Demnächst beginnen die Olympischen Spiele in Peking. Im Vorfeld gab es nun doch noch den Ärger, den manche erwartet hatten: Die chinesischen Machthaber schränkten den Internetzugang für Journalisten ein. Inzwischen ist das „Problem“ zwar behoben, auch wenn bestimmte Seiten, etwa zu Tibet, weiterhin nicht zugänglich sind, aber das Internationale Olympische Komitee hat sich bei dieser Gelegenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert. IOC-Präsident Jacques Rogge sieht sich sogar mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, weil er, als Peking den Internetzugang einschränkte, „größtmöglichen Zugang“ und „exzellente Arbeitsbedingungen“ versprach. „Größtmöglicher Zugang ist eben nicht uneingeschränkter Zugang.

Zur Pressefreiheit in China meint Joachim Wolf aus Strausberg:

„Die Diskussion über Menschenrechte und Pressefreiheit in China verwundert im Vergleich mit der Praxis in westlichen Demokratien. China steht vor vielen Problemen. Ich erinnere an den Kampf gegen Korruption, an die Umgestaltung des Rechtssystems, an die Überwindung des Hungers bei vielfacher Armut. Zu diesen Problemen kommen die Organisation und Sicherheit der Olympischen Spiele vor Anschlägen dazu. Dabei nimmt China gern echte Hilfe aus dem Ausland an.
In den Industriestaaten nimmt die Armut stetig zu, die Menschenrechte verkommen zu Lippenbekenntnissen. Das zeigen unter anderem: Tausende zivile Opfer und Millionen Vertriebene als „Kollateralschäden“ der US- und Nato-kriege seit 1990; Verhaftungen nach Verdacht (Sicherheitsverwahrung) und Folter wie in Guantánamo; blutige Verfolgung von Autonomiebewegungen (Kurden); Zensur bis zum Verbot von Sendern sowie Einschränkungen anderer Bürgerrechte. Bei Fußballspielen werden mutmaßliche Provokateure schon an den Landesgrenzen abgewiesen. Warum sollte das für China nicht gelten?
Die Forderungen des US-Abgeordnetenhauses und deutscher Politiker an China zur Einhaltung der Menschenrechte und zur unbegrenzten Pressefreiheit erscheint mehr als heuchlerisch. Nach Umfragen erachten rund 70 Prozent der Deutschen (Spiegel Nr. 19) eine andere Politik der USA für nötig. Ansätze für eine Änderung sind jedoch nicht in Sicht. Eine sachliche und vorurteilsfreie Berichterstattung der Medien sollte feindselige und unbewiesene Informationen verdrängen. Das würde der olympischen Idee besser gerecht.“

Manfred Römer aus Königstein:

„Im Umgang mit China verkaufen und verraten die Globalisierungsgewinnler hierzulande und im Rest der westlichen Welt unsere Ideale der Freiheit und Menschenrechte. Wir passen uns den Chinesen an, denen Freiheit und Menschenrechte nur lästig sind. Dass dem offiziellen China und dem Heer der Parteigänger der Mächtigen diese westlichen Ideale Sand im Getriebe sind, kann mich nicht wirklich verwundern: In China (in Japan ist es ähnlich) gilt der Einzelne nichts, steht er gegen die Interessen des Ganzen. Und was das Interesse des Ganzen ist, das bestimmt seit ewigen Zeiten der jeweilige Machthaber.
Immer wieder fordern die Chinesen, der Westen solle auf Augenhöhe mit ihnen sprechen und Respekt zeigen. Was, liebe Chinesen, darf man darunter verstehen? Ich kritisiere die Politik der chinesischen Regierung – schon bin ich nicht mehr auf Augenhöhe mit China, habe mich arrogant erhöht? Ich kritisiere das Vorgehen Chinas in Tibet – schon zeige ich keinen Respekt mehr? Wer den Tibetern gegenüber jeden Respekt vermissen lässt, braucht sich nicht zu wundern, dass er ungeliebt ist.
Wenn wir uns im Westen nicht verbiegen, auch in Zukunft die Würde und Freiheit des Einzelnen respektieren, die Macht der Regierenden begrenzen wollen, dann werden zwischen China und der westlichen Welt erhebliche Spannungen entstehen. In diesem Sinne: Herr Rogge, Herr Bach und alle deutschen Olympioniken – vergesst Tibet! Happy Games!“

Adrian Lobe aus Stuttgart:

„Chinas verstärkte Sicherheitsvorkehrungen unmittelbar vor den Spielen in Peking zeugen nicht unbedingt von Paranoia, sondern von einer nachvollziehbaren Sorge vor terroristischen Anschlägen, wie sie sich in der Provinz Xinjiang im Nordwesten des Landes ereigneten. In diesem Gebiet operieren uigurische Untergrundkämpfer der Islamischen Bewegung Ostturkestan (Etim), die für eine Abspaltung von China kämpfen. Die muslimischen Separatisten, auf deren Konto dutzende Anschläge gehen, werden von den USA als Terrororganisation eingestuft.
Natürlich spielt die Führung in Peking die latente Gefahr herunter, schließlich will man in einer ohnehin aufgeheizten Stimmung keine Zweifel nähren, die Sicherheit der Wettkämpfe nicht gewährleisten zu können. Das Reich der Mitte will sich von seiner besten Seite zeigen. Kollektive Jubelnachhilfe für Nachwuchssportler, eine Schnellwäsche in Sachen Verhaltensregeln und Etikette für Edel-Kellner und die Verbannung von Obdachlosen aus der Metropole – so will sich das Land der Weltöffentlichkeit präsentieren. Und da passen krittelnde Menschenrechtler eben nicht so recht ins Bild der Mächtigen.“

Gerd Wientzek aus Neu-Isenburg:

„Hier sieht man, von welchen Maßstäben das Handeln des IOC geleitet wird. Es zählt nur der Profit. Athleten, ob gedopt oder nicht, und der gepriesene „olympische Gedanke“ sind einzig Mittel zum Zweck und spielen ansonsten eine untergeordnete Rolle. Es ist eine einzige Farce. Die gesamte (Welt-)Presse müsste diese Heuchelei total ignorieren.
Leider steckt da das gleiche Kapital dahinter wie in den Funktionärskreisen, sonst hätten die Spiele nach den Erfahrungen der Nazizeit niemals dorthin vergeben werden dürfen. Möglicherweise haben einige daran gut verdient, und andere haben wegen hoher Gewinnerwartung dort investiert, weshalb das ganze auf Biegen und Brechen durchgezogen werden muss. Sei die Ver- oder Missachtung von Freiheit und Menschenwürde noch so groß, für die Olympiastrategen gibt es keine Interessenkonflikte. Nicht nur am Ende werden alle Funktionäre und Politiker Händchen halten und sich jubelnd via Presse ins Bild setzen lassen und begeistert den tollen „Gastgeber“ mit Lob überhäufen.“

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9 Kommentare zu “Vergesst Tibet! Happy Games!

  1. Ich gewähre den Olympischen Spielen, der Tour de France und ähnlichen Scheinereignissen ohnehin nur noch den geringstmöglichen Zugang zu meinen Sehnerven.

    Ich schaue über sie hinweg, so wie Veranstalter und Politik über meine/unsere Forderungen hinwegschauen.

    Es stünde der Rundschau und jeder anderen Zeitung gut an, konsequent über andere Sportereignisse zu berichten.

  2. Wer hat wirklich anderes erwartet ??
    Geschäft ist Geschäft !!!!!!!!
    Und was hat internationaler Sport mit Sport zu tun,wenn selbst nationaler Sport nichts mehr mit Sport zu tun hat.
    Es ist wie mit Sch…
    Millionen von Fliegen können nicht irren.

  3. Ich kann mich dem ersten Satz von BvG nur anschließen.

    Die Frage ist nur, wieso geht es so vielen anderen nicht ebenso? D.h. wieso ist überhaupt Olympia so ein großes Geschäft, hat so viele Zuschauer (bzw. je nach Medium, -hörer, -leser usw., Interessierte eben) und wird damit eine so lukrative „Werbefläche“? Zwei Gründe fallen mir dazu ein:

    1. Natio- und es fällt mir schwer, dies in einem eher linksorientierten Forum zu schreiben, weil es natürlich wieder Kloppe regnen wird -nalismus. D.h. es gibt ein doch scheinbar dringendes Bedürfnis der Menschen zur Identifikation mit der Nation, sowie in diesem Zusammenhang gern auch mal Überlegenheitsgefühle zu kultivieren. Wie kann man das denn besser tun, als wenn „man“ gerade Gold gewinnt, oder gar auf dem Medaillenspiegel ganz weit vorne steht.

    2. Sexualität. Das Betrachten schöner Körper (Kugelstoßen o.ä. lassen wir bei dieser Betrachtung mal aussen vor).

    Das freudige Erleben der Aufwertung des (an der Nation festgemachten) Selbstwertgefühls nebst angenehmer erotischer Grundspannung wird man nur bei ganz wenigen mit Verweisen darauf beseitigen können, was für ein böses, böses Land China doch sei.

    Insofern wird es wohl tatsächlich bald leider heißen: Vergesst Tibet! Happy Games!“

  4. Jetzt nehmt mal den Zeigefinger wieder runter.
    Wieso soll ein Sportler, der in seinem Leben vielleicht ein einziges Mal diese Gelegenhei hat den Job der Politiker machen ? Solange wir Entwicklungshilfe nach China zahlen und den Chinesen aus wirtschaftlichen Interessen die Menschenrechte nicht um die Ohren hauen braucht der Sportler dies auch nicht zu tun. Der Sinn und der ursprüngliche Zweck des Olympischen Gedankens ist ein ganz anderer…..

  5. Ja, Sport! Damit hatte ich schon in meiner Jugend nicht viel im Sinn. Mir schien das immer als autoritärer Drill und weniger eine Freude an der Bewegung.. Die haben Kinder von sich aus. Man muss sie nur beobachten: sie hüpfen, sie laufen, sie schaukeln hoch hinaus. Eine freudige Bewegungslust ohne jeden Gedanken an Medallien. Das ist schön und sollte man auch unterstützen, indem man Kindern die Möglichkeit gibt, sich an sportlichen Geräten zu erproben. Die Freude am Klettern, am Runterrutschen, durchs Wasser planschen und tief auch darin eintauchen. Die olympischen Spiele haben mit dieser Freude an der Bewegungslust nichts zu tun. Aber sie tragen vielleicht ein wenig dazu bei, dass sich Völker darüber näher kommen.
    Bei allen ökonomischen Vorder- und Hintergründigkeiten bleibt vielleicht doch etwas hängen.

    Wir blicken jetzt auf China. Ein Land, von dem wir bis jetzt viele unterschiedliche Informationen hatten, weit weg von uns . Immer noch sozialistisch (in Häkchen) , aber schon von einem Kapitalismus geprägt, vor dem wir uns nur fürchten können.
    Ja, wir blicken jetzt auf China, und China weiß, dass wir blicken. Vielleicht ist das doch eine Chance für Menschenrechte?

    Das war jetzt weitscheifig und assosiativ, aber ich hoffe, Ihr habt mich verstanden?

  6. Olympia scheint doch mehr eine Wanderbaustelle zu sein, der Menschen geopfert werden.

    1.Um sie zu verwirklichen.
    2.Um sie zu rechtfertigen.

    Die Grundidee, den unwesentlichen Wettstreit, wer denn nun der/die Stärkere sei, auf unkriegerische Art zu erledigen, geht gründlich baden.Es ist ein lauer Krieg geworden, mit lauter freiwilligen Kämpfern. Das einzige Ziel ist, Energie in Geld zu verwandeln.

    Nicht mal mehr beim Marathonlauf wird ’ne Nachricht überbracht.

  7. Also daß die Grundidee Olympias „unwesentlicher Wettstreit“ gewesen sei, will ich aber heftig bestreiten. So schreibt z.B. Wikipedia über die olympischen Spiele der Antike:

    Die Olympischen Spiele der Antike waren kulturell und politisch von unvergleichbar großer Bedeutung. Sie dienten als politisches Forum, da sowohl das Volk als auch Diplomaten und politische Vertreter aus allen Teilen der griechischen Welt zusammenkamen… Nicht zu unterschätzen ist die organisatorische Aufgabe der Offiziellen in Olympia selbst, die für den reibungslosen Ablauf des antiken Großereignisses zuständig waren. Menschen aller Schichten und Berufsgruppen nutzten die Tage als gesellschaftliches Forum und aus wirtschaftlichen Aspekten…

    War also alles schonmal da, auch die wirtschaftlichen Aspekte, wenn auch sicher in anderer, mit heute nicht vergleichbarer Form…

    Was das „Opfern“ von Sportlern angeht:

    …es zählte einzig und allein, der Erste zu werden… Nur der beste Sportler wurde gefeiert. Es wird von einigen Athleten berichtet, dass sie lieber sterben wollten als Zweiter bei den Olympischen Spielen zu werden. Die Sieger bei den Wettkämpfen wurden danach in ihrer Heimatstadt wie Helden gefeiert. Sie wurden privilegiert durch Steuerbefreiung, Geldprämien, Geschenke, bürgerliche Ehrenrechte oder große Begräbnisse…

    Damals wollten also Sportler sterben aus Schmach, heute müssen sie’s ab und zu wegen der biologisch-chemischen Nebeneffekte der Substanzen… keine Verbesserung in meinen Augen.

  8. Unwesentlich, Herr Wedell,ist die Frage, wer der Bessere sei.

    Dafür sterben zu wollen, der Bessere zu sein, gar sterben zu wollen, weil man nicht der Bessere ist, ist pure Dummheit und schließt per se das Attribut aus, um das es geht.

  9. nach dem was geschah in Georgien, Ossetien, Afchasien weiss der Leser warum die Olympiade,
    trotz allem, in China stattfand.
    Trotz guter Vorbereitung ging die Aktion von Saakoschwili nach Hinten los.Es gab Fehler!Schade. Wie schlimm das ist werden jetzt die Rentner spüren, denn sie sind an allem schuld!

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