Die SPD muss den Neuanfang wagen

So, es wurde gewählt, und das Ergebnis ist beinahe eine neue große Koalition, denn die kleine FDP ist nicht mehr klein, sondern hat das für sie historische Ergebnis von 14,6 Prozentpunkten eingefahren. Und die große CDU (mit der ehemaligen Staatspartei CSU) ist gar nicht mehr so groß, sondern bekam mal gerade 33,8 Prozent. Gut doppelt so viel wie die FDP. Die Zeiten, in denen kleine Parteien mit ihren sechs oder sieben Prozentpunkten den großen zur Mehrheit im Bundestag verhalfen, scheinen endgültig vorbei zu sein.

Jetzt haben wir es also mit einem Guido Westerwelle zu tun, der in der Elefantenrunde auf Kritik reagierte, als handle es sich um Majestätsbeleidigung. Angela Merkel, daneben sitzend, wirkte schon mal leicht genervt ob seiner hochfahrenden Retourkutschen. Wie darf man sich da die Koalitionsverhandlungen vorstellen? Holt die FDP jetzt die Folterwerkzeuge heraus? Die CDU ist schließlich an sie gebunden … 

Und ach, die SPD. Ganz tief unten, so tief war nie. Am Kandidaten lag es offenbar nicht, sondern vielmehr an der Glaubwürdigkeit. Rund 1,9 Mio SPD-Wähler sind der Wahl diesmal ferngeblieben. Lauter kann der Protest der SPD-Klientel kaum ausfallen. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering wird die Konsequenzen ziehen und beim nächsten Parteitag nicht mehr als Vorsitzender zur Verfügung stehen. Dann macht’s wohl der Spitzenkandidat, der, wie es auch im Vorfeld der Wahl schon anklang, Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag und damit Oppositionsführer werden will. In der Elefantenrunde gab er schon mal einen Vorgeschmack. Bemerkenswert ruhig und selbstbewusst, obwohl dazu eigentlich kaum Anlass bestand, denn in der SPD stürmt es seit dem Wahlabend. Große Koalitionen bekommen den beteiligten Parteien eben nie. Und der Kandidat hatte eine schwierige Ausgangsposition. Doch nicht die wird es sein, die die innerparteiliche Auseinandersetzung der nächsten Tage und Wochen bestimmen wird, sondern es wird um die Verfassung der SPD gehen. Mit der beschäftigen sich auch die meisten Leserbriefe, doch bevor ich die bringe, muss und will ich erwähnen, dass auch zwei weitere Parteien historisch gute Ergebnisse einfuhren. Die Grünen erreichten ihr Ziel allerdings nicht, stärkste unter den „kleinen“ Parteien zu werden; da waren die CDU-Wähler davor, die taktisch mit ihrer Zweitstimme FDP gewählt haben. Und auch die Linke schnitt hervorragend ab, doch auch ihr steht jetzt ein Lernprozess hervor. Bisher hat sie nicht mitregieren wollen. Doch ein so gutes Ergebnis – 11,9 Prozent – zwingt sie beinahe dazu, sich mit ihrer Verantwortung auseinanderzusetzen.

Nun aber die Leserbriefe. Beginnen wir mit dem von Robert Lebowitsch aus Frankfurt:

„Endlich hat die SPD ein Traumergebnis eingefahren, was dazu führen kann, dass sie sich bewusst ist, einen Meter vorm Abgrund zu stehen. Nächstes Jahr kann sie einen Meter weiter sein.
Die Stammwähler vergessen nicht die Mehrwertsteuererhöhung 2005, SPD null Prozent, CDU zwei Prozent, Ergebnis war drei Prozent. Diese mathematische Gleichung hat die SPD bis heute nicht kommuniziert.
Das nächste große Desaster ist das völlig unklare Verhältnis zur Linkspartei. Wegen persönlicher Animositäten wurde ein derartiges Chaos veranstaltet wie am Beispiel der Landtagswahl in Hessen. Frau Ypsilanti hat sich bleibende Verdienste im politischen Kabarett erworben, und das mit Duldung des gesamten SPD-Vorstandes. Wir rennen nicht mit dem gleichen Kopf zweimal gegen die gleiche Wand (Zitat Kurt Beck). Die Wand steht noch, nur der Kopf ist im Eimer.
Nächstes Beispiel: die Rente mit 67. Das versteht nur Franz Müntefering. Also vorwärts, SPD, wir müssen zurück, Glück auf.“

Auch der treue Leserbriefautor Manfred Kirsch aus Neuwied beschäftigt sich mit dem Thema, das ihm am meisten am Herzen liegt – der SPD:

„Nach der Bundestagswahl wird es zweifellos erheblich kälter werden in der Republik. Soziale Gerechtigkeit wird noch kleiner geschrieben werden. So genannte Reformen im Sinne marktradikaler Vorstellungen, die den Menschen zu Recht Angst einjagen, werden schnell umgesetzt werden, die Zwei-Klassen-Medizin wird perfektioniert werden und in der Energiepolitik werden die künftigen Koalitionäre den Versuch unternehmen, das Rad der Geschichte in Richtung Atomkraft zurückzudrehen. Als Bürgerrechtspartei hat die FDP mehrheitlich  schon lange abgedankt, so dass auch in der Innenpolitik nichts Gutes zu erwarten ist und Schäuble  sein Horrorprogramm durchsetzen wird. Es wäre geradezu naiv zu glauben, dass die FDP ihre starke Stellung nicht zur Durchsetzung der Interessen ihrer in der Regel privilegierten Klientel nutzen wird.
Die Sozialdemokratie  sollte ihre historische Niederlage  als Chance zur inhaltlichen und personellen Erneuerung der Partei begreifen. Dass am Wahlabend von Frank Walter Steinmeier und Franz Müntefering abgegebene Bekenntnis zum „Weiter so“ wird diesem Ziel  nicht gerecht. Die SPD muss endlich ohne Wenn und Aber mit der Politik der Agenda 2010 und deren Protagonisten brechen. Auch das Abblocken neuer linker Mehrheiten durch die kategorische Ablehnung von Bündnissen mit der Linken auf Bundesebene muss beendet werden. Die SPD braucht auf der Grundlage des Geistes des Hamburger Parteitages eine grundlegende Neuorientierung.
Jene bitter notwendige, in die Zukunft weisende Erneuerung ließe sich etwa mit Klaus Wowereit und Andrea Nahles, um nur einige zu nennen, bewerkstelligen. So dünn ist die Personaldecke der SPD doch nicht. Das Land schreit geradezu nach einer glaubwürdigen linken Reformalternative.“

Doris Bonn aus Hanau verbittet sich Kritik an der FDP:

„Es ist doch erstaunlich. Immer wenn eine Partei verloren hat, will sie auf einmal kämpfen. Was hat sie denn so lange gemacht, als sie in der Regierung war? Ich finde es auch eine Frechheit, die Wähler so darzustellen, als wüssten sie nicht, warum CDU/CSU und FDP gewählt wurden. Wir wollen eine Änderung. Die Programme der siegreichen Parteien haben es klar gesagt, und deshalb wurden sie gewählt. Die unterlegenen Parteien sollen diese unverschämten Aussagen lassen. Was ist das für ein Stil, was ist das für ein Benehmen? Diese Politiker sind Gift für Deutschland. Die Grünen sollten sich mal fragen, was die Bürger von ihnen denken, „den Kampf ansagen“, was soll das, Frau Künast? Alle unterlegenen Parteien haben nur wenige Prozent Stimmen bekommen, und schon meinen sie, sie müssten die Weltverbesserer sein. Gott sei Dank, dass wir eine andere Parteienkonstellation  bekommen haben! CDU/CSU und FDP werden es mit Sicherheit richtig machen!“

Andreas Gleim aus Kelsterbach meint:

Offenbar hat die SPD-Führung den Schuss noch immer nicht gehört: Die Chuzpe, mit der sich ein Steinmeier als neuer „Oppositionsführer“ vorstellte und damit seinen Anspruch auf den Fraktionsvorsitz anmeldete, ist schon mehr als dreist. Die sozialdemokratischen Wähler haben gestern vor allem die alte Schröder-Clique um Steinmeier und Müntefering abgewählt. Mit ihren Namen ist der Ausverkauf sozialdemokratischer Werte, die Zerstörung des sozialdemokratischen Markenkerns verbunden. Wer wirklich einen Neuanfang will, der muss diese Leute in die Wüste schicken. Und zwar schleunigst. Ansonsten drohen nicht vier oder acht Jahre Opposition, sondern das Ende der SPD.“

Rasmus Ph. Helt aus Hamburg:

„Der Absturz der SPD kommt auch in dieser Höhe nicht ganz überraschend. Denn eine Partei, die sich in einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise befindet, kann nur Vertrauen zurückgewinnen, wenn sie sich den Bürgern inhaltlich selbstkritisch stellt. Eine Philosophie, die die Sozialdemokraten aber in ihrer gesamten Kampagne nicht beherzigt haben. Stattdessen wurde mit leeren Sprüchen geworben, als starte die Partei wie ihre Konkurrenten bei null. Ein fataler Fehler, der jetzt nur noch dadurch zu beheben ist, indem es zu einem echten Neuanfang kommt mit auf bundespolitischer Ebene unverbrauchten Gesichtern!“

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25 Kommentare zu “Die SPD muss den Neuanfang wagen

  1. Was die SPD anbelangt: Eine Neuausrichtung der Partei ist bitter nötig. Sie hat bei dem Versuch, sich zur Mitte zu orientieren, ganze Wählerschaften an die Linkspartei, den Grünen oder aber an die Gruppe der Nichtwähler verloren. Der Spagat ging schief. Nun muss sie das Kunststück hinbekommen, abgewanderte Wähler zurückzugewinnen, ohne die bürgerlichen zu vergraulen. Dabei muss sie sich trotzdem von der Agenda 2010 verabschieden. Ihre Urheber müssen sich der Kritik stellen, umdenken oder aber ihren Platz räumen.

  2. Die vermeintlichen Leistungsträger haben gewonnen – die wirklichen Leistungsträger aber verloren

    Eigentlich sollte man jetzt nicht – isoliert – über die SPD diskutieren, sondern darüber, was dieses Wahlergebnis bedeutet. Allerdings: im Zeichen globalisierten Kapitalismus hat ein Bundestagswahlergebnis so wie so nur marginale Bedeutung: die Staatsmacht (die Exekutive gehört ja noch dazu) hat ihre Zuständigkeiten längst an die Lobby der Wirtschaft abgeliefert. Dennoch und deshalb: Was haben die Deutschen hier angerichtet? Schlagzeile FR gestern: „Die Wirtschaft jubelt – Die Kommentare aus der Wirtschaft fallen eindeutig aus: Mit einem schwarz-gelben Wahlsieg erhält sie ihre Wunschregierung. Energiekonzerne dürften sich auf einen Gewinnregen freuen.“ Und über die Freudensprünge an der Börse ist nichts weiter zu sagen. Man sieht, die Frage, die oben in der Einführung zur Diskussion gestellt ist, kann beantwortet werden: dafür und mit diesem Ergebnis hat man Gelb gewählt gewählt. Natürlich wissen sie, diese Wähler/innen, genau, was sie tun. Dieser Vorwurf, wenn er erhoben ist, zieht nicht.

    Offenbar ist die Gesellschaft in der Bundesrepublik eine solche der Leistungsträger im Sinne der neuen Einheitspartei CDUFDP – pardon, polemisch, aber, wenn ich es richtig erinnere, hat Frau Merkel für diese Einheit heftig geworben. Nur warum machen die schwarzen Wähler dabei mit– die Gelben wissen – siehe oben – immer was sie tun, denn ihr Geld ist in Gefahr -, die ohne Boni und jene, die Frau Merkel als Leistungsträger niemals bezeichnen würde? Ein Rätsel. Also über die FDP und ihre Wähler/innen muss man nicht weiter sprechen. Wieso aber Krankenschwestern, Busfahrer, Lehrer und Lehrerinnen, Erzieherinnen, Niedriglöhner, Facharbeiter, Priester und Pfarrer und viele mehr bei dieser Partei in Kreuzchen offenbar bei der CDU gemacht haben, erschließt sich mir nicht. Alles Berufsstände, bei denen der gesellschaftliche Wert ihrer Arbeit – der zuweilen unmessbar hoch ist – so niedrig eingestuft wird, dass sie aus dieser Sicht nicht zu den Leistungsträgern gehören. Sie sind die nützlichen Idioten des Kapitalismus. Ebenso wie Ehrenamtliche. Verständlich wäre das Ganze noch, wenn es sich um die CDU der Bonner Republik der 60er und 70er, ja noch der frühen 80er, handelte mit Blüm und anderen Christlichsozialen mit an der Spitze…Aber so: die klare Option für Gelb zeigt, dass die CDU weder christlich noch sozialfundiert ist. Und es hat sich ausgezahlt, jetzt kann die Union ihr Gerde vom „C“ im Parteinamen bedenkenlos fallen lassen, denn es ist dreist, dieses Gerede.

    Und die Mitglieder der eigentlichen Leistungselite können nicht mit Flucht in Ausland drohen wenn es nicht nach ihren Vorstellungen geht – anders als diese merkwürdige Wirtschaftselite. Diese Drohung mit der Flucht ins Ausland ist zum einen eher hohl, weil derartig paradiesische Verhältnis wie hier in Deutschland unsere Leistungsträger kaum irgend wo vorfinden, zum anderen aber zeigt sich wieder, welches Nötigungspotential hier liegt; nirgends als in dieser Auseinandersetzung wird die Ungleichheit der sozialen Waffen deutlicher: ein „Nichtleistungsträger“ – siehe oben – wird die Drohung, ins Ausland zu gehen, schon deshalb nicht aussprechen können, weil dies nur lächerlich klänge. Also: Dominanz des Kapitals vor der Arbeit – und das haben “wir“ auch noch stabil gewählt. Bravo!
    Ich meine insgesamt einfach, dass die SPD genau diese Kernfrage der „Leistungsträger“, ein symbolischer Begriff für die dahinter stehenden ökonomischen Ideologien mit ihren gesellschaftspolitischen Begleitprogrammen, aufarbeiten muss. Kern dieser Aufarbeitung ist die Entzauberung des Mythos von den Leistungsträgern, die bei Entlastung Arbeit generieren – sie tun es erkennbar nicht. Es wird darum gehen, eine gerechte gesellschaftliche Wertigkeit zwischen Arbeit und Kapital und zwischen den einzelnen Tätigkeiten herzustellen. So jedenfalls wie bisher geht es nicht: alles, was in der „Wirtschaft“ privat getan wird, hat offenbar vor vornherein den Bonus des Wertvollen, alles, was öffentlich notwendig verrichtet werden soll, wird entweder privatisiert oder ist – wie am Einkommen nachweisbar – minderwertig. Übrigens: eine solche Wende zur Dominanz der Arbeit über das Kapital (katholische Soziallehre) hat viele Sympathisanten aus dem Kreis jeder christlichen Soziallehre. Dafür müsste man sich den Schlachtruf der Neoliberalen „Kommunist, Sozialist“ nicht gefallen lassen: es reicht, ein Christ zu sein.

    Dr. Hans-Ulrich Hauschild, Gießen

  3. Hmm, also als Fazit scheint man ziehen zu müssen:

    a. FDP wählen ist schlecht, weil dann „die Wirtschaft“ jubelt
    b. Wenn „die Wirtschaft“ jubelt, dann muß der Bürger trauern, es kommt dann ganz dicke für ihn
    c. Ganz schlimm wirds für den Bürger, wenn die Börsenkurse hochgehen… alles, nur das nicht!!! Denn die Börsenkurse gehen ja nur deswegen hoch, weil sich jemand freut, daß er die kleinen Leute jetzt besser schikanieren kann
    d. Wer mehr Geld als der Durchschnitt bekommt, ist allenfalls eine Knalltüte, aber doch kein Leistungsträger
    e. Leistungsträger, die angeblich Arbeit schaffen, gibt es schon deswegen nicht, weil es Arbeitslosigkeit gibt; solange es „erkennbar“ Arbeitslosigkeit gibt, schafft auch niemand Arbeitsplätze, kann sich also keiner Leistungsträger nennen

    Das ist jedenfalls, was ich so an Grundideen dem vorherigen Post entnehme… Ich hoffe ja, ich habe nicht alles falsch verstanden.

  4. @ Max Wedell,

    Ich nehme an, Sie w o l l t e n gar nichts verstehen. Oder habe ich Sie jetzt falsch verstanden?

  5. Liebe Mitdiskutanten,

    Ironie ist eine feine Sache und ein rhetorisches Mittel der Aufklärung – wenn sie verständlich bleibt. Die Ironie von Herrn Max Wedell – Gruß Gott übrigens – ist eine solche erfreuliche Aufklärung. Denn mit wenigen Ironien stellt er die Ideologie einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik vor. Genau diese aber ist in Zweifel zu ziehen. Es wird ökonomisch in Zweifel zu ziehen sein, dass die pure Tatsache des Geldverdienens volkswirtschaftlich wirksame Wertschöpfung generiert. Ebenso die anderen Elemente einer solchen – schlicht – neoliberalen Orientierung, wie gerade heute wieder die FR zeigt: Arbeitszeitverkürzungen sind – in bestimmten Problemlagen – das Mittel, nicht Mehrarbeit. Nachfragegenerierung wird von führenden Ökonomen als das dominant einzusetzende Instrument der volkswirtschaftlichen Globalsteuerung begriffen. Dies geht nur durch eine – sicherlich nicht verfassungswidrige – Umverteilung. Ich finde einfach: es fehlt der Nachweis, dass eine solche Förderung von sog. Leistungsträgern der Gesamtgesellschaft wirklich hilft. Nicht ohne Grund wird die Grundidee von Keynes wieder heftig diskutiert.

    Und noch eines: es geht nun überhaupt nicht um die Frage des „Mehrverdienens“, sondern um ihre Gerechtigkeit. Es gibt keinen erkennbaren Grund, warum bestimmte Tätigkeiten – mehr habe ich nicht gesagt – in unserer gesellschaftlichen Wertschätzung gegenüber dem puren mikroökonomischen Tun in der „Wirtschaft“ so gering geschätzt werden.

    Schließlich: man lese – darf man das hier vorschlagen? – die FAZ von heute Leitartikel „Wozu SPD?“. Dort wird deutlich, wofür Gelbe die SPD gerne hätten: sie soll die Friedfertigkeit in der Gesellschaft garantieren – zum Regieren wird sie nicht gebraucht. Sie soll mögliche Verwerfungen, die das Ergebnis solcher angebotsorientierten Politik sein können, in einen Interessenausgleich kanalisieren. Genau das hat sie 11 Jahre lang gemacht. Friedfertigkeit und sozialer Frieden sind hohe Güter. Aber der „Ewige Frieden“ soll keine Friedhofsruhe (siehe Kant, „Zum ewigen Frieden“) sein, sondern nach rationalen und sozialen Prinzipien unter Achtung von Gleichheit und Würde das Ergebnis gesellschaftlichen Diskurses. Ich finde es nun einmal unwürdig – nach jenen Prinzipien gedacht – wenn eine Altenpflegerin eine so deutlich geringere gesellschaftliche Wertschätzung – gemessen am Einkommen – bekommt als – sagen wir – ein Handyhändler. Der Umkehrschluss ist nicht zulässig – auch der Handyhändler hat seine Würde.
    Gruß
    Hans-Ulrich Hauschild

  6. „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.“ Wobei die Spötter oft ungewollt sich selbst entlarven. – So Frau Bonn aus Hanau, die sich berufen fühlt, die Unterlegenen jetzt mal richtig Mores zu lehren, sich in ihrer Empörung über „unverschämte“ Kritik künftiger Oppositionspolitiker geradezu überschlägt: Die seien „Gift für Deutschland“ – wo doch „CDU/CSU und FDP es mit Sicherheit richtig machen“ werden! (Man beachte die Terminologie! Früher wurden kritische Intellektuelle aus der gleichen Ecke als „Ratten und Schmeißfliegen“ bezeichnet.) Wer sich so äußert, das kann man ihr glauben, weiß, was er (oder sie) von den Regierenden erwartet. – Eine Klientel, um die man diese nicht zu beneiden braucht.
    Hierbei ist Dr. Hauschild (Nr.2) zuzustimmen. Ein Rätsel freilich bleibt ihm, so bekennt er, warum auch Menschen, deren Interessenlage zweifellos nicht der von neoliberalen Ideologen entspricht, sich dennoch in Scharen vor deren Karren spannen lassen oder sich verweigern. Dieses Rätsel zu lösen ist aber Voraussetzung der Neuorientierung einer gedemütigten SPD. Und es ist, so meine ich, durchaus lösbar, freilich nicht, solange man die soziale Frage auf bloß ökonomische bzw. materielle Aspekte reduziert – wohl einer der Hauptfehler Schröderscher Politik.
    Ins Auge zu fassen sind auch die sozialpsychologischen Gründe dieses Wahlausgangs. Die unverblümte Häme, die einer unglücklichen SPD nicht nur von Seiten der Medien, sondern auch ehemaliger Anhänger entgegenschlägt, spricht dabei Bände. Und richtig ist wohl die Ansicht Dr. Hauschilds (Nr 2 und 5), dass dabei der demagogische Begriff der „Leistungsträger“ eine zentrale Rolle spielt. Er erhebt den Mammon zum Maßstab für menschliche Werte, verleiht skrupellosen Finanzjongleuren höhere, quasi religiöse Weihen und entzieht sie ernsthafter Kritik. Und er entwürdigt zugleich in zynischer Weise die aufopferungsvolle Arbeit von Niedriglöhnern, Krankenschwestern, Erzieherinnen usw.
    Die neoliberale Verweigerung eines menschenwürdigen Mindestlohns hat eben nicht nur ökonomische Gründe – Schaffung bzw. Erhaltung einer jederzeit verfügbaren, zu allem bereiten Reservearmee. Sie ist auch psyhologisch-ideologisch motiviert und – in ihrem Sinne – konsequent: Kapitalinteressen erhalten ihre Macht, indem sie Menschen, die ihren Interessen potentiell entgegenstehen, an ihre eigene Ideologie binden, ihr Bewusstsein beherrschen. Das geschieht durch Demütigung, die entmutigt, zu selbstbewusstem Handeln unfähig macht.
    Zeiten der Krise – dazu gibt es traurige historische Beispiele – schaffen ihre eigene Ideologie und regenerieren sich quasi von selbst. Man schart sich um die Siegreichen, als mächtig Wahrgenommenen, fühlt sich zu ihnen gehörig, um wenigstens einen Zipfel ihrer Macht und Ausstrahlung zu erhaschen. Man wirft sich denen an die Brust, welche die Krise zumindest mitverursacht haben, übernimmt deren Ideologie. So glaubt man, nicht nur auf der siegreichen, sondern auch auf der „guten“ Seite zu stehen. Und man hofft auf diese Weise, wenn nicht dem sozialen Abstieg, so zumindest der demütigenden Selbstverachtung zu entkommen. Denn wer in Krisenzeiten keine Machtperspektive anzubieten hat, fällt der Verachtung anheim.
    Die heftige Kritik an „Hartz IV“ ist keineswegs nur ökonomisch begründet. Mit ihr verbinden sich tief gehende, auch irrationale Ängste – die sich umso heftiger manifestieren, als ehemalige SPD-Anhänger sich von der eigenen Partei „verraten“ fühlen, sie für die erlittene Demütigung verantwortlich machen. Dies erklärt auch die maßlosen Reaktionen auf den „Wortbruch“ einer Andrea Ypsilanti, die – durchaus heuchlerische – Empörung über eine Ulla Schmidt – während man unverantwortliche Steuersenkungsversprechen von FDP und Union lächelnd zur Kernntnis nimmt und sich hinter sie schart. Krisenzeiten machen hart und ungerecht: Siegern verzeiht man alles, Verlierern nichts.
    Freilich: Nach oben zu buckeln und nach unten zu treten ist zugleich Merkmal des autoritären Charakters. Eine Perspektive, die gerade deshalb eine mächtige, in sich geeinte Opposition erfordert. – Auch das eine Lehre aus Weimar.
    Dies freilich erfordert schonungslose Anlyse aller Ursachen des Scheiterns, nicht nur der vordergründigen. Der Aufstieg eines schillernden, als „Spaßpolitiker“ angetretenen selbst ernannten Freiheitsdenkmals beruht ja nicht auf der Überzeugungskraft seiner Phrasen. Erst die Schwäche einer SPD verleiht seiner neuen „staatsmännischen“ Pose Faszination, stilisiert ihn zum Hoffnungsträger. Er wird – so ist zu erwarten und auch zu hoffen – erst durch eine starke SPD (und unerfüllbare Erwartungen seiner Klientel) wieder entzaubert werden.
    Es ist wohlfeil, davon zu sprechen, dass verlorenes Vertrauen zurückgewonnen werden muss. Das ist selbstverständlich. Doch dazu bedarf es der Bereitschaft beider Seiten. Einer erneuerten SPD muss auch von denen eine Chance gegeben werden, die sich von ihr abgewandt haben. Zunehmende Ernüchterung über die regierenden Zauberlehrlinge wird dies erleichtern, doch ist das nicht genug. Sie müssen die SPD als Partei wahrnehmen können, die hinter materiellen Aspekten ihre Demütigungen und Ängste erkennt und versteht und diese aufzufangen weiß. Und sie müssen in ihr eine echte Machtperspektive erkennen, die Identifikationsmöglichkeiten bietet und wieder Hoffnung vermitteln kann.
    Werner Engelmann, Luxemburg

  7. „Wieso aber Krankenschwestern… und viele mehr bei dieser Partei in Kreuzchen offenbar bei der CDU gemacht haben, erschließt sich mir nicht.“

    Bei Krankenschwestern ist das ziemlich klar. Haben Sie schonmal mit einem Arzt, einem Pfleger oder einer Krankenschwester gesprochen, die unser Gesundheitsministerium nicht verfluchen?? Eben jenes wird seit elf Jahren von rot und grün geleitet.

    Und mal ganz generell: schickt man die Roten in die Wüste wird der Sand knapp. Sicher sehr polemisch, aber viele Menschen sehen das so. Umverteilen kann man nur das, was überhaupt erstmal reinkommt.

    Und die (wegen abartiger Besteuerung: 60 % Steuerquote) enormen Kosten für Energie und Benzin tut dem „kleinen Mann“ nunmal richtig weh: Bei jedem ungläubigem Blick auf die 1,3X euro, sowie jeden Monat die Nebenkosten. Nicht jeder kann es sich leisten grün zu wählen, diese Ansicht verbreitet sich auch immer weiter.

    Ferner ärgern sich nicht bloß Millionäre über zu hohe Lohnabgaben. Der Staat langt bereits bei kleinen und mitlleren Gehältern ordentlich zu. Wer 1800 brutto verdient, der gehört für mich keinesfalls zu den Großverdienern, kriegt jedoch 30% abgezogen. Das kann so nicht funktionieren.

  8. Ich möchte nur zu #7 von buba etwas hinterlassen.

    Nicht jeder kann es sich leisten grün zu wählen, diese Ansicht verbreitet sich auch immer weiter.

    Entweder man gönnt sich diesen Luxus, oder auch nicht. Wenn ich den Blick nicht nur auf mich richte, bleibt sicherlich „grün“ als letzte Wahl.

    Anders gerechnet, nach ihrem Wertebild: Weder SPD, noch FDP, noch CDU, noch die Grünen haben dem kleinen Mann die Hose gelassen – sinngemäß. Und „Die Linke“ muß es erst beweisen. Ginge besser, wenn die Ostzuschüsse wegfielen. Mit reichlich Kleingeld (subventionen) in der Kippe, kann ich viel rufen und Luftschlösser bauen.

    Ich als kleines Nichts mit weniger als Sand in den schuhen gönne mir „Grün“ zu wählen – der Umwelt, der Bildung, den Migranten, den Nachkommen zuliebe. 😉

  9. (Ver(schlimm)besserung) Soll heißen: Wenn ich den Blick nur auf mich richte, bleibt sicherlich “grün” als letzte Wahl. (sorry)

  10. @ Max Wedell
    Die Würde des Menschen ist unantastbar. schreibt das GG vor. Dass sich Menschen bei der Arge bis aufs Hemd ausziehen müssen, um Stütze zu erhalten, steht diesem Artikel diametral gegenüber. Die sog. Besserverdienenden interessiert nur das, was sie im Portmonaie haben, deshalb wählen die nicht die ?PD sondern die ?DP, weil sie Furcht haben, dass es ihnen demnächst genauso ergehen wird, wie den HIV-Geld-Beziehern.

  11. De Wahl ist gelaufen. Für mich kam das Ergebnis nicht überraschend. Es ist genau das eingetreten, was es bereits unter Helmut Kohl schon gab.
    Ich Frage mich nur, warum sich die Union so freut. Die FDP ist nur so stark, weil die Wähler mit der Arbeit der großen Koalition – auch mit der Arbeit der Union – nicht einverstanden waren. Kan man sich deshalb freueb? Ich bin gespannt, wie sich diese Koalition und ihre Politik auswirkt.
    Das die SPD so schlecht abgeschnitten hat, wundert mich nicht. Seit Hartz IV – hier hat die SPD ihren sozialen Grundsätzen deutlich verlassen – geht es bergab. Das ist für die SPD gu so. Jetzt wird die SPD gezwungen darüber nach zu denken, was sie falsch gemacht hat.
    Was mich aber stört: Es wird nur über Personen diskutiert. Es liegt nicht an den Personen. Personenwechsel ändert doch keine Politik – vor allem, wenn jetzt die an die „Macht“ kommen (Frau Nahles), die ja die Politik bisher mitbestimmt haben, die der SPD das schlechte Wahlergebis einbrachte. Die SPD braucht ein Politikwechsel. Sie muss wieder ihr soziales im Mittelpunkt rücken, Bis sie das Ziel wieder erreicht hat, wird es dauern.

  12. Matschie mit der CDU!

    4 Tage nach der Bundestagswahl, bekommen wir es erneut bestätigt, Die SPD Thüringen fördert mit Ihrer Entscheidung die künftigen sozialen „Grausamkeiten“ der Westerwelle/Merkel Gruppe (im Bundesrat). Dieser Mann gehört zu dem Personal, von dem sich die SPD befreien muss, bevor man als kleiner Arbeitnehmer überhaupt anfängt wieder darüber nachzudenken evtl. irgendwann (als lästiges Stimmvieh) alle 4 Jahre sein Kreuzchen bei der SPD zu machen.

  13. Christoph Matschie hat heute in Thüringen den Grundstein für eine Rot-Grüne Regierung im Jahr 2014 gelegt. Mit dem ersten Brechen eines Wahlversprechens nach der historischen Niederlage seiner Bundespartei hat er dafür gesorgt, dass seine Partei von der Linken gejagt wird. 2014 wird die SPD in der Opposition sein.

  14. Demokratie ist das Unmögliche – so und so – zu wagen, bzw. umzusetzen.

    Der Blick auf den Bundesrat sollte der letzte Blick sein, wenn denn überhaupt.

    Die SPD soll erstmal den Kesselflickerschaden der letzen Stunden/Tage aufräumen, dann mal ganz nüchtern analysieren und dann die Konsequenzen ziehen. Da müssen sie 10 Jahre und mehr zurückschauen, dies will bewältigt werden. Es bringt doch nix, wenn sie jetzt da rumhüpfen wie die Jojos.

  15. Wenn ich da noch hinterherschieben darf…

    Die SPD hat keine Persönlichkeit mehr. Da ist nix. Was vielleicht werden könnte, haben’s nach hinten in den Müll geschoben und ein Matthias Platzeck gibt es nicht noch einmal. Der Mann kann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, aber so einer, der könnte die SPD wieder nach vorne bringen.

    Was da nun im Gespräch ist…
    Nahles ist eine Schlange, der würde ich nicht einmal den Rücken zudrehen und Gabriel, mit dem kann man bestimmt nett ein Bierchen trinken, aber das war es auch schon.

    Die SPD hat versäumt den Nachwuchs zu positionieren. Gabriel ist 50 Jahre als, man spricht von Verjüngung, da kann ich auch den Finger heben, da wäre aber mehr los im Stall namens SPD. Wie? Wo? Revolution? ^^

  16. Müntefering twittert, wie die FR auch, in der Weltgeschichte herum, DE-Welt mit samter SPD staunt mit offenem Mund (sehr höflich ausgedrückt) … tja, und dann kommt nix.

    Heute stand in der FR, daß die Jusos Ypsilanti ins Spiel bringen. Recht haben’s. Ypsilanti hat mit den ihren SPD-Konzepte ausgearbeitet, da ist die Bundes-SPD noch weit entfernt davon, noch am studieren des Textes. Die Frau hat einen Fehler gemacht, jede Menge Blut deswegen gelassen, aber so jemanden schiebt man nicht einfach weg. Die Frau hat ein gewaltiges Potential und solche Leute wachsen nicht auf Bäume. Ihr Nachfolger muß ich immer über Google suchen. Der muß erst einmal wachsen. Da ist nix, kein Getöse, keine oppositionelle Jagd auf Roland Koch, nix. In der FR stand, Roland Koch ins Verteidigungsministerium (oder anderswo hin), hat es Hessen dann einfacher, weil wegwählen geht nicht. Sowas gibt zu denken. Da sollte die SPD mal drüber nachdenken. Nicht hei-tei-tei in allen Lebenslagen (Überschrift der FR entnommen, ganz großes Zeitungskino), SPD-Eiche aufstellen und druff. Ganz knallhart sich positionieren. Und das durchziehen.

    Na gut, sind nur so ein paar Gedanken – schuld ist die FR. Die machen immer so nachdenkliche Texte. Und nein, mein Kopf kriegen’s net in facebook 😉 */me schwört*

    Bin Grenzgänger, dies gerne und bleibe es auch. 🙂 (mit der FR)

    PS: Tschuldige Herr Bronski… naja… */me sich schleicht wegen vielen postings*

  17. Die Frau Ypsilanti in Berlin hätte was Das Program das sie für Hessen erarbeitet hat, ist den Schweiß der Edlen wert. Es könnte ja sein das sie aus dem Fehler bei der Umsetzung gelernt hat.

  18. Konrad Adenauer (CDU/Bundeskanzler von 1949 -1963) hat mal gesagt: „Was interessiert mich mein Geschwätz von Gestern.“

    Den tragen’s heute auf’m Schild spazieren und diesen Spruch tragens alle mit herum, einzelne knüpft man deswegen auf.

  19. Und Lafontaine hat Fahnenflucht begannen, wochenlang verschollen, ist nun der Heilsbringer. Den wollte ich nicht mal abgemalt haben!

  20. Die SPD kann mehr

    Nun ist es amtlich: die SPD steht da, wo die öffentliche wie veröffentlichte Meinung sie schon immer sahen, am Abgrund. Verheerend dabei ist, dass die Fallhöhe immer niedriger wird. Es ist nur noch ein kleiner Hüpfer bis zum kompletten Absturz, der Gipfel nicht mal mehr in Sichtweite. Was tun? Weitermachen wie bisher? Weiter abseilen und am Ende das Erreichen der 5%-Hürde noch als Sieg verkaufen? Oder aber alten Ballast fortwerfen, neue Kräfte sammeln und den Kompass neu ausrichten, um den Gipfel zumindest wieder in den Blick zu bekommen?
    Die Führung der Partei scheint sich für die erste Option zu entscheiden: Frank-Walter Steinmeier soll die SPD-Fraktion führen und gegen Schwarz-Gelb opponieren. Derselbe Steinmeier, der maßgeblich an der Schröderschen Agenda-Politik mitgewirkt hat, die zum Exodus vieler Partei-Mitglieder und Stammwähler geführt hat. Derselbe Steinmeier, der die vergangenen Jahre nicht gegen Merkel, sondern Seite an Seite gemeinsam mit der Kanzlerin Politik gemacht hat. Derselbe Steinmeier, der selbst im direkten Aufeinandertreffen beim Fernseh-Duell eher als softer Staatsmann denn als scharfkantiger Parteipolitiker auftrat. Derselbe Steinmeier, der als Spitzenkandidat, der er ja nun einmal war, das schlechteste Ergebnis zu verantworten hat, das je eine SPD erreichte. Derselbe Steinmeier, der -und das ist wohl das Dramatischste- nicht einmal in der Lage war, die eigene Anhängerschaft zu mobilisieren – ihm ist es nicht gelungen, zwei Millionen (!) potentielle SPD-Wähler zur Wahlurne zu bewegen, damit diese an der richtigen Stelle das Kreuzchen machen.
    Dieser Steinmeier soll’s also richten? – Hat die Partei denn gar nichts begriffen? Sie sollte sich endlich eingestehen, dass mit einem wie auch immer gearteten „Weiter so“ –personell wie inhaltlich – auf absehbare Zeit jedes Ansinnen auf eine Regierungsbeteiligung von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Allein auf mangelnde Alternativen zu verweisen ist zu billig. Es werden sich doch noch kluge Köpfe auch in dieser so arg gebeutelten Partei finden, die willens und in der Lage sind, Führung und Verantwortung zu übernehmen, um der SPD wieder ein klares und vor allem glaubwürdiges Profil zu verpassen. Alles andere wäre dann wirklich eine Bankrotterklärung, der Hüpfer ins Nichts wäre vollzogen. Es gibt Zeiten, da sollte man durchhalten (das hat Steinmeier im Wahlkampf vorbildlich getan) und es gibt Zeiten, da sollte man auswechseln und einen radikalen Neuanfang wagen. Jetzt ist Zeit für Letzteres. Die SPD kann mehr, ganz sicher …

  21. Die heutige Wetterlage bzw. der Wetterbericht (Thema des Tages) hat alles sehr anschaulich umschrieben. Geschichten am Rande eines Dauertiefs. Und dann gab es am Ende den nachdenklichen Satz, daß ja morgen „Tag der deutschen Einheit“ ist… Schnell den Schoppen runtergeschlürft und einkaufen gegangen. Manchmal sorgt die FR dafür, daß so ein Tag nicht vollends aus dem Ruder läuft.

  22. Vielleicht liegt das Dilemma der SPD ganz woanders. Nebenbei, ich bin seit über vierzig Jahren Mitglied dieser Partei und habe ihr als Funktionär und Mandatsträger gerne gedient, wenn ich mir als Selbständiger auch nur aussichtslose Kandidaturen leisten konnte.
    Sozialdemokratische Politik ist per se nicht Schmiergeld kompatibel. Kein Mensch zahlt etwas für Arbeitsmarktpolitik, gerechte Steuern und eine ordentliche Bildungspolitik. Es gibt dafür auch keine Medienunterstützung, dafür muß man selber laufen und reden. Für das Gegenteil finden sich jede Menge Finanziers, die mit Beraterverträgen, Aufsichtsratsitzen und ähnlichem winken. Wenn ich mich richtig erinnere, waren es die Gesetze Lafontaines, die als letzte sozialdemokratischer Art auf den Arbeitsmarkt wirkten und wesentlich zum zweiten Wahlsieg Schröders beitrugen, obwohl Lafontaine da schon lange aus dem Amt gemobbt war.
    Seither hat sich die sozialdemokratische Führung für Aufsichtsratsitze, Beraterverträge etc. entschieden.
    Das heißt gegen den Kern ihrer Wähler,Mitglieder, Multiplikatoren und Funktionäre, die klar sehen, daß die vielberufenen Steuererleichterungen viele betreffen mögen, aber bestimmt keinen, der hierzulande in Lohn und Brot steht und ganz bestimmt die wenigsten, die sich etwas davon erhoffen.
    Aber diesen Wählern ist durchaus klar, daß etwas zusammenkommt, wenn man den Rentner die Rente mit Hilfe des Krankenkassenbeitrages um zehn Prozent kürzt und daß das nichteinmal jemand merkt, außer den Rentnern, die sich nicht rühren können. Denn die SPD, die der Adressat ihrer Beschwerde wäre, ist leider keine sozialdemokratische Partei mehr.
    Ich habe selbst in den vergangenen Wahlen nicht mehr SPD gewählt. Es gibt eine sozialdemokratische Partei.
    Umgekehrt habe ich meine Mitgliedschaft nicht aufgegeben, ich halte ein Wiederauferstehen der SPD noch für möglich und ich halte es immer für wünschenswert, weil ich Sozialdemokrat bin und dieses Land die Sozialdemokratie braucht.

    Mit freundlichen Grüßen

    Ernst Meist

  23. …ein schönes Schlusswort zum Thema.

    Ich schließe mich an, in der Hoffnung, dass das mit der Auferstehung einst klappen möge.

    (Thüringen lässt aber zur Zeit noch wenig hoffen…)

  24. Ängste der SPD vor einer Zusammenarbeit mit den Linken in Landesregierungen verhalfen stets der CDU zum Machterhalt in Bundesländern und so zum Machtverlust der SPD, trotz linker Mehrheiten. Die Furcht der SPD, durch die Linke vereinnahmt zu werden, zweifellos ein Zeichen fehlenden Selbstbewusstseins, sorgt nun auch in Thüringen für eine CDU-geführte Landesregierung.

    Schon in Hessen wie auch in Hamburg gab es bei den Landtagswahlen 2008 eine linke Mehrheit, mit dem Erfolg, dass in beiden Fällen die CDU das Sagen hat. In beiden Fällen war der Grund für das Desaster die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Linken. Die meist nicht weiter belegte Begründung dieser Ablehnung waren oft Verweise auf die noch nicht aufgearbeitete SED-Vergangenheit der Linken, auf ihre europafeindliche Haltung oder persönliche Animositäten. Da die Berührungsängste zu den Linken zunehmend wichtige politische Entscheidungen beeinflussen, sollte man sie eingehender untersuchen.

    Jürgen Walter, einer der vier SPD-Abweichler in Hessen, die die Wahl Ypsilantis zur Ministerpräsidentin verhinderten und uns so eine schwarz-gelbe Regierung bescherten, forderte von der Linken eine „Aufarbeitung der SED-Vergangenheit“ und ein „Bekenntnis zum Grundgesetz und Rechtsstaatlichkeit“. Wie überflüssig diese Forderung war, hätte er schon dem Parteiprogramm der PDS von 2003 entnehmen können. Dort findet man unter dem Titel „Selbstveränderung der PDS“ hierzu folgenden Text:

    „Die SED war als herrschende Partei aufgrund der konkreten historischen Bedingungen von Anfang an auf das in der Sowjetunion entstandene Sozialismusmodell und auf Linientreue zur Politik der Sowjetunion fixiert. Sie war weder fähig noch bereit, Sozialismus mit Demokratie und Freiheit zu verknüpfen. Ihren Weg kennzeichneten daher auch schmerzliche Fehler, zivilisatorische Versäumnisse und Verbrechen. Es bleibt für uns eine bittere Erkenntnis, dass nicht wenige Mitglieder der SED Strukturen der Unterdrückung mitgetragen und Verfolgung Andersdenkender zugelassen oder sogar unterstützt haben. Dafür sehen wir uns mit anderen in einer moralischen Verantwortung. Es ist deshalb auch unsere selbstverständliche Pflicht, die im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verbürgten Grundrechte zu verteidigen. Es gibt keinen noch so ehrenwerten Zweck, der die Verletzung grundlegender Menschenrechte und universeller demokratischer Grundsätze rechtfertigen könnte.“
    Der Verdacht liegt nahe, dass sich kaum jemand in der SPD die Mühe machte, Parteiprogramme der PDS oder Wahlprogramme der Linken zu lesen. Das aber wäre Voraussetzung für eine sachliche Auseinadersetzung.

    Nun zur Europafeindlichkeit der Linken: In dem Europawahlprogramm der PDS von 1999 steht: „Die PDS ist eine europäische sozialistische Partei. Sie sagt Ja zur europäischen Integration. Sie tritt für ein friedliches, sozial gerechtes, demokratisches und umweltbewahrendes Europa ein.“ Wogegen sie sich wenden, sind vor allem die Verpflichtung der Mitgliedsländer zur Auf- und Nachrüstung und die Betonung neoliberaler Prinzipien. Die Entmilitarisierung der Außenpolitik ist ein wesentliches Anliegen der Linken.

    Weiter sollten, wie ich finde, persönliche Animositäten nicht politische Entscheidungen beeinflussen.

    Bei so vielen lesenswerten Analysen des Wahldebakels der SPD, von Therapievorschlägen für die SPD und der Kritik an dem geplanten, mir völlig unverständlichen, Machterhalt für Frank-Walter Steinmeier sollten wir Bronski bitten, der SPD eine Auswahl der Beiträge von http://www.frblog.de/bundestag zukommen zu lassen, um so das beginnende Umdenken in der Partei zu unterstützen, – denn ich halte, wie Ernst Meisl (12) sagt, „ein Wiederauferstehen der SPD noch für möglich und wünschenswert“.
    Herzliche Grüße! Kurt Kress

  25. Naja Herr Kress, damit wäre die SPD aber hoffnunslos überfordert.

    Nur das Blogwerk aus Sachsenhausen nehmen, Hebels Schreibstube, wenn er zum Mittagstisch einlädt und Bronskis Beatlub. Wie alt bin ich jetzt… */me rechnet* … das erlebe ich nicht mehr.

    Die Linke ist eine demokratische Partei, entweder man babbelt mit ihr, oddr man ist undemokratisch. Und die SPD ist hochgradig undemokratisch. Jede andere Firma wäre nicht mehr im Handelsregister eingetragen, mit diesem Handelsgebaren. Je oller desto doller… Das kommt davon, wenn man kein update oder upgrade macht. Das ist wie mit denen, die mit den alten Satzgebilden von Tür zu Tür hausieren gehen. Das hat wer was 1749 gesagt, gilt natürlich auch für 2009. Jener konnte noch am Bach sitzen philosophieren…

    Des ist alles traurig da draußen, am besten ist, mer guckt gar net hin.

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