsspur halten? Dann brauchen wir dringend ein solches Gesetz.

Der Flüchtlingsstrom des Jahres 2015 hat gezeigt, wie dringend. Mit dem vorgeschlagenen Punktesystem wäre ein Anteil von geschätzten 15 bis 20 Prozent der Flüchtlinge gar nicht erst ins Asylverfahren gedrängt worden, sondern hätte sogleich Aufenthaltserlaubnis und Arbeitsgenehmigung bekommen. Die Bürokratie wäre entlastet worden, es hätte sofort mit der Integrationsarbeit begonnen werden können. Ein solches progressives System hätte Vorteile für alle mit sich gebracht.

Die Frage ist natürlich, wie ernst es die SPD mit ihrem Vorschlag meint. Sie hat den Entwurf nicht mit ihrem derzeitigen Koalitionspartner CDU/CSU abgestimmt, was ungewöhnlich für eine Regierungspartei ist. Dass die Konservativen abwinken würden, konnte man sich vorher schon ausrechnen, obwohl Kanzlerin Merkel (CDU) Deutschland schon mal als Einwanderungsland bezeichnet hat. Auch bei CDU/CSU reift also die Erkenntnis. Aber vielleicht möchte die SPD diese Auseinandersetzung gar nicht ernsthaft mit CDU/CSU führen? Vielleicht ist der jetzige Vorschlag eher als Testballon zu betrachten, der die Reaktionen bei den anderen Parteien, auch bei Grünen und Linken, ausloten soll?

Ein wesentliches Hindernis für eine rot-rot-grüne Koalition hat SPD-Chef Sigmar Gabriel jetzt aus dem Weg geräumt: Frank-Walter Steinmeier. Der „Architekt“ der Agenda 2010 wäre für die Linke nicht tragbar gewesen. Nun wird er im kommenden Frühjahr aller Voraussicht nach zum Bundespräsidenten gewählt. Er würde also einer rot-rot-grünen Regierung nicht angehören. Mit Grünen und Linken wäre ein solches Einwanderungesetz gewiss viel leichter zu etablieren als mit einem konservativen Koalitionspartner, der in Teilen immer noch nicht realisiert hat, dass Einwanderung für Deutschland überlebenswichtig ist.

fr-balkenLeserbriefe

Lioba Föhr aus Mörfelden meint:

„Beim Lesen dieses Beitrags, der zur Rechtfertigung eines Einwanderungsgesetzes u.a. auf einen derzeitigen und zukünftigen Pflegenotstand Bezug nimmt, sowie des einige Seiten weiter stehenden Artikels „Arm trotz Arbeit“ kam mir der, vielleicht ketzerische, Gedanke: Wie wäre es denn stattdessen mit besserer Bezahlung? Und besseren Arbeitsbedingungen? Vielleicht würden dann auch mehr einheimische Menschen einen Pflegeberuf ergreifen, und man wäre nicht auf Zuwanderer aus ärmeren Ländern angewiesen, die (wenigstens zunächst) auch mit niedriger Vergütung und „suboptimalen“ Arbeitsbedingungen zufrieden wären? Ok, beim Handwerk mag es anders aussehen, und grundsätzlich habe ich auch nichts gegen regulierte Zuwanderung, wenn sie wirklich gebraucht wird. Ein Weiter-so bei ungerecht niedriger Bezahlung und aufreibenden Arbeitsbedingungen, über die man gerade im Pflegebereich schon oft lesen musste, sollte damit aber m. M. n. nicht ermöglicht werden.“

Friedrich Grimm aus Weinsberg:

„Ist es nicht so, dass die SPD seit längerem gerne ein solches Gesetz beschlossen hätte? Und ist es nicht so, dass sich Frau Merkel, zusammen mit ihrer CDU, gegen ein solches Gesetz ausgesprochen hat? Hätte doch ein solches Gesetz bereits im Chaosjahr 2015 einen guten Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingsströme leisten können. Weil aber CDU/CSU noch immer nicht begriffen haben, dass wir längst ein Einwanderungsland sind, und dafür im Grunde schon längst gesetzlich festgelegte Regeln bräuchten, hat Frau Merkel mit ihren „Wölfen“ geheult. Das nenne ich ein Versagen unserer Bundeskanzlerin, die in vielen weiteren Fällen stets nur reagiert hat. Leider ist das Gedächtnis der meisten Menschen nur sehr kurz. Und während Grausamkeiten und Fehler der SPD der Bevölkerung immer wieder in Erinnerung gerufen werden, geschieht durch unsere Medien bei Frau Merkel das genaue Gegenteil.“

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:

„Unabhängig von der immer noch aktuellen – wenn auch etwas bezüglich des Druckes entschärften – Flüchtlingsthematik ist das Thema Zuwanderung in der deutschen Gegenwartsgesellschaft ein Reizthema.  Die Gründe sind hinlänglich bekannt.
1) Da bestimmte Probleme wie das der Langzeitarbeitslosen, aber auch Infrastrukturdefizite in der BRD 2016 ff. bisher nicht gelöst sind, fragen die Bürger, warum eigentlich für Flüchtlinge Geld da ist und nicht auch für offene andere Fragen in Deutschland?
2) Trotz insgesamt positiver Erfahrungen mit Gastarbeitern in den 50er bis 70er Jahren des letzten Jahrhunderts meinen viele Bundesdeutsche, dass eine Überfremdung, insbesondere durch Menschen fremder Zivilisationsherkunft, nicht wünschbar ist (siehe auch die Schweiz).
3) Die sehr brennende Problematik mit dem weltweiten Terrorismus fördert die Fremdenangst.
4) Zu großer Flüchtlingszustrom überfordert die BRD, insbesondere was Arbeitsplätze für wenig Qualifizierte und auch die Integrationsnotwendigkeiten (Sprachunterrichte, Schulen etc.) anbelangt.
5) Wie der CSU-Parteitag in München zeigte, schwebt vielen Bundesdeutschen vor, dass es eine deutsche Leitkultur gebe, die Fremde nicht ausreichend zu beachten wüßten.
Das demographische Thema, also der Geburtenunterschuss, spielt für die Bundesdeutschen (noch) keine wesentliche mentale Rolle.
Wenn jetzt die SPD mit einem konkreten Einwanderungsgesetz die Initiative ergreift, so ist dies, wie die FR auf Seite 13 der Ausgabe vom 8.11. schreibt, „einfach richtig“. Eine Volkswirtschaft wie die deutsche, die sehr weltoffen ist, muss sich benötigte Fach-und Führungskräfte für ihr weiteres Wachstum am internationalen Arbeitsmarkt nach klaren Kriterien aussuchen können. Wie in der Schweiz gibt es aber auch hierzulande – siehe das Gefälle Stadt/Land – stramme Gegner einerseits und ausgesprochene Befürworter der Zuwanderung nach Qualifikationskriterien andererseits.
Es führt deshalb keine Weg daran vorbei, dass der Bundestag das Für und Wider der Zuwanderung eingehend diskutiert, was aber bisher nicht geschehen ist.
Die Themen Asyl und Flüchtlinge liegen auf einem völkerrechtlich besonderen Gebiet, das nicht vermengt werden darf mit der Einwanderung nach Qualifikationskriterien. Natürlich gibt es Überschneidungen zwischen politischen Flüchtlingen, Asylanten und reinen Wirtschaftsflüchtlingen oder legalen Zuwanderern, genauso wie bei der Aufnahme von ausländischen Studenten, von denen dann nicht wenige später in Deutschland bleiben und hier auf Dauer arbeiten wollen. Aber es muss klar sein, dass es global nicht eine Art nomadisches Zuwanderungsrecht für jeden Weltbürger irgendwohin gibt.“

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44 Kommentare zu “Deutschland ist längst ein Einwanderungsland

  1. Ich finde diesen Vorschlag einfach zynisch. Wir wollen also aus Ländern, die wesentlich weniger Bruttosozialprodukt als wir erwirtschaften, die dort mit viel Kosten und unter Verzicht der Eltern auf Schulen geschickte Menschen abwerben bzw. sie mit Zuwanderung locken?

    Anstelle bei uns mehr Geld in Schulen, Unis, begleitende Fördermaßnahmen etc. pp. zu stecken? Anscheinend mal zu schauen, wieviel bei uns noch an Defiziten besteht hinsichtlich Voraussetzungen für die Berufe der Zukunft, und vor allem der Bezahlung derselben?

    Und wie wäre es, wenn wir endlich einmal dazu übergingen, viel Geld in die Hand zu nehmen und in die und den Ländern zu investieren, wo wir aufgrund von sogenanntem Freihandel, maßlosen Agrarkonzernen, Raubfischerei und dergleichen mehr die Lebensgrundlagen zerstörten und die Menschen also vorrangig aufgrund Ausweglosigkeit ihrer Situation in die Flucht trieben? Wir tun immer so, als gäbe es nur politische Verfolgung und Bürgerkriege als Fluchtgründe und nicht Armut und Elend. Und wenn wir es schaffen, die Situation dort in der 3. Welt und den Schwellenländern zu verbessern, dann bleiben die Menschen auch zuhause. Vor allem auch, weil dann die Schaffung von Sozialer Absicherung möglich ist und damit die Anzahl der Kinder ohne spätere Chancen zurück ginge.

    Also, werte GroKo, handelt endlich einmal christlich und sozial; so heißen ja Eure Parteinamen, und hört auf, zu heucheln.

  2. Hallo deutscher Michel,

    verstehe ich nicht, Ihren Beitrag. Was hat die Bevölkerungsdichte 2005 mit Einwanderung zu tun?

  3. Die öffentliche Diskussion bezüglich offener Stellen und der Notwendigkeit von Zuwanderung erscheint mir etwas widersprüchlich. Einerseits wächst aufgrund der Digitalisierung und des zunehmenden Einsatzes von Robotern die Angst vor dem Wegfall vieler Arbeitsplätze, andererseits wird behauptet, ohne Zuwanderung könne unsere Wirtschaft nicht überleben. Der Mangel an Pflegekräften wäre, das muss ich Lioba Föhr recht geben, möglicherweise durch bessere Bezahlung, verbunden mit einer Entlastung des schweren körperlichen Einsatzes durch roboterartige Maschinen, zu beheben.

  4. Zweifellos ist ein Einwanderungsgesetz mehr als überfällig. Und hätte sich die Union nicht jahrelang auf eine Fiktion unter dem Stichwort „Leitkultur“ versteift, einer Angela Merkel wäre einiges von dem erspart geblieben, was sich durch die Vermischung von Zuwanderungs- und Asylproblematik an Wut vor allem gegen sie zusammengebraut hat.
    Dennoch sollte der Hinweis von Wolfgang Fladung nicht beiseite geschoben werden. Ein Einwanderungsgesetz, das seiner Natur nach allein vom eigenen nationalen Nutzen ausgeht, ist gesellschaftspolitisch wie moralisch fragwürdig. Es vertieft noch den Graben zwischen Arm und Reich im Weltmaßstab, indem (in derRegel unterentwickelte) „Geberländer“ auf den Ausbildungskosten sitzen bleiben. Unter Gerechtigkeitsaspekten steht ihnen dafür ein Ausgleich zu.
    Nur: Solches ließe sich kaum in nationalem Recht verankern, das zuvörderst Wohl und Wehe des eigenen Landes im Blick hat. Es bedürfte dazu übernationaler Regelungen.
    Weit „zynischer“ (um Wolfgang Fladungs Begriff zu gebrauchen) ist allerdings, was rechtspopulistisch-nationalistische „Kritiker“ der Merkelschen Flüchtlingspolitik veranstalten, die den nationalen Egoismus gleich in einem Aufwasch auf Menschenrechtsfragen, besonders das Asylrecht, ausdehnen und zum alleinigen Grundprinzip für Politik erklären. Die Benachteiligte gegen die ausspielen, denen es noch dreckiger geht, und die noch blinder sind für „Armut und Elend in der 3. Welt“.

  5. Wolfgang Fladung hat auf der ganzen Linie recht.
    Leider werden die „Etablierten“ den hierzu notwendigen Politikwechsel nicht vollziehen, weil der Sumpf der Verflechtungen, in dem sie spätestens seit Kohl-Genscher und noch einmal gesteigert seit Schröder-Fischer und Merkel-Steinbrück stecken, viel zu tief und zäh ist. Eine Ursache für die sogenannte Realpolitik und die „Globalisierung“, die allein auf die Konzerninteressen bzw. auf die kurzfristige wie kurzsichtige Maximalbereicherung ihrer Profiteure ausgelegt sind, sind die „Parteispenden“, die „persönlichen Spenden“, die „Beraterverträge und die „Neben-“ und „Nachdemamtjobs“, die ganze Lobbyindustrie, die Bonn und Brüssel bis in die hintersten Parlamentsränge eingewickelt hat. Und koste es den Kollaps des Klimasystems und damit unser aller Lebensgrundlagen, obwohl es auch hier leicht anders ginge.
    Die einzige Kraft, die den notwendigen Kurswechsel in allen Bereichen einleiten kann, sind die Bürger selbst. Leider sind auch hier die Akteure mit einer ähnlichen Einstellung Mangelware. Und so wird wohl alles den fatalen Gang gehen, auf den uns Merkel und Co. führen.

  6. @ Wolfgang Fladung:
    ich meine, dass sich klassische Einwanderungsländer (z. B. Kanada) durch keine besonders hohe Bevölkerungsdichte auszeichnen.

    Je dichter ein Land besiedelt ist, desto schwieriger wird es naturgemäß, z.B. seine Ernährung auch nur ansatzweise autark zu gewährleisten (ich erinnere u. a. an die Parole „Lebensraum im Osten“). Mir ist nicht daran gelegen, dass die Ausweitung deutscher Gebiete wieder in Betracht gezogen wird.

    Allerdings gehe ich nicht davon aus, dass
    a) die Wirtschaftslage in Deutschland dauerhaft gut sein wird, so dass der Import von vergleichsweise billigen Lebensmitteln gesichert ist
    b) die Lieferung von Lebensmitteln nicht auch mal aus politischen Gründen gestoppt werden kann (ähnlich wie Gas aus Russland in die Ukraine).

    Im übrigen bin ich nicht gegen ein Einwanderungsgesetz, aber tatsächlich – entgegen dem Wunsch von Werner Engelmann – an einem, dass sich am Wohl Deutschlands orientiert (ich meine hier ausdrücklich nicht das Asylrecht).

    Die Einführung von Bronski erinnert mich übrigens stark an einen Text der UNO von 21. März 2000:
    http://www.unric.org/de/pressemitteilungen/4637

    Diese proklamiert Politikansätze und Programme im Zusammenhang mit der internationalen Wanderung, insbesondere zur Bestandserhaltungsmigration und zur Eingliederung einer großen Zahl neuer Einwanderer und ihrer Nachkommen.

    Im englischsprachigen Text heißt es übrigens
    anstatt „Bestandserhaltungsmigration“ replacement migration

  7. Mein ganzes Leben lang ist mir der Gedanke, dass es Teile dieses Planeten gibt, der anderen gehört und auf denen ich mich nicht ansiedeln darf, fremd geblieben. Warum darf ich mich nicht überall ansiedeln, wenn ich mich selbst versorgen kann und anderen nicht zur Last falle?
    Ich soll mitentscheiden, wer mein Nachbar sein darf und dieses Recht habe ich durch Geburt erworben? Ein seltsamer Gedanke!
    Auf Grund der deutschen Geschichte (DDR und Mauer) messen wir dem Recht auf Auswanderung eine sehr hohe Bedeutung bei. Ein Recht auf Auswanderung macht aber nur Sinn, wenn es auch ein Recht auf Einwanderung gibt. Wer auswandert, muss ja schliesslich irgendwo einwandern.
    Ist es nicht inkonsistent, wenn nicht gar scheinheilig, das Recht auf Auswanderung zu schützen und gleichzeitig das Recht auf Einwanderung zu verweigern?

  8. @ Henning Flessner
    Einerseits haben Sie recht. Schließlich – und das wird von Seiten der AfD bis zur CSU gerne übersehen – heißt es in unserem Grundgesetz „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ und nicht „Jeder Deutsche hat das Recht…“
    Andererseits würde mir der Gedanke, dass meine Enkel und Urenkel irgendwo in die australische Wüste auswandern müssten, weil ihnen in Deutschland afrikanische, arabische und asiatische Einwanderer den Lebensraum wegnehmen, doch gewisse Bauchschmerzen bereiten.

  9. Mit Schmidts Fazit, Zuwanderung solle im Bundestag nur diskutiert werden, stimme ich nicht nur überein. Nein. Der Bundestag soll endlich ein Einwanderungsgesetz beschließen. Paradoxerweise führt Schmidt ausschließlich Argumente dagegen an. Die Aspekte bringt er nicht einmal auf den Punkt. Statt von einer Arbeitsgesellschaft zu sprechen, der seit 30 Jahren krisenhaft ihre Substanz – die Arbeit – ausgeht, redet er von „bestimmten Probleme wie das der Langzeitarbeitslosen“ und „bisher nicht gelösten (…) Infrastrukturdefiziten“. Daraus resultiert für ihn die Frage, wieso für die Geflüchteten Geld da sei, „für die offenen Fragen der Bürger“ aber nicht. Dass wir in einem der reichsten Länder der Welt leben, findet in dieser Darstellung keine Beachtung. Dass für beide – die ansässigen Ausgegrenzten wie die Hinzukommenden – genug da ist, thematisiert er nicht. Nachdem er so argumentiert hat, kann er nur noch für punktuelle Einwanderung sein.
    Als Nächstes nimmt Schmidt den Faden der sog. Überfremdungspolitiker aus der Schweiz auf: „Menschen fremder Zivilisationsherkunft“. Ja, woher sollten die Fremden denn kommen, wenn nicht aus der Fremde? Man ist auf 99 Prozent der Erde fremd. Ist Überfremdung bei der Frage Ein- und Zuwanderung zielführend?
    Auch das unsägliche Wort Gastarbeiter muss herhalten – verbrämt mit angeblich „positiven Erfahrungen der 50er bis 70er Jahre“. Ein Grundsatz jeder Kultur: Einen Gast lässt man nicht arbeiten. War das damals für die „Gastarbeiter“ positiv? Ist das nicht eher peinlich für die Gastgeber?
    Ein anderes unsägliches Wort ist das vom „Asylanten“. Es ist eine diffamierende Bezeichnung für ausländische Geflüchtete. Wegen seiner deutlich negativen Färbung benutzen Kirchen, Flüchtlingsräte und Behörden das Wort nicht. Im Gegensatz zum Leserbriefschreiber.
    Schmidt schreibt im Folgenden, der weltweite Terrorismus fördere Fremdenangst. Ja, dem kann man zustimmen. Der rein deutsche Terrorismus – Oktoberfestattentat, NSU, Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, die heutigen Übergriffe, Anschläge auf Dönerbuden und Flüchtlingsunterkünfte – bis hin zum täglichen Rassismus, was fördert das eigentlich? Wie benennt man diese Ängste?
    In Schmidts Aufzählung darf selbstredend die deutsche Leitkultur nicht fehlen. Nach dem eben Geschriebenen kann sich das für Ausgegrenzte schnell zu Leidkultur entwickeln.
    Schmidt schreibt weiter, dass „die Themen Asyl und Flüchtlinge auf einem völkerrechtlichen besonderen Gebiet liegen“. Worin das Besondere bestehen soll, wird nicht deutlich. Ich meine, dass es eben nicht um Sonderstati geht, sondern um allumfängliche Menschenrechte. Auch auf Wirtschaftsflüchtlinge geht Herr Schmidt ein. Er scheint dabei nicht an Beckenbauer, Depardieu etc. zu denken, es geht wohl eher um die Opfer (post)kolonialer Ökonomie, über die Rabindrath Tagore einst schrieb: „Zivilisation, Zivilisation, Stolz der Europäer … Wonach du auch strebst, was du auch tust, immer bewegst du dich in der Lüge. Bei deinem Anblick fließen die Tränen, schreit der Schmerz. Du bist die Gewalt, die vor dem Recht gilt. Du bist keine Fackel, sondern eine Feuersbrunst. Alles, was du anrührst, verzehrst du.“ Aber genau diesen Zusammenhang möchte Sigurd Schmidt gar nicht herstellen. Diese Menschen werden offensichtlich als belastend und unbotmäßig empfunden. Deshalb final: „Aber es muss klar sein, dass es global nicht eine Art nomadisches Zuwanderungsrecht für jeden Weltbürger irgendwohin gibt.“ Zuwanderung nur für die, die wir uns aussuchen, die zu uns passen. Dafür die Fallbrücke ordentlich hochgezogen. Wie im Mittelalter. Das ist keine Argumentation in Bezug auf ein Reizthema. Das ist Ablehnung und Wagenburgmentalität.

  10. @Brigitte Ernst
    „Andererseits würde mir der Gedanke, dass meine Enkel und Urenkel irgendwo in die australische Wüste auswandern müssten, weil ihnen in Deutschland afrikanische, arabische und asiatische Einwanderer den Lebensraum wegnehmen, doch gewisse Bauchschmerzen bereiten.“
    Wieso nimmt ein Einwanderer etwas weg? Ich habe als Einwanderer niemanden etwas weggenommen, im Gegenteil, ich habe etwas gebracht.

  11. Henning Flessner,
    wissen Sie wirklich nicht, wie das von Brigitte Ernst gemeint war? Sie sind doch kein Afrikaner, Araber oder Asiate? Lebensraum, das ist meine Wohnumgebung, die Läden, die Kneipen, die Kulturangebote, ja, auch die Stimmen die ich höre, wenn ich meinen Wohnraum verlasse. Warum bringen Sie einen Vergleich, der überhaupt nicht passt?

  12. @werner.h
    Ich hoffe, dass Frau Ernst Bemerkung nicht so gemeint war, wie sie bei mir angekommen ist.
    «Lebensraum, das ist meine Wohnumgebung, die Läden, die Kneipen, die Kulturangebote, ja, auch die Stimmen die ich höre, wenn ich meinen Wohnraum verlasse.“
    Kein Einwanderer nimmt Ihnen Ihre Wohnung, die Läden, die Kneipen, die Kulturangebote weg.
    Worauf gründen Sie Recht zu entscheiden, welche Stimmen an ihr Ohr dringen?
    Ich habe 20 Jahre in einer Firma (in einem Gebäude) gearbeitet mit Kollegen und Kolleginnen aus 43 Ländern aus allen Kontinenten. Ich konnte keinen Unterschied in Sachen Kollegialität, Menschlichkeit, sozialer Kompetenz oder was sonst wichtig ist für ein gedeihliches Zusammenleben erkennen zwischen mir und einem Afrikaner, Araber oder Asiaten.
    Wenn Sie Unterschiede machen zwischen mir und einem Afrikaner, Araber oder Asiaten, ich mache es nicht.

  13. @ Henning Flessner
    Ich habe das mit dem Lebensraum durchaus räumlich gemeint. Deutschland ist bereits jetzt sehr dicht besiedelt, und wenn man gerade heute in der FR liest, welche Probleme dem Planungsdezernenten die Suche nach geeignetem Grund und Boden für den längst nötigen verstärkten Wohnungsbau bereitet, könnte man durchaus befürchten, dass es in zwei, drei Generationen durchaus eng werden könnte, wenn jeder, der sich hier ein besseres Leben erhofft, das uneingeschränkte Recht hätte, sich bei uns niederzulassen. Auch das wirtschaftliche Wachstum wird nicht unbegrenzt fortschreiten (und sollte es im Interesse der Umwelt auch gar nicht). Das alles könnte früher oder später zu Verteilungskämpfen zwischen der alteingesessenen Bevölkerung und den Neuankömmlingen führen.

  14. @ deutscher Michel
    Es kommt sehr darauf an, wie man den Reichtum eines Landes bemisst. Die Statistiken, die Sie anführen, beziehen sich auf das durchschnittliche Pro-Kopf-Vermögen. Dabei werden aber weder die Rentenansprüche noch die Krankenversicherung oder die Studiengeldfreiheit in Deutschland mit einbezogen. Wenn man z.B bedenkt, welche Vermögenswerte ein Angehöriger der Mittelschicht in den USA für das Studium von zwei Kindern einsetzen muss, ergibt sich schnell ein ganz anderes Bild.

  15. @Brigitte Ernst:
    Sie greifen bei Ihrem Beispiel zielsicher die USA heraus – wie sieht es mit den 16 anderen Ländern vor Deutschland aus?

  16. @Brigitte Ernst:
    Leider habe ich mich gleich zweimal aufs Glatteis führen lassen.
    Natürlich sagt das Pro-Kopf-Vermögen nichts über die VERTEILUNG aus, aber es ist ja in dieser Höhe da, OBWOHL eben z. B. die Studiengeldfreiheit in den USA nicht gegeben ist.

    Und die Krankenversicherung für Rentner
    http://usarundbrief.com/54/p9.html
    in den USA wird hier sowieso kaum wahrgenommen.

    Im übrigen zahlen z. B. in einem mir bekannten Alten- und Pflegeheim in Kentucky die Insassen ca. 20% (den genauen Prozentsatz weiß ich nicht mehr genau) ihres Einkommens an Miete. Wer mehr hat, zahlt mehr – wer weniger hat, zahlt weniger.

    Mit dem amerikanischen Rentensystem kenne ich mich zwar nicht gut aus, aber wenn ich mir folgenden Eintrag in Wikipedia ansehe, erscheint es mir auf den ersten Blick auch nicht schlechter als unseres zu sein:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Social_Security.

  17. @ deutscher Michel: Klicken Sie doch mal auf der Statista-Seite etwas weiter unten auf das Gesamt-Privatvermögen deutscher Haushalte. Zu einem Geldvermögen von derzeit knapp 5,5 Billionen Euro kommen Immobilienwerte von mehr als 7 Billionen Euro. Ich denke, das Deutschland hier im internationalen Vergleich mithalten kann.

    Aber darum geht es doch m. E. gar nicht. Wir haben aus meiner Sicht im Wesentlichen zwei Arten von Zuwanderern. Die einen kommen, um Asyl zu beantragen, da sie im Sinne unseres Asylrechts verfolgt werden. Die anderen kommen, weil sic sich von einem Leben in Deutschland bessere Chancen erhoffen. Diese Menschen haben ohne ein Einwanderungsgesetz kaum eine Chance. Was also spricht dagegen, hier ähnliche Systeme zu schaffen, wie sie die „klassischen“ Einwanderungsländer längst haben? Wenn wir hier entsprechende Filter vorschalten, also auswählen, wer zu uns kommen darf, sehe ich kein Problem. Das Recht auf Asyl soll und darf davon nicht tangiert werden.

  18. Ich kann mit diesen Vermögenstatistiken nicht viel anfangen. Man weiss nie genau, was dazu gehört.
    Wenn in unserer Nähe eine Windturbine aufgestellt wird, sinkt das Volksvermögen durch den Wertverlust der Immobilien um einige Millionen. Versucht der Zwerg Porsche den Riesen VW zu übernehmen, steigen die Aktienkurse und das Volksvermögen erhöht sich um Milliarden. Und was sagt mir das? Was bringt es W. Fladung?

  19. Ich neige zu der Ansicht, dass die Bewegungsfreiheit zur Autonomie eines Menschen gehört und dass es daher ein Recht auf Einwanderung gibt. Es ist jedoch kein absolutes Recht, aber seine Einschränkung sollte moralisch begründet sein.
    Das Recht Einwanderung zu beschränken hat eine andere Grundlage, nämlich das Recht des Menschen falsche oder fragwürdige Entscheidungen zu treffen.

  20. @Napez:
    es geht natürlich ganz genau um die vorzuschaltenden Filter.
    Anders als Henning Flessner würde ich diese so ausgestalten wollen, dass sich für die Deutschen und die Einwanderer ein win-win-Situation ergibt.
    Moral ist da aus meiner Sicht nicht das geeignetste Kriterium (nicht nur aufgrund der Schwierigkeit, Moral zu definieren).

  21. Henning Flessner, 23.11, 23:23 h

    Sie bringen schon wieder ein Beispiel, das nicht passt. Es geht her nicht darum, dass Sie mit Kollegen aus 43 Nationen in einem großen Bürogebäude gut zurecht gekommen sind. Sondern darum, dass sich unser Umfeld immer schneller verändert und das durchaus verschiedenen Leuten Angst macht. Sie spüren die Machtlosigkeit und wollen das nicht.

  22. @werner.h
    Wenn die Bewegungsfreiheit zur Autonomie eines Menschen gehört (und ich neige zu dieser Ansicht), dann reicht die Angst vor Veränderung in meinen Augen als moralische Begründung für die Einschränkung seiner Autonomie nicht aus.

  23. @ Henning Flessner
    In einem großen internationalen Unternehmen halten sich die westlich gebildeten Mitarbeiter aus den verschiedensten Nationen natürlich an die westlich geprägten Spielregeln, die in solchen Firmen gelten, sonst können sie sich nämlich einen anderen Arbeitsplatz suchen. Das sagt aber noch nichts darüber aus, dass es beim Zusammenleben mit weniger weltgewandten Menschen aus uns fremden Kulturen mit einem bescheideneren Bildungshintergrund nicht zu Irritationen und Fremdheitsgefühlen kommen kann, die bei der einheimischen Bevölkerung auch Ängste und Ablehnung hervorrufen können.
    Sie sollten vorsichtig damit sein, Ihre Erfahrungen aus vergleichsweise elitären Kreisen zu verabsolutieren.

  24. @Brigitte Ernst
    Ich spreche von der Bewegungsfreiheit als Menschenrecht, dass nur mit stichhaltiger moralischer Begründung eingeschränkt werden darf und Sie antworten mit Irritationen und Fremdheitsgefühlen. Soll das die moralische Begründung zur Einschränkung eines Menschenrechtes sein?

  25. „Bewegungsfreiheit als Menschenrecht“. Hört sich gut an. Die Bevölkerung Afrikas wird sich, laut verschiedener Prognosen, in den nächsten Jahrzehnten mindestens verdoppeln. Hört sich nicht so gut an. Das gegenüber Europa auch dann noch unterentwickelte Afrika wird die Bewegungsfreiheit ausnützen. Hört sich gar nicht gut an…

  26. @ Henning Flessner
    Sie haben sehr genau verstanden, dass ich mich auf Ihre Äußerung vom 22. November, 23.23 Uhr, bezogen habe, wo sie die Zusammenarbeit mit Menschen aus 43 Nationen in einem Unternehmen gepriesen haben.

    Die Bewegungsfreiheit als Menschenrecht – ein hehrer Anspruch. Sie haben ihn abgeleitet aus dem Recht, ein Land verlassen zu dürfen, wann immer man das will, und den geschlossenen Grenzen in der DDR gegenübergestellt. Daraus könnte man nun folgern, dass jeder das Recht haben soll, andere Länder als Tourist zu besuchen. Aber Sie gehen weiter und fordern ein Recht für jeden, sich überall, wo er eine Überlebensperspektive hat, niederzulassen.
    Da sind die weißen Siedler in den USA ja fein raus! Sie haben ihr Recht, sich dort niederzulassen, wahrgenommen, und ehe es sich die Ureinwohner versahen, hatten die Weißen die Vorherrschaft übernommen und diejenigen, die vorher dort wohnten, von den ertragreichsten Böden vertrieben. Ist es das, was Sie meinen, wenn Sie von Bewegungsfreiheit als Menschenrecht sprechen?

  27. @Brigitte Ernst
    Ich bin der Ansicht, dass es zur Autonomie des Menschen gehört in ein anderes Land zu gehen, sich eine Arbeit und eine Wohnung zu suchen. Es kann auch gute Gründe geben, dieses Recht einzuschränken, aber es sollten gute Gründe sein.
    Ich weiss nicht, wie Sie daraus das Recht, jemand zu töten oder ihm sein Eigentum mit Gewalt zu entreißen, ableiten können.
    Innerhalb der EU haben wir doch alle das Recht der Bewegungsfreiheit. Die Briten wollen es uns für Grossbritannien gerade nehmen. Ich glaube nicht, dass Sie das befürworten.

  28. @ Henning Flessner
    Was ist denn das Eigentum eines Menschen ? Oder einer Gruppe von Menschen? Nach unseren heutigen Gesetzen das Land, das irgendwann irgendwo als Eigentum einer Person oder einer Guppe eingetragen wurde.
    Da sind die Weißen in den USA ja fein raus. Sie haben festgelegt, was zu einem bestimmten Zeitpunkt wem gehörte. Glauben Sie nicht auch, dass das eine sehr willkürliche Festsetzung war?

    Zum Recht auf Bewegungsfreiheit in der EU:
    Das ist ja gerade das Besondere an der EU, dass ihren Mitgliedern das Recht gewährt wird, sich den Wohnort und die Arbeitsstelle innerhalb dieser Grenzen selbst zu suchen. Aber das muss natürlich auf Gegenseitigkeit beruhen, sonst funktioniert es nicht. Dieses Prinzip wird dem United Kingdom (außerhalb der EU) noch Probleme bereiten.

  29. @Brigitte Ernst
    Wenn ich eine Wohnung an einen Einwanderer vermiete, dann nehme ich nach Ihrer Argumentation den Deutschen ihr Land weg?
    Mein Einwanderungsgesetz würde z. B. so lauten:
    Für die Erlaubnis zur Einwanderung wird vorausgesetzt, dass
    – ausreichend Wohnraum zur Verfügung steht
    – die Person sich selbst versorgen kann bzw. ihre Versorgung durch Angehörige gesichert ist.
    Sie könnten dann den Zusatz vorschlagen:
    Dies Gesetz gilt nicht für „afrikanische, arabische und asiatische Einwanderer (22.November; 11:56)“.

  30. @ Henning Flessner
    In den deutschen Großstädten, in denen es (noch) genügend Arbeitsplätze gibt, steht ja eben nicht genug Wohnraum zur Verfügung, das ist ja das Problem. Und, wie ich schon oben erwähnte, könnten in absehbarer Zeit aufgrund der Digitalisierung auch nicht mehr genügend Arbeitsplätze für Einheimische und Zuwanderer zur Verfügung stehen.
    Ihre indirekte Unterstellung, ich hätte die Erwähnung der Afrikaner, Araber und Asiaten rassistisch gemeint, können Sie sich sparen. Es ging mir lediglich um die absurde Situation, dass alle ihre Heimat verlassen müssen, weil eine weltweite Bevölkerungsumschichtung stattfindet: Afrikaner nach Spanien, Spanier nach Deutschland, Deutsche in die USA und nach Australien, Polen nach England und so weiter. Manchem mag das ja Spaß machen, aber die meisten Menschen bevorzugen es doch, in ihrer angestammten Umgebung bei ihren Verwandten und Freunden zu bleiben. Aus den Fremdheitsgefühlen im aufnehmenden Land entwickeln sich dann die Parallelgesellschaften, die einer Integration im Weg stehen und eine Bevölkerung spalten.

  31. An dieser Diskussion ist wieder mal deutlich geworden wie Theorie und Praxis von einander abweichen können.

  32. @Brigitte Ernst
    Die Situation, die Sie sich vorgestellt haben, halte ich auch für absurd.
    Mich stört, wenn ein Einwanderungsgesetz schon eingebaute Diskriminierungen enthält. Der obige Vorschlag z. B. diskriminiert ältere Menschen.

  33. werner h, inspiriert mich zu einem kommentar:
    a b g e h o b e n
    und
    u n b e t r o f f e n…
    so nehme ich diese Diskussion – zumeist – wahr.
    man koennte es such so beschreiben:
    wer ist der schlauste/kluegste/ueberzeugendste…
    schlagabtausch ueber schlagabtausch…
    in baden heisst das: oberschlaule uebertrifft oberschlaule.
    ich hab mit menschen (mit migrationshintergrund) zu tun (denen ich von diesem blog erzaehlt habe) …und es ist mir nicht moeglich, ihnen zu vermitteln, was in dieser diskussion „laeuft“.
    woran liegt ’s?

  34. Liebe maiillimi,
    das haben Blogs so an sich: man quatscht rum, anstatt praktisch zu arbeiten. Mir persönlich hilft das dabei, mir eine eigene Meinung zu bilden, die nachher vielleicht fundierter ist als vorher.

    @ Henning Flessner
    Ich verstehe nicht. Haben wir nicht über Ihren Vorschlag gesprochen, wie ein Einwanderungsgesetz aussehen sollte?

  35. @ Henning Flessner
    Und welche Situation, die ich mir vorgestellt habe, halten Sie für absurd? Dass die Wohnungen und Arbeitsplätze knapp werden könnten? Erstere sind es doch schon.

  36. @ maiillimi
    Woher wissen Sie, wie betroffen oder unbetroffen die einzelnen Blogger von diesem Thema sind?

  37. @ Brigitte Ernst, 28. November 2016 um 1:12

    „Da sind die Weißen in den USA ja fein raus. Sie haben festgelegt, was zu einem bestimmten Zeitpunkt wem gehörte. Glauben Sie nicht auch, dass das eine sehr willkürliche Festsetzung war?“

    Ich möchte Ihr Gedankenspiel aufgreifen und aktualisierend etwas weiter treiben.
    Man könnte ja, ganz in Trumpscher Manier, festzulegen, was als „amerikanisch“ zu gelten habe und was nicht, den Zeitpunkt für die Festlegung der „Besitzrechte“ auch ca. zweieinhalb Jahrhunderte vorverlegen, vor Hernando de Soto, also Beginn des 16. Jahrhunderts.
    Die Folgen, wieder nach Trumpschem Vorbild politischer „Lösungen“, dürften durchaus beeindruckend sein. Die darauf notwendig einsetzende Völkerwanderung (oder, wenn es jemand religiöser haben will: „Vertreibung aus dem Paradies“) würden das, was gegenwärtig aus dem Mittleren Osten und Afrika nach Europa strömt, mit Sicherheit um ein Vielfaches übertreffen.
    Wie gesagt: Nur ein Gedankenspiel. Doch auch ein solches kann geeignet sein, Absurdidäten aufzudecken, die nicht schon deshalb als „ernsthaft“ zu begreifen sind, weil sie in vielen Hirnen herumspucken. Gemäß dem Spruch: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.“

  38. @Brigitte Ernst
    Die Vorstellung, dass das Recht auf Einwanderung zu einer Bevölkerungsumschichtung führt, halte ich für absurd.
    Ich habe mich unklar ausgedrückt. Mit dem obigen Vorschlag meinte ich den Vorschlag für die Punkteregelung im Eingangstext. In dieser Regelung geht es nicht um Menschen, sondern um ihre ökonomische Nützlichkeit und dies führt dann eben dazu, dass ältere Menschen diskriminiert werden.

  39. @ Winfried Jannack

    Die Themata Zuwanderung (erwünschte und nicht erwünschte), Multikulti, also gewissermaßen wie bei einem guten Tabak das cultural blending, das Bedürfnis nach kulturell-ethnischer Identität, Heiraten nur unter sich im Clan, Ausgrenzung und Inklusion, Wagenburgmentalität und offene Gesellschaft etc. wurden schon in der alten Bundesrepublik bis 1990 diskutiert. Einer der ersten Beauftragten für Integrationsfragen im Rahmen der Stadtpolitik war bekanntlich Daniel Cohn-Bendit in Frankfurt am Main.
    Nun muss man bei der Diskussion um diese Fragen zwischen offener und geschlossener Gesellschaft unterscheiden zwischen „teilnehmender Beobachtung“ und „wertender Beurteilung“. Die teilnehmende Beobachtung sozialer Sachverhalte beschreibt einfach nur, was in der Wirklichkeit zu beobachten ist. Die wertende Beurteilung hingegen versucht, eine normative Hierarchie zwischen zu beobachtenden gesellschaftspolitischen Attitüden herzustellen. Dabei würde es, wie Wilfried Janack schreibt, zum Beispiel darum gehen festzustellen, inwieweit die obersten Staatsziele einer Nation „allumfängliche Menschenrechte“ zu verwirklichen suchen oder eher das Gegenteil, nämlich eine Art Wagenburgmentalität durchzusetzen suchen. Als die weißhäutigen Buren in das südliche Afrika einwanderten, bildeten sie bekanntlich Wagenburgen gegen andere Ethnien oder verteidigten sich später so im sogenannten Burenkrieg gegen die Engländer.
    Eine Wagenburgmentalität muss nicht immer mit physischen Zäunen und Mauern verbunden sein. So beansprucht beispielsweise die heutige israelische Staatsautorität, dass Israel einen jüdischen Charakter zu haben habe, den die Araber und Palästinenser als solchen anzuerkennen hätten. Dass Israel auch abwiegelnde Mauern errichtet, steht auf einem anderen Blatt. Papst Franziskus hat kürzlich in salomonischer Weise Stellung genommen dahingehend, ein bestimmtes Ausmaß an Zuwanderung sollte jeder Staat tolerieren oder sich sogar ausdrücklich positiv dazu stellen. Aber bei jedem Staat gebe es bei zu großen Zuwanderungszahlen eben auch Grenzen der Belastbarkeit. Von „Obergrenze“ sprach der Papst aber nicht… wie die CSU.
    In einer Demokratie (ob direkte oder repräsentative) muss akzeptiert werden, dass Teile der Bevölkerung sich zuwanderungsfreundlich, andere eher abgeneigt äußern und verhalten. Was eine Demokratie nicht tolerieren kann, ist, dass zur Durchsetzung von Abgrenzung Gewalt von Einzelnen oder Gruppen ausgeübt wird.
    Die USA haben soeben einen Präsidenten gewählt, dessen Verlautbarungen während des Wahlkampfes nicht gerade den Menschenrechten gegenüber sehr freundlich ausfielen. Die anderen Staaten in der Welt müssen nun mit dem „Partner“ Donald Trump leben bzw. lernen, mit ihm umzugehen. Donald Trump irgendwelche moralisch-kritischen Etiketten aufzukleben, wird diesen Mann von seinem Denk-und Sprachstil nicht abbringen. Das Leugnen unbequemer sozialer Attitüden, die den eigenen Anschauungen widersprechen, führt nicht weiter. Die eigentliche Trennlinie, wo Toleranz endet, ist immer das Auftreten von Gewalt!

  40. @ Sigurd Schmidt, 1. Dezember 2016 um 16:17
    „Die eigentliche Trennlinie, wo Toleranz endet, ist immer das Auftreten von Gewalt!“

    Das klingt so schön griffig und überzeugend, umd ist bezüglich strafrechtlicher Verfolgung im Prinzip auch richtig. Das jüngste Auschwitz-Urteil aber zeigt, dass selbst hier die Dinge um einiges komplizierter liegen. So indem das Gericht Mitverantwortung für Verbrechen demjenigen zuschreibt, der im weiteren Sinn in das Geschehen involviert ist, ohne sich selbst der Gewaltverbrechen schuldig gemacht zu haben. Ähnlich steht es auch bei der politischen Mitverantwortung etwa bei Mauerschützenprozessen.
    Im Fall eines Trump kommt hinzu, dass dieser sich nicht nur mehrfach der verbalen Mitverantwortung für Gewalt schuldig gemacht hat, sondern sich auch selbst als über jeglichem Recht und Gesetz stehend begreift. So mit seinem unsäglichen Ausspruch, er könne jemanden auf offener Straße ermorden, ohne Einbußen bei seiner Anhängerschaft zu erleiden. Was, bitteschön, ist dies anderes als Rechtfertigung für Mord?
    Demokratische Grundprinzipien einzufordern und Klartext mit einem Präsidenten zu sprechen, dessen politisch-moralisches Selbstverständnis etwa dem eines Heinrich VIII. entspricht, sei Aufkleben von „moralisch-kritischen Etiketten“?

  41. @ Henning Flessner
    Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte der Völkerwanderungen. Diese wurden von verschiedenen Motiven angetrieben: Eroberungslust (meist auf Kosten der angestammten Bevölkerung), Suche nach besseren Überlebenschancen, Flucht vor Krieg und Verfolgung, Vertreibung etc. Das alles führte über die Jahrhunderte und Jahrtausende zu massiven Bevölkerungsumschichtungen, das werden Sie doch nicht bestreiten. Man muss das ja gar nicht bedauern, es führte in der Vergangeheit durchaus zu kulturellem Fortschritt und Vermeidung von Inzucht, aber auch zu Leid und Entwurzelung. Und dieser Prozess wird weitergehen.

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