Wolfgang Clement geht, verlässt die SPD. Nachdem sich am Montag die Bundesschiedskommission der SPD noch gegen einen Parteiausschluss des ehemaligen Superministers und Hartz-IV-Vaters ausgesprochen hatte, schmiss Clement der SPD einen Tag später die Brocken vor die Füße: „Hiermit erkläre ich mit Wirkung vom heutigen Tag meinen Austritt aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“, lautet kurz und bündig das Fax, das am Dienstagmorgen bei SPD-Chef Franz Müntefering eintrudelte. Darauf ruft Müntefering ihn an: Ob seine Entscheidung wirklich unumstößlich sei? Clement: „Ja!“ Gesprächsende.

So geht eine 38jährige Parteimitgliedschaft zu Ende. Das Zerwürfnis war jedoch schon vorher offensichtlich: Im Januar 2008, kurz vor der Hessenwahl, hatte Clement in der Welt geschrieben: „Deshalb wäge und wähle genau, wer Verantwortung für das Land zu vergeben hat, wem er sie anvertrauen kann und wem nicht.“ Ein mehr oder weniger direkter Aufruf, Andrea Ypsilanti nicht zu wählen. Und ein Affront für die meisten Genossen. Trotzdem nur eine Rüge für Clement. Dafür hatte sich nicht zuletzt Franz Müntefering ins Zeug gelegt. Man darf annehmen, dass der von Clements Schritt ziemlich vor den Kopf gestoßen ist.

Was für ein Durcheinander in der SPD! Die Bundestagsfraktion ist schon mal in den Wahlkampf gestartet – da hat offenbar mancher Angst um sein Mandat. Währenddessen wird der Parteilinke Niels Annen in seinem Wahlkreis abserviert. Und der Parteirechte schmeißt von sich aus hin. Wo will diese Partei hin? Sicher ist Clements Entscheidung eine einsame und egomanische, doch sie fügt sich in ein Mosaik: Die SPD ist atomisiert. Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier werden alle Hände voll zu tun haben, wenn sie ihre Partei einigermaßen zusammenhalten wollen. Von Geschlossenheit gar nicht zu reden.

Dazu Georg-Michael Mathes aus Frankfurt:

„Kindergarten ist wohl die beste Beschreibung dessen, was Clement hier als Schauspiel fürs Parteivolk abgezogen hat. Er hätte mit der Rüge leben können, ihm ging es aber offensichtlich um die Devise ‚Ein Clement hat immer Recht‘. Genau so ist sein Austritt zu verstehen. Ein Clement wird nicht rausgeschmissen, er geht und ist der moralische Sieger. Das, lieber Wolfgang Clement, ist so ziemlich das schlechteste Provinzstück, das die SPD (bzw. ein Ex-Mitglied) in Deutschland jemals aufgeführt hat: ‚Wenn ich nicht Recht bekomme, trete ich aus der Partei aus.‘ Billiger geht’s nicht.“

Rasmus Ph. Helt aus Hamburg:

„Der Rücktritt von Wolfgang Clement ist konsequent. Wer öffentlich vor seiner eigenen Partei warnt, der stellt sich selbst ins Abseits. Ein unsolidarisches Verhalten, das auch in der freien Wirtschaft mit einer Abmahnung bzw. einer Kündigung geahndet werden würde. Zudem hat der ehemalige Superminister mit seinem Gesetz zur unbefristeten Zeitarbeit maßgeblich dazu beigetragen, dass viele gute Beschäftigungsverhältnisse in schlechte Niedriglohnjobs umgewandelt wurden. Eine Politik, die sozialdemokratischen Werten absolut zuwider läuft!“

Sigurd Schmid aus Bad Homburg:

„Wolfgang Clements Entschluss ist nur konsequent. Die Lagerspaltung in der SPD in Vorwärts/Linksorientierte und Aufwärts/Wirtschaftspragmatiker ist so evident, dass sein Verbleiben nur dann einen Sinn gehabt hätte, wenn die pragmatische Linie sich nun anschickte, die linke in die Schranken zu weisen. Danach sieht es aber in vielen Landesverbänden nicht aus. Im Prinzip müsste die Bundes-SPD einen außerordentlichen Richtungs-Parteitag einberufen. Die Gefahr der Spaltung schreckt aber offenbar ab.
Die Finanz- und jetzt umfassendere Wirtschaftskrise bewirkt, dass die an der alten Schröder-Haltung orientierte, letztlich wirtschaftsfreundliche Fraktion der SPD „ohne intellektuelle Munition“ dasteht. Es besteht Bedarf an einem(r) wirtschaftlich versierten Ordnungspolitiker(in), der/die die Partei durch das Gestrüpp der leidigen Problematik „Markt contra Staat bzw. Ordnungsregeln“ führen [PRESSE-KURSI]und[/PRESSE-KURSI] animieren kann. Die in der SPD links Tendierenden müssen sich vor Augen halten, dass sich schon Willi Brandt seinerzeit vertan hat, die Wirtschaft als „zu melkende Kuh“ behandeln zu wollen. Die Kühe wollen nämlich bekanntlich zuvor gefüttert sein.
Bundespräsident Köhler hat sich in seiner bemerkenswerten Rede vor dem European Banking Congress in einer Beziehung als Quasi-Sozialdemokrat entpuppt, als er nämlich den überragenden Grundsatz der Solidarität für das gesellschaftliche Zusammenleben beschworen hat. Es reicht aber nicht aus, notwendige Solidarität nur zu deklamieren. Diese muss sich auch in Institutionen (wie dem zu Unrecht angefeindeten Mindestlohn) ausdrücken können. An der konkreten Ausgestaltung von Solidarität muss die SPD programmatisch noch weit mehr als bisher arbeiten.“

Eckehard Raunach aus Kiel:

„Clement und ich haben viel gemein: Wir sind beide alte Männer, beide alte SPD-Mitglieder. Beide hatten wir viele Funktionen für die SPD – er gut bezahlte, ich ehrenamtliche; beide waren wir streitbar. Kampfbereitschaft und Toleranz gehören zum Leben einer Partei. In den Jahren ist Clements Streitbarkeit gewachsen, seine Toleranz leider geschwunden. Zum Egomanen zu werden ist nicht verboten – aber schade ist es schon.“

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19 Kommentare zu “Wie im Kindergarten

  1. Er ist aus der Partei ausgetreten, mehr nicht. Und? Warum wird darum nun ein Volkstanz aufgeführt? Eine Randnotiz als Wortmeldung hätte gereicht. Er konnte es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, noch in diesem Haufen sich einzubringen. Iat doch ok, oder nicht? Nein, er bekommt heute drei Seiten in der FR, inkl. Regional.

  2. Ich denke er führt nur weiter fort was er in der Schauspielschule von Gerhard Schröder gelernt hat.
    Die Gage war OK der Film scheiße aber was soll;s das Leben geht weiter.

  3. Nun denn, die Zeichen mehren sich. Die SPD muss allmählich zeigen, welchen Weg sie zukünftig gehen will.

    Entweder Dauer-Juniorpartner der CDU und auf Wirtschaftskurs,

    oder doch schließlich eine Mehrheit links der Mitte zu suchen.

    Der zweite Weg wird allerdings nur über einige Lernjahre in der Opposition möglich sein…

    maderholz

  4. antwor auf maderholz

    Opposition ist ja gut, aber wer soll in dieser Zeit die Verantwortung haben? Die CDU/FDP? Na, danke!

  5. Antwort an Bürger Lu.

    Opposition ist nicht gut – auch nicht für die SPD.

    Aber was soll man dazu sagen :

    Rot/Grün/Linke : Mehrheit im Bund
    : Mehrheit in Hessen (vor Auf
    lösung d,L.T.)
    : Mehrheit in Hamburg

    Wie oft muss noch gewählt werden, bis der „Wählerwille“ in einer Demokkratie (parlamentarisch! ) erkannt wird ?

    Es liegt auch heute bei den alten „Oberen“, die nicht miteinander können – wie einst bei den Königen…

    Und das Wahlvolk spielt noch mit…

    Verstehen wir uns wieder ?

    maderholz

  6. Wenn jeden Monat ein Parteifreund (egal welche Partei)durch den Dreck gezogen wird birgt das die riesige Möglichkeit den waren Jakop zu sehen,wie er wirklich denkt und handelt.
    Zurücklehnen und abwarten und gut zuhören.

  7. Abschließende Bemerkung.

    Die Führenden müssen die Bedingungen schaffen, unter denen die Geführten gut leben können.

    Wenn sie dies nicht schaffen, dürfen sie nicht länger führen.

  8. Clements „männliche Beschwerden“ sind nichts anderes als das Jammern über seinen Machtverlust.Herr Clement, der in den letzten Tage nicht müde wurde, darüber zu klagen, dass er sich von der SPD „entmannt“ fühlt, sollte seine Kastrationsschmerzen
    besser auf der Couch behandeln lassen, als sie einer nicht interessierten
    Öffentlichkeit zuzumuten.

  9. Clement – und leider eine Reihe anderer – war kein soziales Aushängeschild der sPD. Und wenn diese Partei so markt-konform weitermacht, dann wird ihr Wählerpotential weiter in der LINKEn oder – viel schlimmer – irgendwo rechts die Möglichkeiten zur Veränderung zu suchen.

    1914 hat die sPD es vor lauter Kriegsbesoffenheit versäumt, sich deutlich zu positionieren, 1918 wurde sie zur Regierung gedrängt, ohne als starke Partei ein Programm zu haben, wie lange wirkt stumpfe Tradition noch nach, bis endlich was passiert, um das s in ihrer Abkürzung in normalem Maßstab abdrucken zu können? Eine große Partei ist sie leider nicht mehr…..

  10. Es ist schon verwunderlich ,dass augerechnet die,die aus der Arbeiterschaft emporsteigen die größten Lügner sind und den meisten nachhaltigen Schaden anrichten.
    Gestern Blüm
    Heute Clement
    Bluffer,Blender und moralisch ??????.

  11. Also nu nix gegen Blüm. Wenn man den heute noch gelegentlich reden hört verblüfft der einen. Er war halt lustig. Herr-je, die haben alle so ihren Schaden angerichtet. Herr Clement ist raus aus’m Pott und vllt sehen wir ihn demnächst auf Heimtrainern die Dynamos füllen. Wer kann sich noch Moral leisten wenn selbst die Banken keine mehr im Tresor haben?!

  12. Die SPD als schlechte Kopie von Oscar Lafontaines Partei kommt nicht über 25% der Wählerstimmen hinaus. Man kennt das aus der Zeit vor Bad Godesberg. Weshalb sind in der Bevölkerung Steinmeier, Clement, Schröder und Steinbeck populair und Nahles und Steger nicht? Das sollte zu denken geben. Besser wäre es, einen Teil der SPD-Mitglieder aufzufordern, sich bei Oscar anzuschließen. Dann werden die Wähler der Mitte zurückkehren und es könnte wieder Richtung 30% gehen.

  13. Die SPD hat mit Schröder die klare Linie verlassen. Und was passiert, wenn alles nur noch beliebig wird? Wenn jeder in dieser Partei sein eigenes Projekt ist. Richtig! Nichts geht mehr. Deshalb bin ich absolut für die Spaltung und eine anschliessende klare linke Neuausrichtung der restSPD.

  14. @ 15

    Für das, was Müntefering, Steinbrück und Co propagieren, gibt es schon eine Partei mit dem Namen FDP. Die SPD wird nur dann Wählerstimmen zurückerobern, wenn sie sich auf alte Tugenden zurück besinnt und wieder zur Partei des kleinen Mannes wird. Das ist sie seit Schröders neoliberalem Schwenk nicht mehr. Die Quittung wird sie einmal mehr bei der Bundestagswahl erhalten. Die Altforderen der SPD sind die besten Wahlkämpfer, die sich Lafontain wünschen kann. Münte und Co: nehmt euch Clement zum Vorbild!

  15. Ich kann Clemens sehr gut verstehen. Ich habe mir seine Erläuterungen zum Wieso und Weshalb im Interview der Woche im Deutschlandfunk angehört, welches hier:

    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/idw_dlf/883779/

    nachgelesen und nachgehört werden kann.

    Die Gründe, die er angab, haben Hand und Fuß. Wenn er sagt: „Ich habe mir jetzt fast ein Jahr lang angehört, dass ich charakterlos sei und dass ich verantwortlich sei für eine menschenverachtende Politik durch die Agenda 2010“, so stimmt dies. Bestimmten Politikern gegenüber scheint alles erlaubt: Sie wahlweise mehr oder weniger offen als die größten Esel oder Banditen, je nachdem, bezeichnen zu dürfen… aber wenn das aus der eigenen Partei kommt, wie es bei C. der Fall war, dann bleibt gerade jemandem MIT Charakter nur der Austritt.

    Eine Erklärung unterschreiben zu müssen, daß man zukünftigt nicht mehr sagt, was man denkt, sondern „seine Worte sorgfältig abwägt“ (m.a.W. gefälligst jede Meinung herunterschluckt, die von der von der Parteiräson vorgegebenen Linie abweicht), halte ich ebenso wie C. für unzumutbar. Daß in anderen Parteien solche Erklärungen nicht unterschrieben werden müssen, weil ein Ausleseprozeß diejenigen nicht hochkommen ließ, die es nicht freiwillig machen, macht den beabsichtigten Vorgang nicht akzeptabler.

  16. Zu 18.

    So einfach lässt sich das darstellen !?

    Wenn jemand kurz vor einer bedeutenden Wahl dazu rät, die eigene Partei nicht zu wählen,
    darf das nicht heftig kritisiert werden ?

    Darf nicht über Ausschlussverfahren nachgedacht werden, wenn Abgeordnete kurz vor einer Abstimmung im Landtag ihr „Gewissen“ entdecken, obwohl mit über 95% Zustimmung auf dem Parteitag der Weg gutgeheißen wurde ?

    Eine Trennung von Spreu und Weizen ist leider unumgänglich für die SPD.

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