Wir brauchen ein Europa der Europäer, nicht der Zocker und Konzerne

Die Briten haben mit 51,9 zu 48,1 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen entschieden, dass sie die Europäische Union verlassen wollen.

Der Versuch einer Verarbeitung dieses historischen Ereignisses in drei Etappen.

Gestern: Der Schock

Was für ein Schlag ins Kontor! Wie entsetzlich dumm! Die Briten kappen die Leinen zum Kontinent, weil sie ihre Souveränität zurück wollen — oder das, was sie dafür halten. „Wir wollen die Kontrolle zurück“, hieß es immer und immer wieder, und als das Ergebnis verkündet wurde, gab es tatsächlich Leute, die „Freedom!“ brüllten. Sie werden sich ganz schön umschauen, die Briten. Denn dadurch, dass man Nein zur Globalisierung sagt, verschwindet die Globalisierung natürlich nicht. Chancen, die Globalisierung mitzugestalten, hatten die Briten jedoch nur in der EU. Selbst wenn das kommende zweite Unabhängigkeitsreferendum der Schotten erneut für einen Verbleib im Vereinigten Königreich ausfällt, ist Großbritannien mit seinen knapp 65 Millionen Einwohnern alles andere als ein global player.

Brexit-GrafikWie traurig gerade für die jungen Leute, die zu drei Vierteln für den Verbleib in der EU gestimmt hatten! Die Alten haben ihnen die Zukunft genommen. Das Referendum weist auf eine tiefe Spaltung des Königreichs hin: Alt gegen Jung, Land gegen Stadt, Unterschicht gegen Elite. Es ist eine Art Klassenkampf zwischen Abgehängten und Mitgenommenen. Die populistischen Brexiteers um den UKIP-Chef Nigel Farage und den Ex-Bürgermeister Londons, Boris Johnson, haben virtuos auf der Klaviatur der Ängste gespielt – und scheuten dabei die Lüge nicht: 350 Millionen Pfund, behaupteten sie, überweise das Königreich Woche für Woche nach Brüssel. Dieses Geld werde man nach dem Brexit sofort ins kaputtgesparte Gesundheitswesen Großbritanniens stecken. 350 Millionen — das würde stimmen, wenn es den Briten-Rabatt nicht gäbe, den einst Margret Thatcher heraushandelte. Doch so sind es „nur“ 250 Millionen. Davon fließen rund 140 Millionen aus den verschiedenen EU-Töpfen ins Königreich zurück. Die Nettozahlung der Briten beläuft sich also auf rund 110 Millionen Pfund (im Jahr 2014 knapp fünf Milliarden Euro, Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung). Deutschland zahlt netto dreimal mehr. Das ist kein Geheimnis; die britische Presse berichtete darüber (stellvertretend dafür ein Bericht von Spiegel Online). Doch die „Brexiteers“, die Befürworter des Austritts, hatten es zu diesem Zeitpunkt bereits geschafft, die 350 Millionen in die Köpfe zu implantieren. Und die Sache mit dem Gesundheitssystem wird das bleiben, was sie von Anfang an war: Wahlbetrug.

Das gespaltene Königreich.
Grafik: dpa/BBC

Die Briten sind betrogen worden — von den EU-Skeptikern, aber auch von ihrem Premierminister David Cameron von den Tories (seine sieben schweren Fehler –> HIER.) Er wollte sich mit diesem Referendum profilieren, doch es fiel ihm auf die Füße. Niemand hat ihm abgenommen, dass er plötzlich zum glühenden EU-Verfechter geworden sein soll, nachdem er zuvor jahrelang die EU für so gut wie alles verantwortlich gemacht hatte, was im Königreich schieflief — eine Sitte, die auch in anderen Ländern existiert und die mitverantwortlich ist für das schlechte Image der EU. Zugleich haben die Briten sich selbst betrogen und sind mehrheitlich den Populisten hinterhergelaufen, ohne deren Behauptungen kritisch zu überprüfen. Das ist das Wesen des Populismus: Er bestätigt den Menschen, was sie ohnehin schon zu wissen glauben, und nimmt sie so für sich ein. Doch eine Entscheidung wie die über den Brexit darf nicht aus dem Bauch getroffen werden. Das Konzept des mündigen Bürgers setzt Informiertheit voraus. Wer sich vor einer solchen Entscheidung nicht umfassend informiert, tritt die Demokratie mit Füßen. Jeder, der jemals Vorbehalte gegen direkte Demokratie hatte, kann das Brexit-Referendum als Paradebeispiel ihres Scheiterns verstehen. Der Brexit nutzt niemandem, schadet allen, und selbst für jene, denen er vorübergehend patriotische Genugtuung verschafft, wird er ein böses Erwachen bringen. Auch wird er die Einwanderer nicht abhalten. Aber da müssen wir nun durch, alle miteinander in Europa. Das ist Demokratie.

Wie weitsichtig waren doch die Eltern des deutschen Grundgesetzes, dass sie keine Plebiszite vorgesehen haben!

Heute: Die Nerven!

Brexit CameronDas Referendum ist zwar nicht bindend, aber die Politik kann es natürlich nicht ignorieren. Premierminister David Cameron zog bereits die Konsequenzen und kündigte seinen Rücktritt für Oktober an. Erst dann soll auch erst der Paragraph 50 der Lissaboner Verträge aktiviert werden, der den Brexit einleitet. Doch so lange darf Europa nicht warten.

David Cameron mit langem Gesicht
vor Downing Street No. 10,
wo er
seinen Rücktritt erklärt.
Bild: dpa

Die Briten wollen raus? Dann sollen sie gehen dürfen. Für die 27 verbleibenden EU-Staaten liegt darin vielleicht sogar eine Chance. Der Brexit wird allen Skeptikern vorführen, welche Vorteile sie durch die EU haben — die Vorteile nämlich, die den Briten nun abhanden kommen werden, weil sie sie nicht mehr wollen. Oder wollen sie sie doch? Das Vereinigte Königreich ist ziemlich verkatert erwacht und reibt sich noch die Augen. Es gibt Stimmen von Brexiteers, die nun sagen: Das haben wir nicht gewollt. Eine Online-Petition, die ein zweites Referendum fordert, hat inzwischen mehr als drei Millionen UnterstützerInnen. Ein Labour-Abgeordneter will den EU-Austritt über eine Abstimmung im Unterhaus stoppen. Es gibt sogar den — absurden — Versuch, die Hauptstadt London, die gegen den Brexit gestimmt hatte, für unabhängig erklären zu wollen, damit sie in der EU bleiben kann. Vielleicht bleibt Großbritannien ja doch?

Draußen ist draußen, heißt es derweil in Brüssel, und EU-Kommissionspräsident Juncker fordert den „Scheidungsbrief“, und zwar am besten sofort. Parlamentspräsident Martin Schulz will den Briten Zeit bis Dienstag lassen, und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich zwar nicht „verkämpfen“, wie sie das nannte, aber ebenfalls nicht ewig warten. Welchen nachvollziehbaren Grund sollten die Briten haben, den Paragraphen 50 nicht sofort zu ziehen? Wollen sie weiterhin Woche für Woche 350 Millionen Euro nach Brüssel überweisen? Oder haben die Brexiteers etwa selbst nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass dieses Referendum erfolgreich sein könnte? Haben sie keine Pläne für diesen Fall in der Schublade? Dass sie kurzsichtig und verantwortungslos agieren, wissen wir ja schon, aber solche Planlosigkeit käme einem Blindflug gleich. Trotzdem ist Boris Johnson, der prominenteste Brexiteer, „the day after“ erstmal zum Krickett gegangen, statt Auskunft zu geben, wie es nun weitergeht.

Gestern war ich geschockt, heute genervt. Wieder scheinen die Briten mit der EU zu spielen. Über Jahre hinweg habe ich hier im FR-Blog den Standpunkt vertreten, dass die EU ohne die Briten besser dran wäre. Ich habe weiterhin den Verdacht, dass Großbritannien das U-Boot der USA in der EU ist und Versuche behindert oder sogar sabotiert hat, in der EU endlich zu einer gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik zu kommen, die diesen Namen tatsächlich verdient. An all dies erinnere ich mich natürlich. Wenn ich mir vor diesem Hintergrund das Referendum ansehe, kommt mir die Galle hoch. Wo hätte diese Europäische Union heute sein, wie weit hätte sie sich längst weiterentwickelt haben können, wenn die Briten sich nicht immer und immer wieder als Bremser betätigt hätten? Und ausgerechnet diese Briten werfen dem Kontinent, auf dessen Entwicklung sie derart schlechten Einfluss hatten — mission accomplished –, nun die Brocken vor die Füße!

Heute erntet man von EU-Kritikern kaum mehr als ein Gähnen, wenn man die beispiellose historische Leistung der EU und ihrer Vorgänger-Organisationen hervorhebt — lange Jahrzehnte des Friedens, der Freiheit, der keineswegs nur wirtschaftlichen Entfaltung. Das alles wird als selbstverständlich betrachtet, weil die meisten von uns den Krieg nicht mehr aus persönlicher Anschauung kennen. Aber es ist nicht selbstverständlich. Trotzdem wurde die „europäische Idee“ an einem bestimmten Punkt der europäischen Entwicklung immer nebulöser, da ihr (unter anderem dank der Briten) die Vertiefung versagt wurde. Stattdessen folgte die Verbreiterung — sprich: mehrere Erweiterungsrunden vor allem nach Osten — und damit zwangsläufig die Verflachung. Und nun, fürchte ich, ist die EU über den Punkt hinaus, an dem noch eine Vertiefung möglich ist, denn der europäischen Idee ist der Zauber abhanden gekommen.

Brexit JohnsonHeute wird die Europäische Union vielfach nicht mehr als Errungenschaft, sondern als Problem begriffen. Selbst ihre größte Leistung, der grenzenlose Schengen-Raum, wurde im Moment der Krise, als Massen von Flüchtlingen ins europäische Zentrum drängten, als fehlerhaft verstanden. Damals wurde nach Grenzkontrollen gerufen, als ob diese ein echtes Mittel gegen die Flüchtlinge gewesen wären. Doch selbst die Schließung der Balkan-Route, eine wahrhaft drakonische Maßnahme, hat das Problem nicht gelöst, sondern nur verlagert.

Wird Boris Johnson der nächste
Premierminister Großbritanniens?
Bild: dpa

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung zeigte sich mal wieder, wie die Krise Europas tatsächlich gestrickt ist: Vielstimmigkeit plus nationale Egoismen plus null Solidarität bei einem Teil der Protagonisten plus kopflos bzw. widersprüchlich auftretende EU-Institutionen: Während Kommissionspräsident Juncker eine gesamteuropäische Handhabung des Flüchtlingsproblems anmahnte, sprang Ratspräsident Donald Tusk der polnischen Regierung bei, die auf strikter Abschottung bestand.

Es ist eine rückwärts gewandte Entscheidung, die das Königreich sich geleistet hat, eine Entscheidung, mit der es sich jeglicher Einflussnahme auf Europa entblößt, obwohl es weiterhin von diesem Europa abhängig sein wird. Dennoch besteht die Gefahr, dass dieser neurotische Spektizismus, der nicht gestalterisch ist, auch in anderen Ländern weiter um sich greift. In Dänemark, den Niederlanden und leider auch in Frankreich gibt es starke rechtspopulistische, rückwärts gewandte Bewegungen, die auf die nationale Karte setzen und sich durch das Brexit-Referendum bestärkt fühlen. Ebenso in Deutschland in Gestalt der AfD. Einige Protagonisten dieser — inhomogenen — Bewegung treten jetzt masssiver auf, fordern Referenden und rufen wie die Brexit-Verfechter: Wir wollen die Kontrolle zurück! Der nationale Alleingang als Antwort auf Globalisierung und erdumspannende Waren- und Kapitalströme — die Verführer erzählen den Menschen Märchen. Und weiterhin fallen viele schlichte Gemüter darauf herein.

Morgen: Die Aussichten

Es ist leider nicht nur Geschichtsvergessenheit und Verführbarkeit, was die britischen Wählerinnen und Wähler dazu gebracht hat, für den Brexit zu stimmen. Europa steckt in der Krise, und diese Krise ist vielschichtig und alles andere als neu. Dieses Europa hat sich den Ruf eingehandelt, ein Europa zu sein, in dem Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden. Wichtige Handelsabkommen, die alle Menschen in der EU angehen, werden geheim verhandelt. Lobbyisten nehmen intransparent Einfluss auf Gesetzgebungsverfahren. Dieses Europa kümmert sich ums Kleinklein, sobald Wirtschaftsinteressen berührt sind, so z.B. bei den legendären Gurken- und Bananengeschichten, aber dass Jugendliche in ganz Südeuropa, von Portugal bis Griechenland, bei einer Jugendarbeitslosigkeit von teils mehr als 50 Prozent Gefahr laufen, zur verlorenen Generation zu werden, kümmert in Brüssel anscheinend niemanden. Soziale Standards? Was ist das? Ein Staat wie Griechenland wird zugrunde „gespart“, damit das Land seine Auflagen erfüllt, so dass neue Kredittranchen bewilligt werden, um den exorbitanten Schuldendienst leisten zu können. Zukunftsperspektiven? Interessieren Brüssel offenbar nicht.

Europa hat für viele zurzeit ein hässliches, ein kaltes, abweisendes Gesicht, und daran trägt die deutsche Politik eine Mitschuld. Es war schon ein wenig skurril, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Sachen Flüchtlinge die Solidarität der europäischen Partner einforderte, während sie selbst in der Eurokrise vor allem Solidarität mit den Banken gezeigt hat. Die griechischen Rentner jedenfalls scheinen ihr bis heute piepegal zu sein. An Merkels Seite steht, für alle Europäer klar erkennbar, Supersparer Wolfgang Schäuble. Die beiden sind die Haupt-Protagonisten der Austeritätspolitik, die Europa aufgezwungen wurde.

Brexit Union JackUnterm Strich steht die Erkenntnis: Die Zeche zahlen die kleinen Leute. Um diese kleinen Leute müsste Europa sich endlich kümmern, um zu zeigen, dass ihm nicht nur die Belange von Konzernen und Lobbys wichtig sind, sondern auch das konkrete menschliche Schicksal. Doch dieses soziale Engagement ist einem Europa, das gegen alle Erkenntnisse auf die Wirkungsmacht der Märkte vertraut, bisher schuldig geblieben.

Gehört der Union Jack bald der Vergangenheit an?
Schottland will vielleicht seine Unabhängigkeit.
Foto: dpa

Doch vielleicht kratzen all diese Gedanken nur an der Oberfläche dessen, was die europäische Krise tatsächlich im Inneren ausmacht. Die Kritik an Brüssel, das über der Lebenswirklichkeit der Menschen schwebe, ist ja schon älter, sie kam nicht erst in diesem Jahrtausend auf. Wie heißt es so schön: Der Fisch stinkt immer vom Kopf. Im Fall der EU ist dies ein Januskopf. Auf der einen Seite zeigt dieser Janus das Gesicht des jovialen, sympathischen, väterlichen Typs Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission. Auf der anderen Seite zeigt er das Gesicht des kungelnden, Steuergeschenke machenden, auf Luxemburgs Vorteile achtenden Typs Jean-Claude Juncker, ehemaliger Ministerpräsident Luxemburgs. Wie soll ein Politiker, der als Freund der Konzerne gelten muss, von den europäischen Bürgerinnen und Bürger als Verbündeter begriffen werden? Und das ist es doch, was Regierung sein soll, wenn man die EU-Kommission denn als eine Art Regierung begreifen will: ein Verbündeter, der gute Kompromisse zustandebringt? Zuerst müsste es gelingen, die Interessen der Wirtschaft und die der Menschen so auszutarieren, das etwas entsteht wie das, was es in der alten Bundesrepublik einmal gegeben hat: soziale Marktwirtschaft.

Ende der Deregulierungen, Schließung aller Steuerschlupflöcher für Konzerne, angemessene Besteuerung ihrer Gewinne, angemessene Besteuerung großer Vermögen, Einführung einer Finanztransaktionssteuer – es gäbe viele Möglichkeiten, wie diese EU ein Profil gewinnen könnte, das die kleinen Leute — und das sind eben nicht nur die Wählerinnen und Wähler, sondern auch die Europäer — auf ihre Seite zieht. Dazu müssten auch Maßnahmen gehören, die jedem Menschen in der EU ein menschenwürdiges Leben und Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen. Die EU müsste zu einer Organisation zu werden versuchen, die Globalisierung gestaltet, statt auf Globalisierung nur im Sinne der Konzerne zu reagieren. Die wirtschaftliche Macht dazu hätte sie, auch ohne das Vereinigte Königreich. Würde es gelingen, eine soziale Agenda durchzusetzen, welche die Würde des Menschen nicht nur behauptet, könnte der europäische Geist wieder erstehen. Dann wäre der Brexit Großbritanniens nicht das, als was er jetzt dasteht:

Leider völlig sinnlos.

Lesermeinungen

Konrad Mohrmann aus Frankfurt:

„17 Millionen der Einwohner von Greater Britain (32,1 Prozent), das ist die Mehrheit der Wähler, wollen aus der EU austreten, dabei ist zu bedenken, dass diese Abstimmung sich auch gegen das Establishment, die Regierung den Politikern und gegen die Globalisierung gewendet hat. Typischerweise waren die Globalisierungsfreunde, die Befürworter von TTIP und Ceta, die Londener City mit 80 Prozent dafür. Aber der Rest der Einwohner war gegen die EU, gegen die Politiker und gegen die Globalisierung. Ähnlich würde ein Ergebnis eines Referendum hier sein, die City in Frankfurt dafür, die Bevölkerung wäre überwiegend dagegen. Was lernen unsere Politiker daraus?
Getäuscht haben sich, wie immer, die Umfragen und die Einschätzungen der Politiker, da zeigt sich doch, das die Eliten (Schäuble, Merkel, Gabriel) das Problem sind und nicht die Bevölkerung.
Was wird nun aus Griechenland?“

Michael Maresch aus München:

„Der 23. Juni 2016, ein schlechter Tag für dieses Europa, aber ein sehr guter Tag für die Bürger in Europa. Die klammheimliche, schrittchenweise Entfernung der demokratischen Bürgerrechte, die Reduzierung der Bürger auf Stimm- und Zahlvieh zur Sanierung der Zockerbanken, hat ein Ende. Die Bürger holen sich ihr Europa zurück. Und niemand soll sagen, Berlin wäre daran nicht mitschuldig. Der Motor des Brexit war die Angst vor alternativlosen, unabsehbaren Zahlungen in ein Euroloch und die Angst vor Überfremdung. Die Angst also vor dem Europa der Angela Merkel.
Aus dem Brexit, das ist absehbar, wird ein EUxit: Auch andere Völker, haben das Recht auf Selbstbestimmung, wollen selbst entscheiden, mit wem sie zusammenleben und wem sie helfen. Die große britische Demokratie gibt nur den Startschuss.
Danke, demokratisches Großbritannien. Was mit krummen Gurken und Raucherdiskriminierung angefangen hat, endet mit einem verdienten Fußtritt. Europa wird sich neu erfinden müssen. Das ist die einmalige Chance, ein Europa der Europäer zu schaffen, nicht ein Europa der Zocker und Konzerne. Das Brüsseler Diktat hat ein Ende. Thank heaven!“

Gesa Hinz aus Rastede:

„Ich habe mich über den Brexit sehr gefreut und sehe wieder etwas Licht im Tunnel. Ich sehe kein vereintes Europa, zu verschieden sind die Staaten. Wir als Geberland pumpen Milliarden Euro nach Brüssel, und was passiert damit? Brüssel ist eine Geldvernichtungsanstalt, mischt sich überall ein, Grenzen werden nicht kontrolliert. Es wird Zeit, das wir in Deutschland auch abstimmen. Warum passiert das nicht? Wovor haben Juncker, Merkel, Draghi Angst?“

Ingo Ossendorff aus Bonn:

„Die Briten haben die Bevormundung durch Europa satt. Seit Jahrzehnten sind sie Nettozahler und werden zum Dank von nicht gewollter Einwanderung überflutet. Europa schafft es nicht, seine Grenzen zu schützen. Vor dem Kanaltunnel gab es grauenhafte Szenen. Europa verliert einen Sponsor, der lieber auf ein Stück Reichtum verzichtet, als weiter Geld in ein Fass ohne Boden zu werfen. Das ist sehr bedauerlich, aber es bleibt zu befürchten, dass Europa die falschen Konsequenzen zieht. Solange Europa über die Köpfe der Bürger hinweg gemacht wird, bleibt es labil, denn so ein Europa wollen die meisten nicht. Wenn der Brite Nein sagt, dann meint er auch Nein.“

Gabriele Abraham aus Sulzbach:

„Es ist weniger Europa gefragt und nicht mehr. Europa wird niemals die Vereinigten Staaten von Europa werden, so wie die USA. Es gibt zu viele Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Der Niedergang hat m.E. mit der Osterweiterung der EU begonnen. Es wurden Staaten aufgenommen wie Rumänien und Bulgarien, die einfach noch nicht dazugehören können. Das hat man getan, um Russland zu ärgern. Wenn man so weitermacht und gegen Russland weitere östliche Staaten aufnimmt, wird wird die Antwort Russlands irgendwann nicht mehr berechenbar sein. Und was ist dann mit dem schönen Friedensprojekt?“

Siegfried Schwarzer aus Lampertheim:

„Falle selbst gestellt – Cameron wollte seine Macht festigen und das Volk entscheiden lassen – der Schuss ging nach hinten los. Macht verloren und Chaos angerichtet. Es ist – wie man sieht – nicht sinnvoll, den Polemikern die Arena zu eröffnen und das nun mal leicht beeinflussbare Volk über komplexe Themen entscheiden zu lassen. Es gibt Bereiche, die sollten die Politiker aus ihrer Profession schon selbst entscheiden. Sie haben tieferen Einblick und mehr Übersicht – gerade bei solchen Themen wie nationale und europäische Rollenverteilungen.
Kann man nur hoffen, dass andere Politiker nicht auch so verantwortungslos mit dem Feuer spielen – gerade jetzt, wo es einen Schwelbrand in Teilen Europas gibt. Polemiker und ihre Parteien haben Zulauf. Keine gute Entwicklung in Europa!
Vorbauen geht nur mit Ehrlichkeit und klaren Positionen – nicht so, wie es z.B. die SPD vorexerziert. Da windet man sich um TTIP und ist doch dafür, vor dem damit verbundenen Machtverlust der Politik natürlich dagegen, man ist für die Wahrung der Menschenrechte – und wenn sie zu Gunsten der Konzerne und zu Lasten der Urbevölkerung in Tansania eingeschränkt werden, ist man auch für die Einschränkung der Menschenrechte. „Windige“, nicht ehrliche Linien in der Politik landen immer dort, wo man sie nicht haben will – bei den Parteien, die das „Heil“ dem Volk versprechen.
Aber ändern werden sie sich nicht, die Politiker der Machtparteien – dafür werden sie ihr Desaster bei der nächsten Wahl leider bekommen.“

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122 Kommentare zu “Wir brauchen ein Europa der Europäer, nicht der Zocker und Konzerne

  1. @ Bronski:
    lange Jahrzehnte des Friedens waren – meiner Meinung nach – nicht die Leistung der EU sondern die ihrer Vorgänger.
    Seitdem die Europäische Gemeinschaft in der EU hervorgegangen ist, sind sich die europäischen Völker (insbesondere bedingt durch den Euro) wieder viel eher gram.

  2. @ Katja Wolf

    Danke für den Hinweis. Ich habe ihn zumindest teilweise in meinen Text eingebaut.

  3. @Bronski
    Auf die Leserbriefe möchte ich nicht eingehen. Sie strotzen nur so von Unwissenheit und Vorurteilen.
    Ihrem Gestern und Heute stimme ich vollkommen zu.
    Beim Morgen fängt es leider an ärgerlich zu werden.
    „Dieses Europa hat sich den Ruf eingehandelt, ein Europa zu sein, in dem Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.“ Das mag ja so sein, dass Europa (meinen sie die EU hier?) sind den Ruf eingehandelt hat, aber wodurch? Doch hauptsächlich durch falsche Darstellungen in den Medien.
    „Lobbyisten nehmen intransparent Einfluss auf Gesetzgebungsverfahren“ Das ist doch kein EU-Problem.
    „Dieses Europa kümmert sich ums Kleinklein, sobald Wirtschaftsinteressen berührt sind, so z.B. bei den legendären Gurken- und Bananengeschichten,“
    Jetzt wird es ganz ärgerlich. Es gibt in Brüssel keine Leute, die sich solche Regelungen ausdenken. Das wird aus den Nationalstaaten an die EU mit der Bitte eine EU-weite Regelung zu erlassen herangetragen. Nachdem Generationen von Kabarettisten und Journalisten einen Teil ihres Lebensunterhalts damit verdient haben, wurde sie 2009 zurückgezogen. Aber sie wird immer noch angewandt, weil die Leute, die sie wirklich betrifft (Bauern und Gemüsehändler) sie für sehr sinnvoll halten.
    „aber dass Jugendliche in ganz Südeuropa, von Portugal bis Griechenland, bei einer Jugendarbeitslosigkeit von teils mehr als 50 Prozent Gefahr laufen, zur verlorenen Generation zu werden, kümmert in Brüssel anscheinend niemanden.“ Was sollen die Politiker und Beamten denn bitte tun. Sie erwecken den Eindruck, dass es eine EU-Regierung in Brüssel gibt, aber die gibt es nicht.
    „Ein Staat wie Griechenland wird zugrunde „gespart“, damit das Land seine Auflagen erfüllt, so dass neue Kredittranchen bewilligt werden, um den exorbitanten Schuldendienst leisten zu können. Zukunftsperspektiven? Interessieren Brüssel offenbar nicht.“ Wenn das ein EU-Problem ist, dann erklären Sie bitte inwieweit GB daran beteiligt war. Das ist ein Problem der Euro-Länder, aber die sind nicht identisch mit der EU.
    „Die beiden sind die Haupt-Protagonisten der Austeritätspolitik, die Europa aufgezwungen wurde.“
    Auch hier denke ich, werden EU und Euro-Länder verwechselt.
    „Ende der Deregulierungen, Schließung aller Steuerschlupflöcher für Konzerne, angemessene Besteuerung ihrer Gewinne, angemessene Besteuerung großer Vermögen, Einführung einer Finanztransaktionssteuer – es gäbe viele Möglichkeiten, wie diese EU ein Profil gewinnen könnte,“
    Ja wie denn bitte? Es sind doch gerade die „Nationalisten“, die die EU am meisten kritisieren, die genau dies verhindern. Man kritisiert, dass die EU nichts macht und dann wählt man die Parteien, die versprechen keine Befugnisse an die EU abzutreten. Geht’s noch?
    Ich glaube, dass der Entscheid ohne den Einfluss der Presse nicht erklärbar ist und bin mir nicht sicher, ob ein Teil der Presse auf dem Festland besser ist.
    Alles was an der EU bemängelt wird, hat m. E. seine Ursache in der nationalen Politik. Denn es gibt keine europäische Gesetzgebung ohne Zustimmung der nationalen Regierungen.
    Wenn Sie glauben, dass die EU nur im Sinne der Konzerne entscheidet, dann lesen Sie mal die Autobiografie von Jack Welch (ehemaliger Chef von General Electric). Den einzigen Menschen, den er wirklich gehasst hat, war Mario Monti, weil er ihm durch die Verweigerung der Zustimmung zur Übernahme von Honeywell sein Lebenswerk zerstört hat.
    Als ich noch in der Schweiz gearbeitet habe, war ich einmal geschäftlich in Brüssel. Am Flughafen war ein Riesenplakat, gerichtet an junge Leute. Wenn sie Auslandserfahrung sammeln wollten, sollten sie sich an die EU wenden und sie würden unterstützt. Als ich nach Zürich zurückkam, sah ich die unsäglichen Plakate der SVP zur Masseneinwanderungsinitiative. Ich hatte plötzlich ein mir bisher unbekanntes Gefühl. Ich war stolz einen EU-Pass zu haben und seitdem trage ich unter Nationalität immer „EU“ ein.

  4. Die „Volksabstimmung“ in Großbritannien zeigt einmal mehr, wie wenig geeignet Referenden auf nationaler Ebene sind, komplexe Probleme zu entscheiden und wie sehr solche Entscheidungen durch Demagogie gelenkt werden. Das sieht man u.a. an der vollständigen
    Verwirrung unter den Brexit-Befürwortern, die jetzt realisieren, was sie – nicht nur wirtschaftlich – ihrem Land angetan haben.
    Wie schon immer, bin ich der Weisheit unserer Verfassungsgeber dankbar, die dieses Instrument für Deutschland weitgehend ausgeschlossen haben. Bezeichnend ist doch, dass jetzt alle Demagogen in Europa, natürlich einschließlich unserer AfD, nach Referenden schreien, weil sie wissen, dass sie nur so die Vernunft ausschalten können, die vielleicht noch in Regierungen waltet.

  5. @ Henning Flessner

    Bitte tragen Sie mir die begriffliche Unschärfe nicht nach. Ich wollte lediglich skizzieren, was Europa tun könnte, um sich wieder ein positives Ansehen zu verschaffen. Wer der möglichen Akteure das tun könnte, diese Frage gebe ich gern an Sie zurück.

    Die Lähmung der EU, wie sie z.B. auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise aufschien, ist sicher den Nationalregierungen anzulasten. Das habe ich oben auch skizziert. Es ist aber keineswegs so, dass solche Initiativen nur von den Regierungen angeschoben werden können. Auch die EU-Kommission könnte ein Impulsgeber sein. Oder das EU-Parlament, dessen Macht deutlich gewachsen ist. Es geht schließlich um den „europäischen Geist“, und wenn der bei den Nationalregierungen nicht (mehr) zu finden ist, dann könnten ja jene versuchen, ihn materialisieren zu lassen, die ihn repräsentieren. Dass meine Liste der möglichen Maßnahmen eine sehr idealistische ist – für Manche ist das ein anderes Wort für Realitätsferne -, brauche ich wohl nicht hinzuzufügen. Gleichwohl: Eine Finanztransaktionssteuer wäre insbesondere jetzt, nach dem Brexit, wohl deutlich leichter durchzusetzen. Das ist einer der Punkte, bei denen die Briten auf der Bremse standen. Das wäre ein deutliches Signal.

    Sie haben recht, die EU-Kommission ist keine Regierung. Dass sie dennoch Gestaltungsspielraum hat, das beschreiben Sie am Beispiel von Jack Walsh am Schluss Ihres Kommentars ja selbst. Es gibt andere Beispiele dafür, dass sie Vergehen von Konzernen mit hohen Geldstrafen belegt hat – was ein Ausdruck ihrer Macht ist -, aber sonderbarerweise haftet der EU-Kommission trotzdem das Image an, stets freundlich zu den Konzernen zu sein, was möglicherweise auch mit Luxleaks zu tun hat. Zudem kann die Kommission neuerdings Rechtsstaatsverfahren gegen Mitgliedsstaaten einleiten. Jean-Claude Juncker ist der vermutlich mächtigste Kommissionspräsident, den die EU bisher hatte. Ich widerspreche Ihnen daher: Die Kommission ist keine Regierung im klassischen Sinn, aber sie kann sehr wohl Macht entfalten. Leider ist sie – etwa wegen Luxleaks und TTIP – in den Augen Vieler … nun ja, eben Brüssel. Sie hat ein tief reichendes Glaubwürdigkeitsproblem.

    Und dass Lobbyisten kein EU-Problem seien, das glauben Sie hoffentlich selbst nicht. Etwa 20.000 Lobbyisten versuchen in Brüssel, Einfluss zu nehmen. In Berlin sind es etwa 5000. (Zahlen: Lobbycontrol, Wikipedia.) Die Erfahrung sagt: Wo Lobbyisten sich konzentrieren, da sitzt die Macht.

  6. Ein Teil der zitierten Leserbriefe zeugt in der Tat nicht gerade von ökonomischer Kompetenz. Und die ist sicherlich auch beim größten Teil der Brexit-Befürworter weitgehend abwesend. Das Heulen und Zähneklappern wird sich noch deutlich verstärken, wenn dem Volk die wirkliche Tragweite eines EU-Austritts transparent sein wird. Der die britische Wirtschaft in erheblichem Umfang stützende Finanzsektor wird in sich zusammenfallen. Die verbliebene Automobilindustrie, ohnehin längst nicht mehr unter britischer Kontrolle, läuft Gefahr, in andere Länder (Irland?) verlegt zu werden.

    Die EU hat in ihrem Regelungswahn viel Mist gebaut, aber deshalb gleich alles hinwerfen? GB hatte ohnehin immer einen Sonderstatus und war trotzdem unzufrieden.

    Fazit: Die EU wird auch ohne GB leben können. Aber GB ohne EU? Da bin ich nicht sicher.

  7. Die mit viel Starrsinn (gegenüber dem Volk und sogar gegenüber der eigenen Partei und der Schwesternpartei) beibehaltene Willkommenskultur und Hotelversorgung für Zuwanderer, hat unter anderem maßgeblich das Brexit-Ergebnis herbeigeführt und wird zu weiteren Abwendungen von der europäischen Einheit führen. Die Leute wollen ihre Grenzen zurück (auch die Jungen, wenn sie älter geworden sind)! Es darf keine unkontrollierte Einwanderung geben, die selbst Feinden den Zugang ermöglicht. Die friedliebenden Völker Europas sind folglich sogar bereit den europäischen Bund und die Einheit aufzugeben. Alle Flüchtlinge gehören in unbequeme Lager, in denen allein festgestellt werden kann, wer sie sind, sowie wer bleiben kann und wer gehen muss. Gibt es keine verfügbaren Rückkehrländer, müssen sie ins Abseits (oder auf eine Insel) abgeschoben werden und sehen, wie sie dort klar kommen. Konsequenz ist angesagt, oder Europa wird zerbrechen!

  8. @ all

    Kurzes Statement zum vorangegangenen Kommentar von walter. Eigentlich dürfte ich ihn nicht veröffentlichen, da er wegen seiner offenkundigen Menschenfeindlichkeit im Widerspruch zu den Blog-Regeln steht. Ich schalte ihn dennoch frei, weil solche Haltungen beim Brexit eine Rolle gespielt haben können und weil der Kommentar schön zeigt, welchen irrigen Vorstellungen sich manche Menschen hingeben.

  9. @Bronski
    Zuerst zu den Lobbyisten. Hier habe ich mich unklar ausgedrückt. Ich wollte sagen, dass Lobbyismus kein spezifisches EU-Problem ist.
    Die EU-Kommission und das EU-Parlament können keine Gesetze erlassen. Sie können nur Vorschläge machen. Die eigentliche gesetzgebende Gewalt ist der Europäische Rat und das sind die Vertreter der nationalen Regierungen. Warum sollte die EU-Kommission eine Finanztransaktionssteuer vorschlagen, wenn sie weiß, dass die nationalen Regierungen dagegen sind und der Vorschlag von vornherein zum Scheitern verurteilt ist? In der Presse würde das sicherlich gleich als Schmierenkomödie gebrandmarkt.
    Dort wo die Staaten ihre Souveränität an die EU abgetreten haben, wie beim Wettbewerbsrecht, funktioniert die EU sehr gut. Auch die Harmonisierung der Normen ist eine Großtat.
    Ich habe mal zwei EU-Kritiker gefragt, wie denn die EU ihr persönliches Leben negativ beeinflussen würde. Nach einigem Nachdenken kam nur die Geschichte mit den Gurken und das Glühbirnenverbot.

  10. Die These, dass beim Pro-BREXIT-Votum u.a. der Gegensatz zwischen britischer Elite und Unterschicht deutlich geworden wäre, halte ich für zu kurz gegriffen. Denn die Zustimmung zum Ausstieg kam mehrheitlich aus Gruppen, die im Kern unterschiedliche Interessen vertreten – unterschiedlich auch zum ursprünglichen Selbstverständnis Kerneuropas.

    So hat jene Oberschicht für den BREXIT gestimmt, die am irrealen Traum britischer Weltherrschaft festhält und eine Kontrolle zurückgewinnen will, die bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert unwiderruflich verloren ist, weil die Kolonialmächte politisch und moralisch abgewirtschaftet haben.

    Hingegen hat sich die Schicht aus gut Verdienenden, die mehrheitlich dem Neoliberalismus anhängen, für Europa ausgesprochen, weil sich ohne diese Bindung an das Festland das Geschäftsmodell der Londoner Finanzwelt und ihrer Kreise nicht aufrechterhalten lässt. Das entspricht egoistisch-kapitalistischen, aber keineswegs demokratisch-emanzipativen Interessen.

    Für die Normal- und Schlechtverdiener, die ihre Situation seit dem frühen 20. Jahrhundert nicht mehr durchschauen (was unter anderem auf ihre systematische Verdummung durch das unzureichende britische Schulsystem zurückzuführen ist) und die auf eine obrigkeitshörige Labour-Party setzen, ist Europa die Quelle allen Elends. Eine Fehleinschätzung, die vor allem von der Oberschicht durch die Verbreitung von populären Lügen unterstützt wird. In ähnlicher Weise verhindern Adel und Großbürgertum durch ihre widerwärtige Charity-Unkultur (= Almosen aus den Westentaschen der Reichen statt Sozialstaat), dass eine gerechte Gesellschaft auf der britischen Insel entstehen kann. Die Verhinderung einer sozialen Marktwirtschaft nach deutschem Vorbild (die dort mittlerweile durch Neoliberalismus und Sozialdemokratie infrage gestellt wird) liegt auch im besonderen Interesse der USA, obwohl Roosevelts „New Deal“ exakt das einmal vorsah.

    Als Westeuropäer, der sich immer noch in die Tradition der Französischen Revolution hineingestellt sieht und der die Gesellschaftstheorien von Marx, Engels oder Herbert Marcuse für nach wie vor relevant hält, vermag ich in Großbritannien kaum Verbündete für die eigene Sicht zu finden.
    Aber ebenso wenig sehe ich in den sich verselbstständigt habenden Brüsseler Institutionen das Modell eines solidarischen Europas. So war es eine Schande, Polen und die baltischen Staaten in die Gemeinschaft aufzunehmen, ohne von diesen den unbestreitbaren Nachweis einer tief verankerten Demokratie zu verlangen. Das derzeitige Säbelrasseln der NATO an Europas neuer Ostgrenze erscheint mir als das Menetekel einer leichtfertig aufs Spiel gesetzten Zukunft.

    Nationalismus, neoliberaler Kapitalismus, soziale Ungerechtigkeit, religiöser Fundamentalismus und Rassismus stehen einer europäischen Neubesinnung und einem entsprechenden Neuaufbruch im Wege. Das Feuer zu einer wirklichen Umkehr wird nur von Staaten und Gesellschaften geschürt werden können, die Europa als Summe geistes- und sozialgeschichtlicher Errungenschaften und nicht als Wirtschaftsgemeinschaft verstehen.

  11. Manche Kommentare zeugen nicht gerade von demokratischem und rechtsstaatlichem Verständnis, aber sei es drum.

    Die derzeitigen Machtsrukturen der EU dienen leider mehr der Verschleierung von Verantwortlichkeiten und eingen Mitgliedern auch sehr dazu politische Entscheidungen indirekt durchzudrücken, zumal solche die auf nationaler Ebene als Norm nicht mal zur ersten Lesung kommen würden.

    Hier ist nachhaltig Abhilfe gegen Umgehung von Kontrollmechanismen inklusive praktikablen Rechtsweges zu schaffen.

    Zu der nunmehr als Lobbykratie zu bezeichenden Struktur gibts eine schöne Geschichte rund um REACH: Die Lobbyisten der Totalen Bürgerüberwachung haben die ommission etwa 1 Jahr bearbeiten doch bei den „gefährlichen Stoffen“ hier insbesondere „Aceton“ eine allgemeines Erwerbsverbot auszusprechen und den Grundstoff in die Sprengstoffliste aufzunehmen…. Das war dann auch praktisch 1:1 durch die Kommission übernommen, bis die Industrie erstmals intervenierte, die Polizeien einige Länder ebenfalls um den Unfug zu bremsen. Nachdem die chemische Industrie intervenierte war erstmal Ruhe…

    Dann kamm der Lobbymob wieder mit dem Verbotsvorschlag und um eine „Alternative“ anzubieten, mit der Idee doch das Industrieprodukt mit Zusatstoffen zu versehen, um die Herstellung von Selbstlaboraten unmöglich zu machen. Dazu gab die EU sogar völlig unsinnig Erheblche Forschungsmittel. Gab, erwartungsgemäß, natürlich kein prakikables Resultat und die Vertreter der chemischen Industrie haben ihren Standpunkt dazu auch nochmal so nachhaltig deutlich gemacht, dass die Kommission nun zumindest davon die Finger lässt; vorerst.

  12. @Henning Flessner:

    Hier ein paar Beispiele: Äußere Beschaffenheit von Gurken (und anderen Gemüsearten). Regelung der Leuchtmittel. Leistungsbegrenzung bei Staubsaugern. Es gibt sicher wichtigere Dinge, die geregelt werden sollten (z. B. eine einheitliche Norm für Steckdosen und Stecker).

    Ich wollte damit auch nur ausdrücken, dass es durchaus auch berechtigte Kritik an den Strukturen und der Handlungsweise der EU gibt.

    Aber das alles ist nicht der wahre Grund für den Brexit. Den lieferte eher Walter um 09:42. Glaubt man den veröffentlichten Statistiken, haben Alte und/oder Bildungsferne über den Brexit entschieden. Wenn ich das „Statement“ von Walter lese, fühle ich mich geneigt, diesen Statistiken zu glauben…

  13. @ Walter
    Ja, unbequeme Lager sind prima. Am besten mit Nagelbrettern als Matratzen und Wasser und Brot als Nahrung. Und den abgelehnten Asylbewerbern am besten gleich den Kopf abhauen, dann muss man sich nicht lange auf irgendwelchen Inseln mit ihnen plagen.
    Schließlich müssen wir unser christliches Abendland verteidigen!

  14. @ Napez
    „Hier ein paar Beispiele: Äußere Beschaffenheit von Gurken (und anderen Gemüsearten). Regelung der Leuchtmittel. Leistungsbegrenzung bei Staubsaugern. Es gibt sicher wichtigere Dinge, die geregelt werden sollten (z. B. eine einheitliche Norm für Steckdosen und Stecker).“ (Napez)

    Zur „Gurkenverordnung“ epfehle ich mal, den Wikipedia-Artikel dazu bis zum Ende durchzulesen:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Verordnung_(EWG)_Nr._1677/88_(Gurkenverordnung)

    Eine Zusammenfassung zu dem Thema gibt es z.B. hier:
    http://www.n-tv.de/politik/Die-Wahrheit-ueber-die-Regelungswut-der-EU-article12821446.html

  15. @Napez
    Die sogenannte Gurkenverordnung ist ein schönes Beispiel. Sie wurde nicht in Brüssel erfunden, sondern die Nationalstaaten wollten eine schon bestehende Norm in europäisches Recht umgewandelt sehen. Als sie dann 2009 abgeschafft wurde, waren der deutsche Landwirtschaftsminister Seehofer und der deutsche Bauernverband dagegen wie 15 andere der damals 27 Mitgliedsländer. Da sie eine sinnvolle Regelung ist, wird sie heute noch von den Bauern und Gemüsehändlern benutzt.
    Man ist aus diffusen Gründen gegen die EU und dann wird schon was gefunden, was man schlecht findet.
    Eine ganze Generation von Kabarettisten und Journalisten hatte leider nicht die Zeit, sich und uns richtig zu informieren

  16. 2 Anmerkungen zu Details, das 2. gehört nur ein bißchen zum Hauptthema Brexit.

    1.
    Drei Viertel der „Jungen“ haben abgestimmt, aber in diesem Altersbereich war die Wahlbeteiligung nur 25%. Man kann also gar nicht so pauschal sagen, dass wirklich die „Jungen“ in der EU bleiben wollten. Was man aber sehen kann: die Nichtwähler sind die Doofen, weil andere für sie abgestimmt haben. Wir lernen daraus: jeder sollte wählen gehen. Die Nichtwähler sollten aber intensiv damit aufhören, jetzt über die Entscheidung der wählenden Mehrheit zu jammern.

    2.
    Die Flagge heißt nur „Union _Jack_“, wenn sie an einem _Holz_mast auf einem _Schiff_ montiert ist.
    Alle anderen britischen Flaggen heißen „Union _Flag_“.

  17. zu @ Bronski
    In vielen Punkten teile ich ihre in der Einleitung dargelegte Meinung. Könnte es aber nicht sein das die parlamentarische Demokratie die Ursache dafür ist das wir uns auf dem Weg zu einer lobbygesteuerten Scheindemokratie befinden und immer größere Teile der Bevölkerung sich dagegen wehrt.

  18. @ Henning Flessner

    „Die EU-Kommission und das EU-Parlament können keine Gesetze erlassen. Sie können nur Vorschläge machen.“

    Sie mögen als Ingenieur ja ein Ass sein, aber von Politik haben Sie offenbar keine Ahnung. Macht beschränkt sich doch nicht auf Gesetzgebung! In einer Demokratie hat sogar die Opposition eine gewisse Macht und kann Untersuchungsausschüsse beantragen und offene Anfragen an die Regierung richten und sie so im Bundestag zur Rede stellen. Selbst die AfD hat eine gewisse Macht, obwohl sie nirgends in der Regierung ist, aber alle haben Angst vor ihr. Solche Macht haben auch Marine le Pen und Geert Wilders. Nigel Farage hatte diese Macht. Warum treten die Demokraten nicht dagegen an?
    Es wäre ein Leichtes für Jean-Claude Juncker, Debatten und Projekte zu organisieren, zum Beispiel über soziale Standards. Er muss sich natürlich vorher rückversichern, aber in Frankreich und Italien hätte er natürliche Verbündete. Dass der Kommissionspräsident selbst aktiv werden kann, zeigt der „Juncker-Plan“, der 315 Milliarden Euro an Investitionen auslösen soll. Damit will ich nichts darüber sagen, ob dieser Plan gut oder schlecht ist, sondern nur, dass die Position des Kommissionspräsidenten machtvoll ist. Mit der neoliberalen Merkel im Nacken haben solche Ansätze es natürlich schwer.

  19. @ Henning Flessner

    Die „Gurkenverordnung“ (ein Wikipedia-Link ist weiter oben) war bis 2009 eine Verordnung der EWG und wurde – zumindest von weiten Teilen der Bevölkerung – lange als Beispiel einer unsinnigen Regulierung angesehen (als ob man als Verbraucher nicht selbst entscheiden könnte, wie eine Gurke auszusehen hat). Nur deshalb hatte ich diese Regelung genannt. Es gibt noch einige mehr, die mich stören, und von deren Existenz viele gar nichts wissen. Um aber nicht missverstanden zu werden: Ich bin kein EU-Gegner. Ganz im Gegenteil. Nur bietet die EU in manchen Bereichen ihren Gegnern die volle Breitseite. Der Brexit verdankt seinen „Erfolg“ allerdings wohl eher einer fremdenfeindlichen Grundeinstellung (siehe „Walter“). Ich hoffe darauf, dass die EU auch bei einem endgültigen Austritt von GB nicht wie ein Kartenhaus zusammenfällt. Aber sicher bin ich mir da leider nicht.

    Übrigens kann das EU-Parlament durchaus Regelungen erlassen mit quasi Gesetzescharakter für die Mitgliedsstaaten. Die EU-Kommission als Exekutivorgan kann das nicht. Auch hierzu ein informativer Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4isches_Parlament

  20. @Stefan Briem
    Wenn Sie meine Beiträge sorgfältiger lesen würden, wüssten Sie, dass ich kein Ingenieur bin. Den Rest des Satzes betrachte ich als unterhalb der Gürtellinie.

  21. ÜBERMORGEN
    Ich denke, dass die Führer der Brexit-Kampagne diesen Erfolg nicht erwartet haben und auch gar nicht wollten. Deshalb hatten sie auch keinen Plan, was nach einem Erfolg passieren soll. Es ging mehr um einen Machtkampf innerhalb der Konservativen. Der Erfolg bringt die Brexit-Befürworter in eine sehr unbequeme Lage. Die kommenden Probleme werden ihnen zur Last gelegt werden und man kann sie nicht mehr die EU dafür verantwortlich machen.
    Gewinnen ist für manche Politiker das Schlimmste, was ihnen passieren kann. Es kommt ihnen ihr Thema abhanden. Das schlimmste für Ausländerfeinde ist keine Ausländer.
    Die Ideallösung für Boris Johnson und Kollegen wäre es, wenn es nicht zum Brexit kommt und man der EU dafür die Schuld geben kann. Cameron hat den Weg schon mal angedeutet. Man wird den Austritt erst einmal nicht erklären, mit der Begründung, dass dies eine souveräne Entscheidung Grossbritanniens (GB) sei. Wieder greift die EU die Souveränität GBs an. Er möchte erst einmal die Beziehungen zur EU verhandeln, bevor GB den Brexit verkündet. GB wird Forderungen stellen wie freien Zutritt zum Binnenmarkt ohne Personenfreizügigkeit, die für die EU nicht akzeptabel sind. Dann ist die EU wieder der böse Bube, der einen Handelskrieg gegen GB führen will. Das Ganze wird sich Jahre hinziehen. Damit ist sichergestellt, dass das Thema EU und Einwanderung auch im nächsten Wahlkampf noch bearbeitet werden kann. Die schottischen Nationalisten werden erst mal ausgebremst. Ich erwarte GB noch mehrere Jahre in der EU.
    Aber Voraussagen sind ja bekanntlich schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.

  22. Interessantes Szenario, aber ich glaube nicht, dass es so kommen wird. Sie lassen nämlich die wirtschaftliche Entwicklung außer acht. Solange es keine Klarheit gibt, wird niemand in GB investieren. Außer den Briten selbst natürlich. Auch der Finanzsektor wird bröckeln. Ich habe gelesen, dass die Deutsche Bank und andere tausende von Stellen verlagern werden, und zwar vermutlich nach Frankfurt.

    http://www.fr-online.de/brexit/grossbritannien-verlaesst-die-eu-frankfurt-wird-vom-brexit-profitieren,34340058,34418738.html

    Das alles wird die britische Wirtschaft auf Talfahrt schicken und vielleicht sogar noch schlimmere Auswirkungen haben als der vollzogene Brexit.

    Es ist aber auch wirklich eine sonderbare Situation, auf die niemand vorbereitet sein konnte.

  23. Ende der 50er Jahre haben sich einige Länder zu einer Zollunion mit ambitionierten politischen Zielsetzungen zusammengeschlossen, man nannte sie EWG. Die Menschen wahren mehrheitlich noch gezeichnet von einer Katastrophe, 2. Weltkrieg genannt, und hungrig nach friedlichem Zusammenleben der Völker. Soziale Marktwirtschaft war angesagt und führte zu gemeinsamen wirtschaftlichen Aufschwung und höheren Lebensstandart der Menschen in den Gründungsländern. Ich bin ein Nutznießer. Die EWG wandelte sich Mitte der 60er Jahre zur EG – Zusammenschluss von EWG, EURATOM und EGKS (Kohle + Stahl). Anfang der 80er Jahre, wohl mit Hr. Kohl, gerieten die Bedürfnisse der Menschen immer mehr in den Hintergrund und der wirtschaftliche Konkurrenzkampf innerhalb der EG wurde zum Erfolgsmodell erhoben. Damit die Wirtschaft, auch auf Kosten anderer Länder, richtig Brummt wurde die EG 1993 um einige Länder erweitert und zur EU umbenannt. Der wirtschaftliche Erfolg ist seitdem oberste Pflicht, siehe Griechenland, dem sich alles Menschliche unterzuordnen hat (wie lange hat es gedauert bis zum Mindestlohn?). Nicht nur die EU, noch mehr die Mitgliedsländer, haben Ihre Prinzipien und Ideale verraten. Ein paar € genießen mehr Wertschätzung als ein Mensch. Unsere britischen Freunde wollten wohl ihrer Unzufriedenheit Ausdruck verleihen und sind etwas ausgerutscht. Unsere gewählten Volksvertreter müssen wieder den Menschen in den Mittelpunkt rücken, aber sie werden wohl weiterhin nur an ihrer eigenen finanziellen Zukunft Interesse zeigen und das goldene Kalb anbeten. So hat aber die EU keine Zukkunft!

  24. Sei es nun wie es will; für mich ergeben sich aus der Gemengelage seit letzten Freitag 9:15 Uhr folgende Dinge. 1. wurde wenigstens einmal aufgezeigt, dass das bis dahin geltende und praktizierte „Gewurschtle, Gezocke und durch Firmen-, Banken und Investoren den Politmarionetten in Brüssel vorgeschriebene politische und gesetzesmäßige Vorgehen“ von der wählenden Mehrheit eines Mitgliedsstaates nicht mehr akzeptiert wird. 2. sollte das für hoffentlich einen Großteil der oft behaupteten ca. 450 – 500 Millionen Bürger dieser Vereinigung ein Signal sein, das Konstrukt so schnell wie möglich funktional so zu ändern, dass man dahinter stehen kann und ggf. stolz ist, sagen zu können, dass man Europäer ist, was bis heute nicht möglich ist. 3. wenn ich mir so die Nachrichten anschaue und die heutige Titelseite der FR, dann muss ich mich schon sehr, sehr wundern, dass man den „Saftladen“ (UK), wie er sich gerade geriert, vor nicht allzu langer Zeit einmal „Britisch Empire“ im gleichen Atemzug z.B.: mit dem ehem. „Römischen Reich“ (schweigen wir uns da lieber über den heutigen Nachfolger aus) oder anderen Weltmächten genannt hatte. Das, was da gemäß Nachrichten abzugehen scheint, ist in diesem Zusammenhang einfach nur noch lächerlich (und wie heisst es in dem berühmten Spruch: „über dem Süden lacht die Sonne, über UK die halbe Welt“)….

  25. @ Napez
    „(als ob man als Verbraucher nicht selbst entscheiden könnte, wie eine Gurke auszusehen hat)“ (Napez)
    Der von mir verlinkte Wikipediaartikel konnte in seiner Kompaktheit leider die vorhandene Konfusion nicht auflösen, deshalb möchte ich Sie auf den wichtigen Satz am Anfang aufmerksam machen: „Die Verordnung Nr. 1677/88/EWG zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken war eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft, die Gurken anhand verschiedener Merkmale in unterschiedliche Güteklassen einteilte.“
    Diese Verordnung sagte also nicht den Verbrauchern, wie Gurken auszusehen haben, sondern sie ist ein Benennungsangebot an Produzenten, Händler und weiterverarbeitende Industrie für Gurken, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen.

    Um den Hintergrund praktisch zu beschreiben:

    Der Discounter X möchte in einem bestimmten Gebiet 100 to Gurken verteilen. Wenn er einfach nur Gurken bestellt, sind die unsortiert und passen nicht ordentlich in die Standardkästen, so dass er pro Kasten 33% weniger Gurken hat, als wenn er die „Eurogurke der Qualität A“ bestellt. Das bedeutet, dass er 50% Raum zusätzlich für die Gurken in seinen Lastwagen benötigt, er braucht also erheblich mehr Frachtvolumen, um die selbe Tonnage zu verteilen.

    Der Tsatsiki-Fabrikant Y braucht Gurken für sein Endprodukt. Die werden maschinell verarbeitet. Wir können heute Maschinen bauen, die sich selbst auf die ulkigsten Formen einstellen können, aber das wird teuer. Als Beispiel: Spargel, das ist der Spross einer Pflanze und wächst also normalerweise schön gerade einfach nach oben. Nur auf wechselnde Dicke einzugehen, ist mechanisch relativ einfach zu steuern. Aber so eine Spargelschälmsschine kostet 20 000 € aufwärts. Auch, wenn ich sie auch so konstruieren kann, dass sie mit Krümmungen fertig wird, schält sie in dem Fall dickere Schalen, verringert also meine Nettoware und ich muss anders einkaufen und anders kalkulieren. Da ist es doch viel einfacher, man bestellt „Eurogurke der Qualität A“, hat ein definiertes Transportvolumen, benutzt billigere Maschinen und hat eine definierte Ausbeute in der Maschine.

    Und statt dass sich jeder Großhändler mit seinen Erzeugern zusammensetzt und jeder Verarbeiter mit seinen Erzeugern, um festzulegen, was der eine haben will und der andere ihm liefern soll – auch diese Verhandlungen sind nicht kostenlos und schlagen sich im Preis nieder, hat hier die „überbordende“ Bürokratie der EU sinnvolle Normen zur Verfügung gestellt, in denen Bestellungen und Lieferungen ganz einfach zu beschreiben sind. Wie sinnvoll diese Normen sind, ist schon daran zu sehen, dass Handel und Erzeuger auch noch an ihnen festhalten, nachdem sie abgeschafft wurden, also keine offiziellen EU-Normen mehr sind. Sie sind einfach praktisch.

    Die Gurkenverordnung war nie für Verbraucher (nur indirekt, weil sie den Wirtschaftsverkehr mit dieser Ware kalkulierbarer machte). Der EU ist es egal, ob Sie als Verbraucher mit Ihrer natürlichen Intelligenz in der Lage sind, auch eine krumme Gurke als solche zu erkennen und ein größenmäßig passendes Stück unter der Nase in den Kopf zu schieben, um es nach einer mechanischen Zerkleinerung ihrer Verdauung zuzuführen. Es handelte sich auch nicht um einen Handelseingriff: Jedem mit Gurken handelnden Betrieb ist es freigestellt, diese Normen zu benutzen oder es bleiben u lassen. Jeder Bauer konnte und kann Ihnen die krummste Gurke verkaufen, die er zu erzeugen in der Lage ist. Nur Aldi und Lidl werden sie ihm nicht abnehmen, er wird diese Gurke über die Wochenmärkte verkaufen müssen, über kleine Händler, die alles, auch ihren Frachtraum anders kalkulieren als die großen.

    Die Verordnung Nr. 1677/88/EWG zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken war ein Paradebeispiel einer sinnvollen Verordnung, und ist immer noch ein Paradebeispiel für das fehlende Verständnis dafür, dass derartige Normierungen ein wesentlicher Beitrag der Bürokratie zur Erleichterung des Warenverkehres darstellen und damit tatsächlich etwas für den Bürger tun.

  26. „Könnte es aber nicht sein das die parlamentarische Demokratie die Ursache dafür ist das wir uns auf dem Weg zu einer lobbygesteuerten Scheindemokratie befinden und immer größere Teile der Bevölkerung sich dagegen wehrt.“ (Hans)
    Das müsste aber jetzt näher ausgeführt werden, damit es verständlich wird.

    Dabei müsste sichtbar gemacht werden, dass es eine grundsätzliche Eigenschaft parlamentarischer Demokratien ist, ihre Macht an organisierte Interessengruppen zu übergeben. Man könnte auch sagen, es müsste soetwas wie eine grundsätzliche Tendenz des Volkes geben, die gesetzgeberische Macht an Strukturen zu übergeben, die nicht mehr demokratisch legitimiert sind.

    Mir klingt das zu geheimnisvoll.

    Was man sagen kann, ist, dass Wirtschafts- bzw. Kapitalkonzentrationen wegen der Reichweite der Entscheidungen ihrer Führer über eine große nicht demokratisch legitimierte Macht verfügen. Was man auch sagen kann, ist, dass sich unsere Parteien in die Abhängigkeit dieser Machtkonzentrationen begeben haben, weil die Gesetze nicht dagegen sprechen (das wäre in der Tat auch schwierig zu formulieren) und es so bequem ist. Es ist offensichtlich auch nicht gewollt, das zu ändern.

    Die letzte Aussage ganz praktisch: Es gibt eine offizielle Liste aller Großspenden an die Parteien, in denen alle Spender genau aufgelistet sind. Was mir als Normalbürger fehlt und was ich auch nicht selbst leisten kann, ist eine Zusammenstellung dieser Großspender nach Branchen, damit ich sehe, welche Branche wen unterstützt oder (in meinen Augen wichtiger) wie groß der Anteil der unterschiedlichen Branchen am Gesmatspendenaufkommen ist. Dabei gehe ich nicht davon aus, dass unsere Parteien direkt käuflich sind. Wovon ich aber ausgehe, ist, dass den Geschäftsführer der Parteien klar ist, wie hoch der Anteil an Spenden ist, dessen Ausfall eine Partei finanziell ruiniert. Das Problem besteht also in der Konzernartigkeit der Parteien. Das dürfte auch der wesentliche Hintergrund dafür sein, dass Ziele der Parteien, die sich eigentlich zwingend aus den eigenen Grundsätzen ergeben, seit Jahrzehnten auf Eis liegen, ich nenne hier nur die Internationalisierung von sozialen und Umwelt-Standards in der Wirtschaft.

    Solange die Parteien von Organisationen abhängen, in denen Menschen nur wirtschaftliche Dimensionen haben und der Wert jedes Individuums in seinem Geldwert ausgedrückt wird, werden die Parteien nicht in der Lage sein, Ziele zu verfolgen, die ein weniger ökonomisches Menschenbild als Grundlage haben. Und sie werden keine Ziele verfolgen, die die Macht dieser Organisationen verringert. Unsere Steuergesetzgebung wird deshalb seit Jahrzehnten auf eine Stärkung der Kapitalkonzentration optimiert. Wer das anders sieht, geht von einer Dummheit der Politiker aus, die sie unwählbar machen würde, denn die Änderungen der Vermögensverteilung in Richtung weniger Großvermögen sind Fakt.

    Ich sehe also nicht die parlamentarische Demokratie als Ursache für eine lobbygesteuerte Scheindemokratie, sondern spezielle, selbstgeschaffene Randbedingungen dieser Demokratie, wie die Parteienfinanzierung. Ein grundsätzliches Problem liegt in der Elitefindung etablierter Systeme, die Angepasstheit fördert und Originalität bestraft.

  27. @Gerhard Sturm
    Die Griechenlandkrise ist eine Sache der Euro-Länder nicht der EU.
    Der Mindestlohn ist eine nationale Sache, keine Sache der EU. Frankreich hat ihn schon lange. Dabei frage ich mich, welche Industrielobby den eigentlich durchgesetzt hat.

  28. Zu Frank Wohlgemut: sehr guter Beitrag, der aus meiner Sicht dahingehend ergänzt werden sollte, dass es eine Unsitte geworden ist, Gesetze derart „unausgegoren, fehlerhaft und schlecht (d.h.: bewusst schon mit Hintertürchen konzipiert)“ gemacht und verabschiedet werden, dass man darüber nachdenken sollte, diese Damen und Herren wegen bewusst schlechter Arbeit und bewusstem Inkaufnehmen von Schaden für das Volk abwählen bzw. verklagen sollte (schlimm dabei ist ja gerade, dass sowas vom Gesetz ja auch noch unterstützt wird, dass das nicht geht (Immunität / Indemnität). Als letztes Beispiel ist mir noch eine Stellungnahme oder Interview – ausgerechnet des Herrn, der für Gesetze verantwortlich ist – im Kopf und daher nicht als genaues Zitat zu verwenden (wenn man suchte, würde man es auch finden), dass er gesagt hatte, dass, wenn nicht alles in dem Gesetz berücksichtigt sei, man es ja alsbald nachliefern und verabschieden könne…. (gemeint waren Regelungen im Bereich Sexualstrafrecht). Wozu haben wir dann sein Ministerium mit gefühlten 10.000 sogenannten Fachbeamten, die ein Schweinegeld einsacken und ihre Arbeit so machen, dass man gleich nachbessern muss? (Das war nur eben Beispiel aus meinem Gedächtnis; ich denke, dass da genauso System dahinter ist, wie wenn ich lese, dass Erarbeiten von Gesetzesvorlagen zu Millionenhonoraren an externe Kanzleien vergeben werden bzw. worden sind)….. Fazit: neben der Parteienfinanzierung auch bewusst nicht richtige Ergebnisse produzieren. Das muss leider noch dazu: habe mich am Rande auch noch gefragt, was die einzelnen Menschen davon haben, wenn sie solche Entscheidungen treffen, da ich a priori davon ausgehe, dass sie nicht korrumpierbar sind; Beispiel: welchen Vorteil hat der Einzelne der Entscheider in Berlin davon, permanent Banken zu fördern und die Transaktionssteuer immer wieder zu verhindern? Von den absolut unverständlichen, nicht leistbaren Versprechungen bzgl. Flüchtlingen mal ganz abgesehen.

  29. @bun
    Die Forderung nach perfekten Gesetzen ist genauso unsinnig wie die Forderung nach 100%iger Sicherheit.
    Es würde voraussetzen, dass man alle möglichen Ereignisse kennt, die bisher noch niemals aufgetreten sind, aber in der Zukunft auftreten, bereits kennt.

  30. @ Henning Flessner 28. Juni 2016 um 10:31

    Da ich in wenigen Stunden Richtung Griechenland abdampfe, nur noch ein Wort zu diesem Beitrag. Auch mit Ihren anderen stimme ich fast völlig überein.
    „Gewinnen ist für manche Politiker das Schlimmste, was ihnen passieren kann. Es kommt ihnen ihr Thema abhanden. Das schlimmste für Ausländerfeinde ist keine Ausländer.“
    Ich finde dies treffend ausgedrückt, und das gilt natürlich noch mehr für einen Nigel Farage, dessen „Lebensziel“ (wie er sich ausdrückte) nun erreicht sei. Der Kerl könnte einem Leid tun. Was will der nur weiter machen ohne Feindbild EU?
    Zu Ihrem Gedankenspiel nur eine kleine Ergänzung: Dieses populistische Spiel mit einem auserkorenen Sündenbock funktioniert natürlich nur so lange, wie andere auf „Apeasement“ setzen und sich so an der Nase herumführen lassen. Will in diesem Fall heißen: „Out“ heißt nun mal „out“, und es dürfte doch ziemlich schwer fallen, der EU auch noch anzulasten, den ach so strangulierten Briten nun tatsächlich ihre „Freiheit“ zu geben.
    Vielleicht ist das gerade der Hauptfehler im Umgang mit Populisten, nicht rechtzeitig die Realisierung einzufordern. Insofern stimme ich Stefan Briem zu, dass der Schwarze Peter hier doch eher in Groß- (oder auch Klein-)Britannien bleibt.

  31. zu H. Flessner vom 28.6. um 18:11 Uhr. Lassen Sie doch bitte die Polemik, Herr Flessner. Das Wort „perfekt“, das Sie benutzen und mir unterstellen, so könne niemand und keine Situation sein, hatte ich noch nie benutzt. Ich denke, dass die Leserschaft meine Einlassungen verstanden hatte. Der Tenor ist, dass m.E. Gesetze mit „bewussten“ Hintertürchen bzw. „schwammigen“ Formulierungen verabschiedet werden, die dann von den Anwälten sehr viel einfacher genutzt werden können, Vorteile für deren ohnehin bereits übervorteilte Klientel zu ziehen.

  32. @ bun
    „… da ich a priori davon ausgehe, dass sie nicht korrumpierbar sind …“ (bun)
    Geht es nicht ein bisschen kleiner und sie gehen erstmal davon aus, dass nicht alle korrupt sind?

    „welchen Vorteil hat der Einzelne der Entscheider in Berlin davon, permanent Banken zu fördern und die Transaktionssteuer immer wieder zu verhindern?“ (bun)
    Nicht unbedingt einen direkten persönlichen Vorteil – so einfach funktionieren wir nicht, wir sind nicht einfach Maximierer persönlichen Vorteils. Da greifen ganz viele „Programme“ ineinander, deren wir uns normalerweise gar nicht bewusst sind. Ein derartiges „Programm“ ist z.B. unsere Moral, die während der Sozialisation installiert wird – mit ziemlicher Sicherheit fehlerhaft, weil die individuellen Erfahrungen sich häufig mit diesem Regelwerk beißen, wenn es überhaupt konsistent vermittelt wird. Aber wir funktionieren auch nicht nur als Individuen, der Mensch ist als Individuum nicht lebensfähig, schon allein sein mächtigstes Organ, das „Denkvehikel“ Sprache baut auf dem Wissen all seiner Vorfahren auf. Gezüchtet sind wir eher auf Loyalität und anschließende „Belohnung“ durch die Gruppe als auf Egoismus, aber konfliktfrei funktioniert das nur in Systemen mit linearer Hierarchie. Wir leben aber nicht in linearen Hierarchien, sonder jeder einzelne ist Mitglied vieler Gruppen, mit teilweise sich widersprechenden Gruppeninteressen.

    Ganz praktisch: Warum folgt die große Mehrheit der Abgeordneten einem Fraktionszwang, den es theoretisch gar nicht gibt?
    Ganz kurzer Versuch (viel zu kurz): Die sind Idealisten und wollen was verändern. Also schließen sie sich einer Partei an, mit der Zielen sie einigermaßen konform gehen. Gefühlt ist diese Partei ein Kampfverband, und alles, was dieser Partei nutzt, nutzt ihren Zielen – stimmt leider sehr häufig nicht.

    Aber diese Entscheidungsprozess laufen nicht unbedingt im Bewusstsein ab, was dort abläuft, sind häufig nur Rationalisierungen. Wir sind nicht die rationalen Wesen, als die wir uns normalerweise sehen, und wir sind dementsprechend nicht einfach zu beschreiben. Die Psychologie stellt zwar auch schon Wissen bereit, aber im Wesentlichen ist sie ein Forschungsgebiet.

  33. @ bun
    „Vorteile für deren ohnehin bereits übervorteilte Klientel zu ziehen.“ (bun)
    Übervorteilen bedeutet, jemanden zu betrügen. Sie meinen wahrscheinlich „bereits überreichlich mit Vorteilen ausgestattete Klientel“

  34. Nun haben die Briten für den Austritt aus der EU gestimmt.
    Was folgt daraus?
    Die ersten Reaktionen und die häufigsten sind der Blick auf die Märkte und an die Börse. Steigt der DAX oder fällt er? Sind die empfindlichen Märkte etwa verstört, muß man sie beruhigen? Wer muß mit wirtschaftlich negativen Konsequenzen rechnen, wer gewinnt?
    Ist das der wichtigste Aspekt der EU? Ist das der Sinn unseres Lebens? Was die Märkte machen? Haben wir sonst keine anderen Maßstäbe?
    Dunkel erinnere ich mich, daß es da mal eine Idee von Europa gab, in der primär von Völkerverständigung und von Frieden die Rede war. Diese primären Ziele scheinen in den Hintergrund getreten zu sein zugunsten eines Kampfes um die besten Plätze in der Weltwirtschaft.
    Man müsse nun analysieren, Europa neu überdenken, auch im Hinblick auf die Gefahr, daß weitere Mitgliedsstaaten auf den gleichen Gedanken kommen, wie die Briten, heißt es vielfach. Ja, das ist wohl richtig. Aber die Frage ist, unter welchen Voraussetzungen?
    Zugegebenermaßen verstehe ich nicht viel von Wirtschaft. Aber ich habe einen Traum. Ich habe den Traum, daß wir es schaffen könnten, uns von der derzeitigen Wirtschaftsordnung abzukehren und eine ganz neue gerechtere Wirtschaftsordung zu entwickeln. Eine Utopie? Sicher!
    Aber galt das nicht auch beispielsweise für die Ideen der erneuerbaren Energien? Gab man denen vor wenigen Jahrzehnten eine reelle Chance? Bis sich Idealisten und erfindungsreiche Entwickler daran setzten und zeigten, daß es geht. Jetzt sind solche Denker auch auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften gefragt, die eine neue Wirtschaftsordnung entwickeln und durchdenken können, die ohne die Geißel des unbegrenzten Wachstums auskommt und trotzdem funktioniert. Ideen dazu gab es schon vereinzelt. Aber hier ist tatsächlich jetzt eine gedankliche Revolution vonnöten. Mag es auch Jahrzehnte dauern – je eher und je intensiver darüber nachgedacht wird, desto besser. Viele unserer derzeitigen Probleme würden sich dann am Ende sogar von selbst lösen. Wir müßten nicht mehr anderen Völkern Land wegnehmen, um darauf Getreide für Biosprit anzubauen. Wir müßten nicht mehr Kriege um Rohstoffe führen. Wir hätten die Chance, unsere Klimaziele zu erreichen, wenn wir nicht immer und überall das Wirtschaftswachstum zu berücksichtigen hätten, das die Einsparungen im Verbrauch immer wieder auffrißt. Um nur ein paar Beispiel zu nennen. Und wir könnten an einem Europa weiterbauen, das sich auf die ursprünglichen Ziele Frieden und Völkerverständigung besinnt.

  35. Ich kann das Geschwätz der 28 Regierungen der EU-Mietglieder nicht mehr hören! Allein, dass Bundeskanzlerin Merkel zu Gesprächen einlädt, wie es denn nach Großbritanniens Ausscheiden weitergehen solle, dokumentiert, der alte Käse geht unvermindert weiter. Einzuladen hat die Europäische Kommission! Die politische Fremdsteuerung durch 28 selbstsüchtige Regierungen verhindert die wirkliche Kraftentfaltung Europäischer Politik. Wofür habe ich eigentlich bei der Europawahl gestimmt, wenn sich hernach die beiden Großfraktionen unisono zusammentun und einen Hampelmannhaufen als „Regierung“ anbieten? Eine solche Konstellation funktioniert in Deutschland ja auch nicht. Auch der Bayerische Ministerpräsident Seehofer sollte sich anschauen, wohin politische Obstruktion führt: ins Abseits und ins Karriereende wie bei Mister Cameron!
    Ich hoffe, dass endlich Vernunft einkehrt, was heute heißt, man gewähre Großbritannien den Status Quo wirtschaftlich und steuerlich nach Schweizer oder nach Norwegischem Vorbild. Sonst sehe ich wirklich den Anfang von Ende des politischen Europas kommen.

  36. Von Churchill stammt das Zitat: „Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, ausgenommen alle anderen.“ Ich finde, dass die Briten mit dem Ergebnis des Referendums diese Churchill’sche Erkenntnis eindrucksvoll bestätigt haben. Die Frage ist tatsächlich, ob es sinnvoll und richtig ist, eine solche Frage dem Volk zur Abstimmung vorzulegen. Aus folgenden Gründen: Ca. 1 Mio. Bürger haben die Mehrheit gebildet; das heißt, dass nur gut 500.000 Bürger durch ein anderes Stimmverhalten das Ergebnis hätten kippen können. Diese 500 Tausend haben mit ihrem Votum verursacht, dass durch fallende Kurse innerhalb von kürzester Zeit an der Börse Unternehmenswerte im Umfang von 5 Billionen Euro vernichtet wurden. (Quelle: Spiegel.de) Alle „Brexiteers“ sind auf eine Lügenkampagne hereingefallen, die offensichtlich vorher nicht als olche aufgedeckt worden ist. Ein knallroter Kampagnenbus wurde mit der Aussage gestaltet, Dass GB jewe Woche 350 Mio € nach Brüssel schickt und dieses Geld nach einem Ausstieg in das öffentliche Gesundheitssystem investiert werden solle. Fakt ist, dass Thatcher herself schon 1984 mit ihren Forderungen erreicht hat, dass GB heute nur noch 250 Mio €/ Woche zahlt. Da auch GB Geld für bestimmte Aufgaben und Maßnahmen aus Brüssel erhält, bleiben unter’m Strich netto 110 Mio € pro Woche, die GB bezahlt. Was ist ein Referendumsergebnis wert, dass auf solchen Lügen und Falschbehauptungen basiert, die den Wählern vorher wochenlang ‚eingehämmert‘ werden?
    Das Brexit-Referendum erinnert zudem stark an das Referendum in Stuttgart; auch dort sind die Bürger mit einer Kampagne der S21-Befürworter monatelang bearbeitet worden, die von der Politik gewünschte Entscheidung zu treffen, obwohl die Fakten sich schon zu diesem Zeitpunkt geändert hatten. („Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben“, Quelle: stuttgarter-zeitung.de/) Auch bei diesem Referendum ist für mich die demokratische Legitimität fragwürdig, weil die lokale Bevölkerung ein Projekt bestätigt hat, dessen Auswirkungen weit über den lokalen Bereich hinausgehen. Die mindestens 10 Mrd €, die voraussichtlich in Stuttgart vergraben werden, nur um die freiwerdenden Innenstadtgrundstücke vermarkten zu können, fehlen für die Modernisierung des Güterwagenbestands, für den Ausbau der Rheinschiene und Anbindung des neuen Gotthardtunnels u. a. m. Die Anwohner der rechtsrheinischen Bahntrasse ‚dürfen‘ demzufolge noch viele weitere Jahre mit dem Lärm der Güterzüge leben.
    Aber nicht nur das S21-Votum drängt sich mir als Parallele auf, sondern – provokativ formuliert – auch die Wahl des amerikanischen Präsidenten: Wenn ein einzelner Politiker wie Geoge W. Bush die Macht hat, mit einer Entscheidug wie dem Beginn des Krieges im mittleren Osten weiltweit Turbulenzen auszulösen, dann sollte die Weltgemeinschaft dem etwas entgegen setzen können. Es ist für mich alles andere als demokratisch, dass ein paar Prozent intellektuell mehr oder weniger mäßig ausgestattete Amerikaner durch die denkbare Wahl eines Donald Trump alleine darüber entscheiden dürfen, dass es in der Welt noch mehr Krieg und noch weniger Frieden geben wird.

  37. Mein Eindruck ist: Das UK hat ungelöste soziale Probleme, tatsächliche und psychische bzw. eingebildete. Zu den tatsächlichen gehören u.a. die Einkommensverteilung und das nationale Gesundheitssystem, zu den psychischen die sog. Überfremdung. Hinzu kommen Abstieg in der politischen Weltrangliste und Statusverluste.
    Das alles hat ursächlich nichts mit EU und Zuwanderung aus der EU zu tun und keines der Probleme ist durch Ausscheiden aus der EU zu lösen; wahrscheinlicher ist, dass sie wachsen.

  38. @Helga Nitsche
    Ich bin wahrscheinlich zur gleichen Zeit wie Sie sozialisiert worden. EU bedeutete für mich nie wieder Krieg mit Frankreich. Ich war total perplex, als ich vor 20 Jahren TV-Diskussionen in der Schweiz erlebte, als es nur darum ging, ob man am Eintritt in die EU etwas verdiene oder draufzahle. Aber das scheint heute leider die Position der meisten zu sein.
    @Carsten Dietrich Brink
    Ich stimme ihnen vollkommen zu, aber mit dieser Meinung sind wir in Europa zurzeit leider eine verschwindende Minorität.
    @Bernfried Kleinsorge
    Soviel ich weiß, kann der amerikanische Präsident keinen Krieg beginnen, dafür braucht er die Zustimmung des Kongresses. Man erinnere sich, dass auch H. Clinton für den Krieg im Irak gestimmt hat.

  39. @ Henning Flessner
    Ich nehme Ihre Frage an bun mal auf, weil ich oben schon mal etwas Ähnliches formuliert hatte: Es geht darum, dass bei den Steuergesetzen die Absicht zu einer Verteilung von unten nach oben unterstellt wird. Ich hatte das so begründet, dass man schon von einer außerordentlichen Dummheit aller Beteiligten ausgehen muss, wenn man sieht, dass diese Umverteilung schon Jahrzehnte erfolgreich ist und dann davon ausgeht, sie sei nicht Absicht.

    Bei den normalen Parlamentsabgeordneten, die diesen Gesetze auf Empfehlung zustimmen, wenn nicht auf Fraktionsorder, sie sind nämlich das eigentliche Stimmvieh der Nation, kann man wohl davon ausgehen, dass ihnen die Folgen sehr vieler Gesetze, für die sie stimmen, nicht klar sind. Das heißt, belegen im eigentlichen Wortsinn kann bun seine Thesen nur, wenn er einen der für die Formulierungen dieser Gesetze Verantwortlichen findet, der diese Absicht zugibt. Den wird bun nicht finden, ich auch nicht.

    Eine Voraussetzung, von der wir ausgehen dürfen, ist, dass die Akteure von heute keine grundsätzlich anderen Qualitäten besitzen als die von früher. Und dann können wir uns Geschehnisse von früher ansehen, die eine derartige Absicht als wahrscheinlich erscheinen lassen und die Reaktionen darauf.
    1. Beispiel : Die „Flick-Affäre“, deren öffentlich gewordene Kommunikationsabläufe offensichtlich machten, dass diese Steuerhinterziehungen im Bundeswirtschaftsministerium durchgewunken worden waren. Können Sie sich noch an irgendwelche anderen Folgen für die beteiligten Politiker erinnern als den allgemeinen Vertrauensverlust der Politik? Bei der strafrechtlichen Würdigung fielen ALLE Zeugen durch ihr schlechtes Gedächtnis auf – eine anscheinend nur zeitweilige Demenz, die im weiteren politischen Leben nicht hinderlich war.

    2. Beispiel : Unter der Regierung des Herrn Schröder aus der SPD wird in Deutschland der Spitzensteuersatz heruntergesetzt. Nicht unabsichtlich, sondern ganz absichtlich. Die Kapitalkonzentration war bereits seit Jahrzehnten im Gange, als dieses Gesetz kam. Wie konnte es – noch dazu in der SPD – eine Mehrheit finden, wenn man nicht davon ausgeht, dass diese Kapitalkonzentration beabsichtigt ist? Wie wurde dieses Gesetz überhaupt begründet und wie schätzen Sie diese Begründung ein?

  40. @Konrad Mohrmann
    Ihr Kommentar ist der erste, über den ich beim Durchscrollen meines Handys falle und weitere werde ich auch nicht lesen … Der Blog sagt weitgehend ‚was Sache ist‘.

    Sie schreiben: „17 Millionen der Einwohner von Greater Britain (32,1 Prozent), das ist die Mehrheit der Wähler, wollen aus der EU austreten…“.

    Richtig, das ist die Mehrheit der WÄHLER. Aber gehören Sie wirklich ernsthaft zur Gruppe der Unbelehrbaren wie, höchst aktuell, jetzt auch wieder Seehofer und Stegner, die propagieren, dass Referenden gelebte Demokratie seien und, O-Ton Seehofer, zu ‚moderner Politik‘ gehören?

    Grenzenloser Unsinn ist das. Brexit hat dies vor vier Tagen gerade sehr eindrucksvoll gezeigt.
    Eine PSEUDOmehrheit von Farage,Johnson u.a. belogenen, von diffusen Ängsten getriebenen ÄLTEREN Menschen hat die wirkliche Mehrheit der jungen Generation regelrecht vergewaltigt. Ältere Menschen,die wesentlich früher von dieser Welt abtreten dürfen, haben die Jugend völlig unberechtigt in eine potentiell schwierige Lage gebracht und sie aus Europa raus geworfen, das sie mit überwältigender Mehrheit weiter mit gestalten wollte – obwohl oder gerade weil die EU alles andere ist, als ein fertiges Gebilde, das zu verstehen den meisten von uns wohl oft sehr schwer fällt.

    Nein, die Macher der BRD haben sich in der Tat sehr viel dabei gedacht, dass sie den ‚Stammtisch‘ aus politischen Entscheidungen raushalten wollten. Bei Gemeinde-, Kreistags-, Landtags- und Bundestagswahlen können die demokratischen Parteien, in Grenzen,
    Einflüsse wie Wahlbeteiligung, Wetter, Mangel-oder Fehlinformation u.v.m. der Wähler durch Koalitionen auffangen. Referenden sind aber meist Ja/Nein-Entscheidungen und das Ergebnis der Abstimmung ist unumstößlich….

    Im Falle Brexit wird sich zeigen, ob die Briten nicht doch in 20 Jahren noch in der EU sind.

  41. @Frank Wohlgemuth
    Gesetze sind wie Medikamente. Sie sollen einen Missstand (Krankheit) beseitigen und sie haben Nebenwirkungen.
    buns Standpunkt ist, dass man nur Medikamente verschreibt, die starke Nebenwirkungen haben.
    Ihr Standpunkt ist, dass die Nebenwirkungen der Grund der Verschreibung sind.
    Meine Sicht ist, dass manchmal die beabsichtigte Wirkung nicht eintritt, jedoch die Nebenwirkungen.
    Aber eigentlich sind wir ja beim Thema Brexit.
    Hier sieht es so aus, als ob der Arzt Boris dem Patienten starke Pillen verordnet hat, ohne den Beipackzettel gelesen zu haben. Als er merkt, dass dem Patienten schlecht wird, macht er sich schnell aus dem Staube.
    Eine, wie ich finde, intelligente Analyse zum Ergebnis des Referendums findet sich hier:
    http://www.foederalist.eu/

  42. Dass anlässlich des Brexit hier vornehmlich über europäische Probleme – wie zum Beispiel krumme Gurken und ähnlich Schwerwiegendes – diskutiert wird, lässt mich darüber nachdenken, ob die Mehrheit der Briten nicht vielleicht doch recht hat, wenn es darum geht, sich um eigene Belange zu kümmern.

  43. In Gb gibt es eine besonders üble Form von parlamentarischer Demokratie. Das Mehrheitswahlrecht. Ich könnte mir gut vorstellen das Menschen, nicht zuletzt junge, der Meinung sind das man mit wählen gehen eh nichts verändern kann. Jetzt lässt man diese Menschen auf einmal auf die direkte Demokratie los und wundert sich über das Ergebnis. Darüber wundere ich mich jetzt.

  44. @Heinz Kircher
    Seien Sie doch konstruktiv. Worüber sollte ihrer Meinung nach diskutiert werden?
    @hans
    Das Mehrheitswahlrecht führt sicher häufiger zu einem Regierungswechsel als das Verhältniswahlrecht. Es führt meistens zu Zweiparteienparlamenten und damit nicht zu dauerhalften grossen Koalitionen. Daher verstehe ich ihr Argument nicht. Ich würde mir für das EU-Parlament übernationale Parteien bzw. Parteibündnisse und das Mehrheitswahlrecht wünschen. Nicht jeder Exot oder Spassmacher muss im Parlament vertreten sein.

  45. zu @ Hennig Flessner
    Es gäbe keine Grüne, keine Linke und keine FDP wenn man das Mehrheitswahlrecht auf D. übertragen würde. Dieses Land hätte im Regelfall nur CDU und SPD im Parlament. Ich stelle mir das schrecklich vor. Das wäre doch ein Programm zur Förderung der Politikverdrossenheit und des Stillstandes. Man sieht das schon daran das GB noch nicht gemerkt hat das AKW Geschichte sind. Ein berühmter SPD Führer sagte mal: Mehr Demokratie wagen.

  46. Sehr geehrter Herr Flessner,

    wenn Sie mich schon direkt ansprechen, so gebe ich mir doch die Mühe, konstruktiv zu sein.

    In meinem ersten Beitag auf dieser Seite stellte ich die Frage: “Was soll zuerst abgeschafft werden: die Demokratie oder die Dummheit?“ Wie lautet Ihre Antwort darauf?

    In der Frankfurter Rundschau von heute las ich auf Seite 11 unter der Überschrift „Juncker hat nichts kapiert“ den schönen Satz: „Viel schlimmer ist aber, dass viele Bürgerinnen und Bürger eine transparentere EU mit mehr Mitbestimmung wollen, wie auch das britische EU-Referendum bei genauerem Hinsehen zeigt.“

    An dieser Stelle frage ich, was daran schlimm sein soll. Haben die Briten unter dieser Prämisse nicht das einzig Richtige getan?

    Und was für die Briten gilt, soll für uns Deutsche etwa nicht gelten?!

    All die EU-Probleme, wie Deutschland als Nettozahler, Deutschland als das gelobte Land für Asylanten, die über ungesicherte EU-Binnengrenzen eindringen, TTIP, um nur wenige Beispiele zu nennen, wären vom Tisch, würden wahre Deutsche den Mut aufbringen, geordnete Verhältnisse zu schaffen!

  47. @ Heinz Kircher

    Ich habe ein paar Fragen.

    Sie bezeichnen die Tatsache, dass Deutschland Nettozahler ist, als Problem. Warum?

    Sie glauben, Deutschland sei das gelobte Land für „Asylanten“. Sagen wir lieber „Asylbewerber“, einverstanden? Glauben Sie nicht, dass viele der Flüchtlinge schlicht ihr Leben in Sicherheit gebracht haben?

    Und zuletzt: Was sind „wahre Deutsche“?

  48. Sehr geehrter Herr Bronski,

    Geld zahlen zu müssen für eine Sache, die für mich keinen Gewinn garantiert, ist ein Problem.

    Viele der Flüchtlinge haben einfach ihr Leben in Sicherheit gebracht, aber außerhalb Deutschlands. Und somit war ihr Leben sicher. Und… ?

    Wahre Deutsche verteidigen das Volkswohl gegenüber nachrangigen Interessen.

  49. @ Heinz Kirchner,

    man sollte bei der komplexen Problematik doch deutlich ansprechen was gemeint ist. Es gibt eien beachtliche Migrations die im Kern Ursache eins falschen Europabildes, medial befeuerten Unfugs in Afrika und dem Nahen Osten sind. Dagegen sind Kriegsflüchtlinge immer noch keine Migranten, sondern allermeist höchst unfreiwillig unterwegs.

    Die derzeitigen Anerkennungsquoten von Asylanrägendes BAMF sprechen für die einzelnen Länder Bände, eine nicht geringe Kriminalitätsmigration aus dem Maghreb wird dabei noch aufzuarbeiten sein, denn das Bild der „falschen Syrer“ ist leider real. Nur sind diese nicht so einfach zu identifizieren, was aber geboten ist um die ehrlichen Flüchtlinge zu schützen.

  50. @ Heinz Kircher

    Diese Antworten befriedigen mich nicht. Lassen Sie mich nachhaken.

    Die Europäische Union ist für Sie eine Sache, die aus Ihrer Sicht keinen „Gewinn garantiert“. Ich verstehe diese Formulierung nicht. Gewinn ist niemals garantiert, wenn man investiert, egal ob in Materielles oder Ideelles. Wo ist das Problem?

    Gut, Leben also in Sicherheit. Und warum sprechen Sie von Deutschland als „gelobtem Land“?

    Und nicht zuletzt: Wie verteidigen „wahre Deutsche“ das „Volkswohl“ gegen „nachrangige Interessen“? Was ist das „Volkswohl“? Was sind „nachrangige Interessen“, gegen die „verteidigt“ werden muss? Sie haben meine Frage nicht beantwortet, sondern stattdessen drei neue Fragen aufgeworfen. Ich wiederhole daher meine Frage und bestehe auf deren vorrangiger Beantwortung: Was sind „wahre Deutsche“?

  51. Sehr geehrte Herren Müller und Bronski,

    Ihr Interesse an meinen Aussagen überrascht mich nicht. Ich bin davon ausgegangen, dass ich hier auf diesem Blog gegen den Mainstream anschwimme.

    Herr Müller, die Beweggründe der Migranten, ihr Land zu verlassen, mögen durchaus unterschiedlich sein. Entscheidend ist jedoch, dass hieraus keine Belastung für uns erwächst.

    Herr Bronski, ich habe erwartet, dass Sie mir Fragen stellen, dass meine Antworten Sie befriedigen, eher nicht.

    Erstens: Das ist das Problem.

    Zweitens: Das „gelobte Land“ ist eine Sichtweise, deren Inhaber eines Besseren belehrt werden müssen.

    Drittens: Ich bin zuerst einmal froh, dass Sie die drei neu aufgeworfenen Fragen zu der einzigen bündeln: „Was sind „wahre Deutsche?“ Da ich diese Frage bereits beantwortet habe, wenn auch nicht zu Ihrer Zufriedenheit, bin ich pro forma erst mal aus dem Schneider.

    Es tut mir leid. Aber bevor ich mich noch weiter zu diesem Thema und zum Brexit äußern darf, würde ich gerne abwarten, ob sich über meine Ansichten noch weitere Gemüter erregen. Natürlich wäre mir jede ehrliche Zustimmung auch willkommen.

  52. @ Heinz Kircher

    Warum ist es ein Problem für Sie, dass Sie erwartet haben, dass ich Ihre Antworten hinterfrage? Für mich ist es normal, dass hinterfragt wird. Darum hinterfrage ich ja auch Ihre Antworten, zumal Sie meine Frage bisher nicht beantwort haben:

    „Was sind „wahre Deutsche“?

    Ich bestehe darauf, dass Sie diese Frage beantworten!

    Ich will das ernsthaft weiterhin von Ihnen wissen, denn ich bin ein „wahrer Deutscher“ — also jedenfalls glaube ich das, obwohl die Definition, die Sie bisher geliefert haben, noch einige, na ja, sagen wir mal: Lücken … aufweist. Ich will wissen, was ich in Ihren Augen hätte tun sollen, um das „Volkswohl“ zu „verteidigen“.

  53. Uff, Herr Bronski!

    Das ist nicht das Problem. Das Problem, das ich meinte, ist, dass ein Gewinn niemals garantiert ist.

    Ich werde mich vor der Antwort auf Ihre Frage nach den „wahren Deutschen“ nicht drücken. Und dass ich noch die Resonanz auf meine Beiträge abwarten möchte, habe ich bereits angemerkt.

    Wenn Sie sich als einen „wahren Deutschen“ per definitionem betrachten, kann ich dies zunächst nur einmal begrüßen.

    Mir ist nicht bekannt, was Sie seither getan haben, um das Volkswohl zu verteidigen. Deshalb kann ich Ihnen im Nachhinein keine Ratschläge erteilen.

  54. @ all

    Es gab noch ein wenig Kommunikation im Hintergrund und Kommentare, die aus gutem Grund nicht freigeschaltet wurden. Ich habe Heinz Kircher, so glaube ich zumindest, zu dieser nachtschlafenden Zeit klargemacht, dass er weiter an diesem Blog teilnehmen kann, wenn er die Frage beantwortet: Was ist ein „wahrer Deutscher“? Zu gegebener Zeit machen wir dazu vielleicht sogar einen eigenen Thread auf, denn ich finde diese Frage, deren Beantwortung Herr Kircher ausgewichen ist, wirklich hochinteressant. Bis dahin aber verfolgen wir/Sie diesen Handlungsstrang bitte nicht weiter, sondern diskutieren zum Brexit, denn das ist hier ja schließlich das Thema. Da gibt es ja wahrlich genug zu bereden.

  55. Nun ja, Herr Bronski, ist es nicht etwas viel, zu nachtschlafener Zeit von mir zu verlangen, was Sie vielleicht in einem eigenen Thread geklärt haben möchten: die Antwort auf die Frage „Was ist ein wahrer Deutscher“?

    Ein wahrer Deutscher muss nicht unbedingt stolz darauf sein, ein Deutscher zu sein. Er soll sich dessen aber auch nicht schämen (müssen).

    Ein wahrer Deutscher darf sich als etwas Besonderes fühlen, wie jeder Mensch etwas Besonderes ist.

    Ein wahrer Deutscher lässt keinen Hilfsbedürftigen im Stich.

    Ein wahrer Deutscher stützt nach besten Kräften die Gemeinschaft innerhalb seines Volkes und die Gemeinschaft seines Volkes innerhalb der Völker.

  56. Wichtiger für mich ist, ein wahrer Mensch zu sein. Und der Anspruch ist sehr hoch.

  57. Ich denke, dass es interessant wäre zu diskutieren, wie sich die EU bei den Austrittsverhandlungen verhalten soll. Harte oder weiche Linie?
    Politisch spricht alles für eine harte Linie, wirtschaftlich eher für eine weiche Linie.

  58. Herr Flessner,

    Politik hat immer mit Wirtschaft zu tun. Denken Sie nur an die deutschen Waffenverkäufe nach Saudi-Arabien und die deutsche Politik gegenüber diesem Staat, den man nur dann als Rechtsstaat bezeichnen kann, wenn man die Scharia als Recht akzeptiert.

    Es ist zu vermuten, dass die Geschäfte mit Großbritannien weiterhin glänzend laufen und die Politik sich entsprechend einrichtet.

  59. @ Henning Flessner

    Warum hart oder weich? Wir haben doch durch Schweiz oder Norwegen ziemlich klare Referenzen, wie so etwas aussehen sollte.

  60. „Ein wahrer Deutscher muss … darf … lässt … stützt ….“ (Heinz Kirchner)
    Schön.
    Jetzt brauchen wir nur noch die chinesische Erklärung für den wahren Chinesen, die spanische für den wahren Spanier und die kongolesische für den wahren Kongolesen, um festzustellen, dass alle nationalen Differenzen vernachlässigbar sind.

    Mir scheint, dieser wahre Deutsche hat viel vom wahren Schotten, nur der Rock fehlt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kein_wahrer_Schotte

  61. @ Heinz Kircher

    Sie sind also der Auffassung, dass die Mehrheit der Wähler in Großbritannien als „wahre Briten“ im Sinne des Wohles ihres Volkes entschieden hat. Dass diese Entscheidung auf bewusst falschen Informationen über die tatsächlichen Nettozahlungen des Landes und die Entscheidungsbefugnisse in der EU fußte, scheint Sie nicht zu stören, ebenso wenig die Tatsache, dass dieser Ausstieg sämtliche bisherigen Wirtschaftsbeziehungen des Landes kappt und Neuverhandlungen nur schlechtere Handelsbeziehungen zu ungünstigeren Bedingungen als bisher bewirken können. In einer globalisierten Welt kann nämlich keine Nation mehr ihr eigenes Süppchen kochen, ohne gnadenlos wirtschaftlich abgekoppelt zu werden.
    Dass Sie den britischen Bürgern ernsthaft zu der Desorientierung gratulieren, die jetzt in ihrem Land ausgebrochen ist, erscheint mir schon fast zynisch. Keine funktionierende Regierung mehr, kein Plan für die Zukunft, und diejenigen, die am lautesten für den Ausstieg plädiert haben, machen sich aus dem Staub, damit andere den Karren aus dem Dreck ziehen können. Ganz ehrlich, einen solchen Zustand wünsche ich, eine „wahre Deutsche“, die das „Volkswohl“ im Auge hat, meinem Land wahrlich nicht.

  62. Warum laßt Ihr euch auf’s Glatteis führen?
    Einen wahren „Dingsbums“ gibt es nicht und es besteht auch keine Notwendigkeit, ihn zu definieren.
    Kirchner führt hier lediglich schleichend eine Nationalismusdebatte ein, für die es überhaupt keinen Anlass gibt.

  63. @ Henning Flessner
    „Gesetze sind wie Medikamente. Sie sollen einen Missstand (Krankheit) beseitigen und sie haben Nebenwirkungen.
    buns Standpunkt ist, dass man nur Medikamente verschreibt, die starke Nebenwirkungen haben.
    Ihr Standpunkt ist, dass die Nebenwirkungen der Grund der Verschreibung sind.“ (Henning Flessner)

    Das Bild mit den Medikamenten passt vielleicht bei der Strafgesetzgebung, aber die Steuergesetzgebung beseitigt keinen Missstand, sondern ist ein Regelwerk.

    Auch wenn ich von dieser kleinen Unschärfe absehe, dann ist der Schluss falsch: Ich unterstelle nicht, dass die Verschreibungen wegen der Nebenwirkungen stattfanden/finden, ich glaube nur nicht, dass diese Nebenwirkungen unwillkommen sind.

    Denn, das kann man feststellen: Diese Nebenwirkungen existieren fast so lange wie unsere Wirtschaftspolitik und sie waren noch nie ernsthaft ihr Thema – das kann doch nur heißen, dass man da keinen Handlungsbedarf sieht.

    Im Zweifelsfall werden stattdessen diese Nebenwirkungen sogar noch verstärkt – siehe oben das Beispiel Schröder. Oder das Verfassungsgericht muss den Bundestag zwingen, auch Unternehmererbschaften zu versteuern, was jetzt doch nicht wirklich passiert. Oder die Quellensteuer wird als Abgeltungssteuer konzipiert und der Steruersatz für Superreiche auf diese Art minimiert.

    Diese „Nebenwirkungen“ sind aber auf Dauer der Tod jedes demokratischen Systems, weil sie den Mittelstand auflösen. Jetzt sind Sie damit dran, mir zu erklären, warum unsere Parteien da keinen Handlungsbedarf sehen, bzw. keinen mehr sehen, sobald sie an der Regierung sind.

  64. Aber Herr Kirchner.

    Einen wahren Briten kann selbstverständlich nur ein wahrer Brite definieren.

    Und ich gebe zu, dass ich beim wahren Deutschen auch nicht mitreden kann, weil ich – mein Vater kam aus Danzig – ein halber Pole bin.
    (Jetzt rotiert er gerade im Grab 😉 )

  65. Sehr geehrte Frau Ernst, sehr geehrte/r Frau/Herr BvG,

    ich habe – nicht schleichend sondern offen – eine Nationalismusdebatte eingeführt, deren Anlass geradezu greifbar ist.

    Ich bin zu weit weg davon, um zu wissen, inwieweit die Briten sich als Nation begreifen. Aber wenn ich mir ansehe, wie verschieden die Engländer, die Waliser, die Schotten und die in sich gespaltenen Nordiren gestimmt haben, dann tut sich für mich zwingend die Frage auf, in welchem Maß innerbritische nationale Ressentiments das Abstimmungsergebnis beeinflusst haben.

    Und dass Begriffe wie Nettozahler, Energiesparlampe, krumme Gurke, TTIP, Ceta, Grexit, Glyphosat, Flüchtlingsproblem und dergleichen mehr die Ressentiments fördern, liegt auf der Hand, nicht nur, weil sich Angehörige bestimmter Nationen benachteiligt fühlen, sondern weil sich jede/r einzelne EU-Bürger/in in irgend einer Weise gegängelt und ohnmächtig fühlt. Was wir erleben, ist ein Europa der Nationen im schlechtesten Sinn! Um sich vorzustellen, wie ein wirklich geeintes Europa aussehen könnte, muss man tief in die Kiste der Utopien greifen.

    Frau Ernst, ich denke nicht daran, den Briten zum ihrem Abstimmungsergebnis zu gratulieren. Zynisch finde ich das Verhalten deutscher und anderer Politiker in der EU, denen es offenbar nicht schnell genug gehen kann, dass Großbritannien seiner Wege zieht.

    Die meisten Wogen neigen dazu, sich wieder zu glätten; schaun wir mal!

  66. @Frank Wohlgemuth
    Wir kommen vom Thema ab, deshalb nur kurz. Die Quellensteuer für Kapitalerträge wurde eingeführt, weil man dadurch erreichen wollte, dass Kapitalerträge überhaupt besteuert werden und nicht immer bei der Steuererklärung «vergessen» werden. Dass es dabei zu einer Erniedrigung des Steuersatzes für Personen mit hohen Kapitalerträgen kommt, ist die unerwünschte Nebenwirkung. Man war eben der Meinung, dass etwas besser als nichts ist.
    Zurück zum Brexit. Die von Ihnen vorgeschlagenen Modelle Norwegen und Schweiz kommen m. E. nicht in Frage. Norwegen hat Zugang zum Binnenmarkt, zahlt Beiträge und übernimmt alle Regelungen des Binnenmarktes automatisch. Norwegen ist zahlendes Mitglied ohne Stimmrecht. Das können die Brexit-Briten doch unmöglich akzeptieren. Das ist ja in ihren Augen viel schlimmer als vorher.
    Die Schweiz hat eine Unmenge von Verträgen mit der EU abgeschlossen (ich las mal was von mehr als 120). Dadurch hat sie Zugang zum Binnenmarkt, zahlt und akzeptiert (bisher) die Personenfreizügigkeit.
    Änderungen des europäischen Rechts akzeptiert die Schweiz nicht automatisch. Bei jeder Änderung des europäischen Rechts müssen die Verträge durch Verhandlungen angepasst werden. Hier hat man wirklich ein bürokratisches Monster geschaffen und die EU möchte dieses Beispiel sicher nicht noch einmal wiederholen. Das Ergebnis dieser Zeitverschwendung ist natürlich das gleiche wie im Fall Norwegen. Am Ende akzeptiert die Schweiz doch alles und ist somit auch ein zahlendes Mitglied ohne Stimmrecht. Dummerweise hat die Schweiz 30% Rechtspopulisten unter den Wählern und das Instrument der Volksinitiative. Ab nächstem Frühjahr sind nicht nur Minarette durch die Schweizer Verfassung verboten, sondern auch die vertraglich vereinbarte Personenfreizügigkeit mit der EU. Die Schweiz hatte gehofft, dass das Referendum knapp abgelehnt wird und die EU danach GB Zugeständnisse bei der Personenfreizügigkeit macht. In deren Totwasser wollte man dann mitschwimmen.

  67. @Heinz Kircher
    Leider kann ich auf Ihre Fragen an mich nicht eingehen, da ich nicht verstehe, was sie sagen wollen.
    Zu mindestens habe ich aber verstanden, dass Sie stört, dass Deutschland Nettozahler in der EU ist. Ich freue mich darüber.
    Ich finde es verwunderlich, dass das Lager, das die Nettozahlungen kritisiert, gleichzeitig im Nebenberuf das christliche Abendland verteidigt. Das Christentum fordert aber das Teilen und nicht das Almosengeben. Bekanntlich kommen die Reichen ja nicht in den Himmel. Wenn man sich die Summe anschaut, kann man eigentlich nur von einem Almosen sprechen. Deutschland verhält sich hier also wie ein guter Moslem, denn Almosengeben ist ja bekanntlich Pflicht eines jeden Moslems. Die Verteidiger des christlichen Abendlandes wollen also nicht einmal die Anforderungen an einen Moslem erfüllen. Das verstehe Gott.

  68. Da reißt’s mir die Empörung wirklich hoch!

    Definiert sich ein „Volksangehöriger“ über ideologisches Wohlverhalten, angepasst an irgendwelche temporär zeilenschlagenden oder meinungsbildenden Definitionen?
    Steht es irgendjemandem zu, „Volksangehörige“ über deren Verhalten oder durch sein persönliches Urteil über deren Verhalten zu definieren?

    Ist nicht die Staatsangehörigkeit (und damit die Volkszugehörigkeit!) per Geburt oder Gesetz definiert?
    Wie kann sich irgendjemand erdreisten, Volkszugehörigkeit von einer Ideologie und dem Gehorsam zu dieser abhängig zu machen?

    Deutscher ist, wer als Deutscher geboren ist oder nach dem Gesetz die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.

    Eine Verhaltensbeschreibung des „wahren Deutschen (etc pp)“ kann es daher keinesfalls geben. Zu dessen Definition müsste es eine nationale Wahrheit geben, die es aber nicht gibt.

    (Ist schon recht nervig, sich mit dem Nationalismusquatsch immer noch herumschlagen zu müssen…)

    Ist echt undeutsch, „Deutschsein“ ideologisch zu definieren.

  69. Herr Flessner,

    das ist alles etwas unübersichtlich hier. Deshalb weiß ich gar nicht mehr, was für Fragen ich Ihnen gestellt hatte, finde diesen Beitrag nicht mehr!

    Sie haben sich zu früh darüber gefreut, dass es mich stören würde, dass Deutschland Nettozahler in der EU sei. Nach meiner Auffassung ist es richtig, dass Eigentum – und im übertragenen Sinn Reichtum und eine höhere Leistungsfähigkeit – sozial verpflichtet. Sei es in Deutschland oder in Europa oder im Rest der Welt.

    Was Sie über die Verteidiger des christlichen Abendlandes schreiben, darüber könnten wir einer Meinung sein. Nur glaube ich, dass hier der religiöse Aspekt keinesfalls im Vordergrund stehen sollte.

  70. @ Heinz Kircher

    Ihre Beiträge erscheinen mir recht widersprüchlich.
    Zwar betonen Sie, dass Sie den Briten nicht zum Brexit gratulieren, sagen aber am 30. Juni um 21.10 Uhr: „Haben die Briten unter dieser Prämisse (es geht um Junckers Plan, Ceta ohne Zustimmung der nationalen Parlamente durchzupeitschen) nicht das einzig Richtige getan?“ Sie formulieren das als rhetorische Frage, in der die Antwort bereits enthalten ist. Und Sie gehen sogar noch weiter, indem Sie auch uns Deutschen den Austritt aus der EU empfehlen: „Und was für die Brtien gilt, sollte für uns Deutsche etwas nicht gelten?“
    Daraus entnehme ich, dass Sie die Entscheidung der Mehrheit der Briten für richtig halten und auch den Austritt Deutschlands begrüßen würden. Oder habe ich Sie da falsch verstanden?

    Zu Ihrem Ausspruch: „Wahre Deutsche verteidigen das Volkswohl gegenüber nachrangigen Interessen.“
    Was meinen Sie denn hier mit „nachrangigen Interessen“? Etwa die der Bevölkerungen anderer Länder? Dann passt das aber nicht zu Ihrer Aussage vom 1. Juli, 2.17 Uhr: „Wichtig für mich ist, ein wahrer Mensch zu sein“. Auch Ihre Forderung vom 30. Juni, 23.52 Uhr, dass aus den Bewegungen von Migranten keine Belastungen für uns (die Deutschen) erwachsen dürfe, passt nicht zu diesem Bekenntnis, ein „wahrer Mensch“ sein zu wollen. Was ist das für eine merkwürdige Menschlichkeit, die vorrangig die eigenen Volksgenossen im Auge hat und andere Nationalitäten ausgrenzt?

    Noch kurz zu den Nettozahlungen an die EU: man glaube doch nicht, dass die deutschen Politiker, die ja vorwiegend im Interesse der Wirtschaft handeln, den vergleichsweise hohen Nettozahlungen Deutschlands aus chistlicher Nächstenliebe zugestimmt haben. Dahinter steckt doch das Wissen, dass der deutschen Wirtschaft aus dem EU-Binnenmarkt immense Vorleile erwachsen, die diese Zahlungen um ein Mehrfaches aufwiegen. Schließlich können wir unsere Autos ja nur in Länder exportieren, deren Bevölkerung sich diese auch leisten kann.

  71. Man kann den Briten auch dankbar sein für den Brexit – nicht unbedingt als überzeugter Europäer, aber als überzeugter Anhänger der repräsentativen Demokratie.
    Eine Demokratie basiert auf einer einfachen Regel: die Mehrheit entscheidet! Was aber passiert, wenn erkennbar wird, dass eine Entscheidung falsch war, und zwar so falsch, dass man sie nicht umsetzen kann. Ein Parlament kann eine solche Entscheidung korrigieren – mühsam zwar, aber es geht. Aber wie korrigiert man einen Volksentscheid? Ihn innerhalb kürzester Frist wiederholen zu lassen, ist sicher noch sinnloser als sofortige Neuwahlen, wenn ein Parlament keine Mehrheit findet. Eine Mehrheitsentscheidung des gesamten Wahlvolkes ändert sich, selbst wenn ihre Unbrauchbarkeit sofort sichtbar ist, erst in einem langwierigen Prozess. Innerhalb etwa eines halben Jahres tut sich da gar nichts, die Spanier haben es gerade demonstriert. Hoffentlich kapieren das die dortigen Repräsentanten und einigen sich.
    Die britische Politik ist zum Stillstand gekommen – doch nein, ein Ausweg deutet sich an. Einen systemkonformen Pfad aus dem Schlamassel scheint es zu geben, wenn man sich daran erinnert, dass auch die britische Demokratie eine repräsentative ist und eine andere Mehrheit als die Volksmehrheit letztlich zu entscheiden hat: die parlamentarische! Und die ist – was man hört – gegen den Brexit, nach Neuwahlen möglicherweise noch deutlicher.
    Aber wie auch immer – dank Brexit können wir heute rufen: Volksentscheid ist Mist! Das Gute an dieser Situation ist, dass diejenigen, die uns seit Jahren den Volksentscheid als einen direkteren Zugang des Wahlvolkes zu politischen Entscheidungen aufschwatzen wollen, sehr viel leiser geworden sind. Mein Standardargument gegen Volksentscheide ist seit dem heißen Herbst 1977: Wenn das Volk hätte entscheiden können, wäre nach der Schleyer-Entführung die Todesstrafe wieder eingeführt worden!

    (Anm. Bronski: Kommentar von mir eingefügt. Er ist heute als Leserbrief gekürzt im Leserforum der FR veröffentlicht unter der Überschrift „Volksentscheid ist Mist“. Der folgende Kommentar bezieht sich darauf. Bronski)

  72. Zum Leserbrief „Volksentscheid ist Mist“ von Herrn Peter Bläsing.
    Zur Todesstrafe: diese ist bereits in der Hessischen Verfassung verankert, deshalb ist mir unverständlich wieso diese 1977 per „Volksentscheid“ hätte wieder eingeführt werden sollen ?? Es ist für Sie halt schwierig, 260.000 Gesetze hinter denen sich die Herrschenden eingemauert haben, zu kennen. Nur Mut: fangen Sie mal an den Maastricht -Knebelungs-Vertrag zu lesen, viel Spaß dabei, Sie werden ihn nicht verstehen und das ist auch beabsichtigt.
    Sie meinten wohl mit dem Titel statt „Volksentscheid ist Mist“, das VOLK ist Mist !

  73. @ Henning Flessner
    „Wir kommen vom Thema ab, deshalb nur kurz. Die Quellensteuer für Kapitalerträge wurde eingeführt, weil man dadurch erreichen wollte, dass Kapitalerträge überhaupt besteuert werden und nicht immer bei der Steuererklärung «vergessen» werden. Dass es dabei zu einer Erniedrigung des Steuersatzes für Personen mit hohen Kapitalerträgen kommt, ist die unerwünschte Nebenwirkung. Man war eben der Meinung, dass etwas besser als nichts ist.“ (Henning Flessner)
    Das ist gar nicht vom Thema ab, das ist das eigentliche Zentrum:
    „Unterm Strich steht die Erkenntnis: Die Zeche zahlen die kleinen Leute.“ (Bronski) Das ist die Lage, bei der die kleinen Leute dann gepackt werden: Der Populismus funktioniert dadurch, dass einfache Lösungen für existentielle Ängste geboten werden, die wirklich da sind, dabei rede ich nicht von den Gründen für diese Ängste, sondern von Gefühlen selbst. Gefühle lassen sich lenken, am leichtesten dahin, wofür sie evolutionär einmal entstanden sind – in diesem Fall Gruppen-Gefühle, Ausgrenzung der Gefahr, die mit den anderen personifiziert wird. Ohne diese Ängste gäbe es weder AfD noch Brexit. Und diese Ängste sind eine natürliche Folge der Zunahme der Spaltung der Gesellschaft.

    Zur Quellensteuer:
    Man kann sich offenbar schon ganz lange vorzüglich weltweit über komplexe Handelsbedingungen einigen (TTIP wäre von der Politik schon unterschrieben, wenn es da kein Geschrei von außerhalb gegeben hätte), komischerweise sind weltweite Sozial- oder Umweltstandards nur dann ein Thema, wenn der komplette Kollaps in Aussicht steht. Auch das Bankgeheimnis gehört zu diesen lange nicht hinterfragten Standards: Arbeitnehmer sind für das Finanzamt gläsern, Unternehmen auch, aber da ist es Milchglas. Dazu gehört, dass „Multis“ jahrzehntelang praktisch unkontrolliert waren. Der schweizer Bankenschutz war doch nur das i-Tüpfelchen davon. Was Sie hier als Erklärung und Begründung für diese Quellensteuer nennen, ist letztlich nur die Beschreibung des selben Problemes von der anderen Seite. Was übrigens auch zu diesen nicht sinnvoll erklärbaren Geschichten gehört, wenn man nicht davon ausgeht, dass, was Sie als unwillkommenen Nebeneffekt beschreiben, doch nicht so unerwünscht ist, ist das mehr als zehnjährige Zuwarten der deutschen Regierung beim Thema Dividendenstripping (Cum/Ex-Geschäfte).

    Wir sind ja innerhalb der eigenen Republik noch beim Durchsetzen der sozialen Standards (Mindestlöhne), haben zwar einen bundesweiten Umweltstandard, aber noch keine Regelung, die den Subventionswettlauf der Kommunen und Länder um Industrie begrenzt, so dass sogar hier in der Republik die Industrie die Standorte gegeneinander ausspielen kann, ohne wirklich Verpflichtungen einzugehen, für die Subventionen, die sie kassiert. Und das jetzt fast 70 Jahre nach Gründung der Republik und ca 50 Jahre nach dem Wiederaufbau. Alles nur unerwünschte Nebenwirkungen? Die Zeiten, die vergehen müssen, bis man da etwas anpackt und der Druck, den man aufwenden muss, dass man etwas anpackt, sind mir etwas zu lang, um davon auszugehen, dass diese Effekte unerwünscht sind. Hier müssen sich die Parteien ändern – auch und gerade unsere – damit sich Europa ändern kann.

    Zum Brexit direkt: Natürlich sind Norwegen und die Schweiz der Maßstab für Neuverhandlungen und nicht das, was die Briten vorher hatten. Sie hatten bereits eine Sonderlösung durch eine erfolgreiche fortdauernde Erpressung. Es kann nicht um die Fortführung dieser Sonderlösung gehen. Alles andere wäre nur eine nachträgliche Bestätigung der Brexit-Fraktion, von deren Argumentation ja auch ein David Cameron außerhalb der direkten Brexit-Diskussion nie so fürchterlich weit entfernt war.

  74. zu @ Frank Wohlgemuth
    Ich stimme ihrem Beitrag weitgehend zu. Vor einigen Wochen habe ich hier schon gefragt: Wie viele Leute man eigentlich bestechen musste um in ein Gesetz zu bekommen das die Abgasreinigung bei Dieselautos bei + 20 Grad Celsius abgeschaltet werden darf. Ich nehme an das die Lobbyisten niemand bestechen mussten. Das haben sie aus vorbeugendem Gehorsam bekommen. Man kann immer mehr den Eindruck bekommen das man wählen kann was man will, oder auch gar nicht, die Lobbygruppen bestimmen anschließend wie es weiter geht. Jetzt muss man sich fragen wie könnte man daran was ändern? Ist das Mehrheitswahlrecht oder das Verhältniswahlrecht dafür geeignet. Ich würde die direkte Demokratie nehmen. Eigentlich haben wir mit der Schweiz ein erfolgreiches Beispiel vor der Tür. Da werden sogar Großprojekte pünktlich und zu vorgegebenen Preisen fertig.

  75. @Frank Wohlgemuth
    Ich stimme Ihnen ja bei der Analyse der Missstände zu, aber ich halte es für zu einfach immer nur zu sagen, die Politiker sind schuld und dahinter stecken dunkle Mächte.
    Es hat in der Schweiz nie eine Abstimmung über das Bankgeheimnis gegeben. Warum? Weil die Politker es unbedingt behalten wollten? Vielleicht auch deshalb, aber hauptsächlich weil 80% der Bevölkerung für die Beibehaltung des Bankgeheimnissses gestimmt hätten. Politiker machen genau das, was die Leute wollen. Traurig, aber wahr.
    Ich habe gesagt, Schweiz und Norwegen können nicht das Modell sein. Sie antworten sie sind der Maßstab. Nicht Modell, aber Maßstab??

  76. @Christel Stephan
    Bundesrecht bricht Landesrecht. Daher ist der Art. 21 der Hessischen Verfassung gegenstandlos.
    Sie haben Recht, dass man die Gesetze nicht nur kennen muss, man muss sie auch verstehen.

  77. Die Abstimmung in GB ist nicht bindend. Den Vertretern des Volksentscheides geht es aber um bindende Abstimmungen. Ich halte dies mit dem Charakter einer repräsentativen Demokratie sehr schwer vereinbar.
    Man könnte vielleicht Referenden durchführen für simple Fragen, wie z. B. soll es eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen geben. Die Frage ist verhältnismäßig einfach und hat nicht allzu große Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Aber den Riesenaufwand treiben für so eine einfache Frage?
    Für komplexe Fragen wie ein EU-Austritt sind Referenden nicht geeignet. Es muss ja jemanden geben, der den Beschluss des Referendums ausführt. In Großbritannien ist die große Mehrheit aller Politiker gegen den EU-Austritt. Sie sollen jetzt eine Entscheidung ausführen, die gegen ihren Willen gefällt wurde und die sie eventuell nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Eigentlich müssten jetzt die Politiker zurücktreten und es müssten Neuwahlen stattfinden. Was sollen jetzt die Politiker machen, die den EU-Austritt nicht verantworten können? Sollen sie nicht mehr antreten? Dann wäre es keine Wahl mehr. Sollen sie sagen, dass sie sich nicht an das Referendum gebunden fühlen, wenn sie gewählt werden. Dann hätte es ja gar kein Referendum gebraucht. Die einzige einfache Lösung ist, dass es Neuwahlen gibt und die UKIP gewinnt die absolute Mehrheit. Aber auch dann hätte es das Referendum nicht gebraucht. Dieses Wahlergebnis hätte gereicht.
    Aber Demokratie ist doch die Herrschaft des Volkes und das Volk soll entscheiden, wird oft entgegengehalten. Ich halte das für ein Missverständnis von Demokratie. Demokratie ist das Gesellschaftssystem, in dem man die Regierung loswerden kann, ohne zur Waffe zu greifen (Ich glaube, das ist von Sir Karl Popper). Demokratie ist nicht die Diktatur der Mehrheit.

  78. @ Christel Stephan um 15:38 Uhr

    Sie haben wirklich versucht, den Maastricht-Vertrag zu verstehen, indem Sie ihn selbst gelesen haben? Und Sie haben wirklich geglaubt, Sie können ihn verstehen? Oder er müsste so formuliert sein, dass Sie ihn verstehen können? Dann rate ich Ihnen: Versuchen Sie dasselbe Experiment mit einem üblichen Immobilienkaufvertrag in Deutschland.
    Es ist aus meiner Sicht absolut logisch, dass Verträge auf internationaler Ebene nicht allgemein verständlich formuliert sind. Dafür gibt es hochstudierte Juristen und Fachleute, die tagein tagaus nichts anderes tun als sich mit den Fallstricken des internationalen Rechts zu beschäftigen. Dass der Maastricht-Vertrag für den unstudierten Laien unverständlich ist, kann man der EU daher aus meiner Sicht nicht vorwerfen.
    Aber es gibt Leute, die das Zeug für uns übersetzen müssen, so dass wir es verstehen können. Diese Leute heißen Politiker. Ich glaube, Ihre Kritik sollte sich eher an deren Adresse richten.

  79. Ich werde jetzt mal persönlich. Als demnächst 71 Jähriger bin ich in den 70ern, wg. „Willy“, in die SPD eingetreten, dann in den 80ern, wegen meinem Bekennen zu den „68ern“, zu den Grünen, wg. Ditfurth, Trampert, Ebermann & Co., habe dann eine Weile pausiert. Und dann miterlebt, wie Schröder und Fischer gnadenlos das Brandt’sche und Erhard’sche Erbe rasiert bzw. einkassiert haben – mit ihrer gnadenlos neoliberalen; oder sagen wir: marktkonformen Politik. Dann habe ich es noch einmal probiert, auch aus Wut und Zorn: habe mit Gleichgesinnten, darunter viele ehem. SPDler, die WASG gegründet. Und war einer aus der Minderheit, die gegen den Zusammenschluß mit der PDS zur „Linken“ war. Wurde mir dann mehrmals bestätigt, durch das Schielen vieler Linker, auch für mich eigentlich Hoffnungsträger, wie S. Wagenknecht, nach einer „linken“ Mehrheit.

    Ich denke heute noch: was stellt man/frau sich hier eigentlich vor: das der Schwanz mit dem Hund wedelt? Mit zwei neoliberalen Parteien, mit ein paar Aushängeschildern wie Ströbele und Stegner eine „linke“ Mehrheit bilden, um das Land dann, ja wie und wohin eigentlich, zu verändern? Mit einem Gabriel, der undemokratische Spielchen treibt, um letztlich Junkers Wunsch nach einer Verabschiedung von CETA zu entsprechen?

    Und durch alle jetzt durchgelesenen Beiträge scheint mir auf, das hier immer die Sachlage und die, vermeintlichen, Sachzwänge, über einige menschliche Eigenschaften gestellt werden, als da sind: Neid, Mißgunst, Unfähigkeit oder Unwillen, zu begreifen und dazu zu lernen, oder auch Unwissen vor Folgen und Nebenwirkungen (heuchlerisch) vortäuschend.

    Die PolitikerInnen, welche ich kennen lernen durfte, teilten sich in drei Gruppen auf:

    – die Idealisten und Gutgläubigen
    – die Pragmatiker, Steigbügelhalter und Durchlavierer
    – die Profiteure, erst ein Mandat, dann ein Amt, und dann mit den Lobbyisten auskungeln, in welchem Aufsichtsrat oder welcher Stiftung, z.B.Bertelsmann, man oder frau nach dem Ausscheiden sitzen darf. Siehe Fischer und Schröder.

    Die Idealisten sind, bestenfalls, Aushängeschilder, für die vermeintlich liberale oder linke Ausrichtung. Stimmvieh vielleicht, welche, mit denen man an Parteiveranstaltungen leutselig anstößt, und ihnen auf die Schulter klopft. Und versichert: Ach mein Lieber, Du hast ja sooo Recht, ich bin ja – eigentlich – auch Deiner Meinung, und ein Altlinker, aber die Sachzwänge…Du weißt ja.

    Und die Pragmatiker grenzen von vornherein ein und aus, nach Machbarkeit. Sie tragen den Leitsatz vor sich her: Wer Visionen hat (z.B. von sozialer Gerechtigkeit) sollte zum Arzt gehen. Und sie verteidigen ihre Zustimmung zu Sauereien immer mit der Begründung: „Mehr war nicht drin, wollte doch Schlimmeres verhindern“.

    Und die Profiteure wissen genau, wo es und vor allem wie langgeht. Sie wissen, welche Ausschüsse maßgeblich sind. Sie wissen, in welchen Seilschaften und Clubs sie sich rechtzeitig anmelden müssen, um dann später vom „man kennt sich, man hilft sich“ zu profitieren. Sie kennen die Redakteure der Medien, erhalten entsprechende Einladungen, weil oft sehr eloquent und witzig. Und so ist ihr Weg auf Rosen gebettet, selbstverständlich ohne oder nur mit wenig Dornen.

    Jetzt noch Fragen, warum nicht nur in D., sondern in ganz Europa, egal ob EU oder Euro-Zone, es so ist, wie es ist?

  80. @ Bronski
    Ich habe mir den Leserbrief durchgelesen. Eigentlich kam als Argument doch nur die völlig unbewiesene Behauptung dass das Volk nach der Schleier Entführung die Todesstrafe eingeführt hätte. Wenn man so etwas einführt wie direkte Demokratie dann ist es nicht verboten aus dem zu lernen was man an anderer Stelle schon als Erfahrung gesammelt hat. Es wird wohl niemanden geben der will das 4 Wochen nach so einem Vorfall abgestimmt wird. Außerdem ist es ja nicht so das wir ein super gut funktioniertes System hätten das wir dann aufgeben. Die derzeitige parlamentarische Demokratie ist doch inzwischen eine üble Karikatur von Politik. Beispiele sind genannt. Nur keine Beispiele wie man die Politik zur Vernunft bringt. Protest wählen gab es schon vor den Flüchtlingen. Die haben das Fass nur zum überlaufen gebracht und das sehe ich als Hauptgrund für das was in GB passiert ist.

  81. Ich habe noch nicht geschrieben was ich von dem Brexit halte. In den letzten 10-15 Jahren habe ich mich schon oft gefragt was GB eigentlich in der EU will. In dieser Zeit haben sie ein Zugeständnis nach dem anderen sich erpresst. Damit haben sie natürlich auch Meinungsbildung in ihrem Volk betrieben und das über Jahre weg. Deshalb kann das Ergebnis der Abstimmung eigentlich nicht überraschen. Es ist die logische Folge der Politik die sich nicht zuletzt wegen dem Mehrheitswahlrecht nie geändert hat. Da waren nie EU Befürworter an der Macht. Jetzt haben die Parteien das Problem das es irgendwann zu Wahlen kommt. Wenn sich die beiden großen Parteien jetzt entschließen den Brexit nicht umzusetzen und dann sie von 12 Millionen nicht mehr gewählt werden dann kann es passieren das sie dank des Mehrheitswahlrechts nicht mehr im Parlament sind.

  82. Ich bin immmer noch ein Träumer. Zu meinen Träumen gehört auch eine gewisse Vorstellung eines gerechten und solidarischen Europa. Da wären für mich:

    1. Überlege Dir, inwieweit Dein Vorteil, für den Du kämpfst und streitest, der Nachteil, vor allem in sozialer Hinsicht, eines Anderen ist.

    2. Frage Dich bei allen Aktionen: Qui bonum – wem nützt es? Nur weil es eine Mehrheit ist, muß nicht bedeuten, das auch alle profitieren. Und Minderheiten genießen nicht automatisch Schutz – es könnte ja eine Minderheit von Millionären sein.

    3. Wenn wir Parteien, Parlamente und daraus resultierende Politik bzw. Gesetze und Entscheidungen gutheißen oder zumindest tolerieren – wie gehen wir dann mit den Folgen und Nebenwirkungen um? Wenn unsere Fischfangflotten die Fanggründe vor der westafrikanischen Küste leer fischen, unsere hoch subventionierte Agrarwirtschaft die Lebensgrundlagen von Bauern in anderen Ländern vernichtet, unsere Rüstungskonzerne – Achtung! Arbeitsplätze, Steuern und Umsatz (und Gewinne für Aktionäre) in Spannungsgebiete (und Gebiete, die dann erst Spannungs- und Kriegsgebiete werden) wunderbare Waffen liefern, und sich die Menschen auf den Weg machen, z.B. zu uns, weil es zuhause nicht mehr auszuhalten ist und Tausende sterben, haben wir dann das Recht, sie zurück zu weisen?
    4. Wenn unsere Konzerne anstelle von die Umwelt schützenden Techniken genau das Gegenteil vertreiben und herstellen, siehe Diesel-Skandal – wer trägt dann die Verantwortung, wenn ein Normalbürger ein Lungenleiden bekommt?
    5. Wenn sich die Lobby durchsetzt, z.B. bei Stuttgart 21, die Erträge für die frei werdenden Grundstücke in die eigene Tasche schaufelt, aber „njet“ sagt, wenn es um die Beteiligung an den aus dem Ruder laufenden Kosten geht, alles paletti?
    6. Und wenn Otto Normalverbraucher weiterhin alle Medien fördert, z.B. die deutsche „Sun“ alias BILD-Zeitung, kräftig die Bertelsmann-Medien wie PRO7 und RTL schaut, und dann anhand dieser supertollen Infos Entscheidung fällt – wer ist dann verantwortlich, wenn irgendwann Parteien wie AfD – Petri Heil – in der Regierung sitzen?

  83. ausgelöst durch den Kommentar von Henning Flessner noch eine Ergänzung:

    Ich war mehr als zwei Jahrzehnte in einem internationalen Konzern tätig, und habe auch dort erfahren, wie es um die Demokratie, die Teilhabe und das Engagement, von dem ja so viel geredet wird, bestellt ist.

    Ein Vorgesetzter, mit dem ich das jährliche Personal- und Einstufungs/Förderungs-Gespräch hatte, sagte mir einmal: „Ganz offen, Herr F., Sie sind ein hervorragender Sachbearbeiter, der seine Benotung immer verdient, aber Sie selbst verbauen sich Ihre Chancen auf Karriere. Sie würden sich als Second-Liner eignen, also Richtung mittleres Management. Aber durch Ihre Tätigkeit im Betriebsrat, und außer Haus diverse politische Aktivitäten, sehen wir Sie dahin gehend etwas „sperrig“. Mir war eben nicht nur der Gesamtgewinn wichtig, sondern auch die 24-Stunden-Schichten der Lagerarbeiter oder der Pförtner. Die mochten mich, und sind mit mir Bier trinken gegangen.

    Ich habe es nie bereut. Das Einkommen hat gereicht, und statt Mercedes oder BMW stand dann eben ein Nissan Micra in der Garage.

  84. noch ein Nachklapp: Schon mal aufgefallen, das Trump und Johnsohn anscheinend den selben Friseur aufsuchen? Wohl berechtigt, weil es nichts gibt, was wahrlich intelligente Menschen verunstalten könnte.

  85. Ist schon absurd/tragisch/lustig, wie viele, auch ich, auf den Mythos hereinfallen, das „Volk“ hätte die Nationalsozialisten gewollt oder gar gewählt. Aus dieser Vergangenheit rührt doch wohl das Mißtrauen gegen Volksentscheide und die direkte Demokratie, oder sehe ich das falsch?

    Da muß wohlklargestellt werden, daß die Nationalsozialisten sich derselben Manipulationstechniken bedient haben, derer sich alle anderen Machtbesessenen zuvor und danach auch bedient haben.

    Letztlich werden wir noch immer für dumm verkauft: Einen einheitlichen „Volkswillen“ gibt es nicht und braucht es auch nicht zu geben. Die Realität ist groß genug für alle Unterschiede.

    Es käme darauf an, dem Volk zu sagen, was es nicht wollen darf. Dann würde mehr Vernunft einziehen in die Debatte.
    Was man nicht wollen darf, gilt für alle, dahinter beginnt die Freiheit.

  86. Frau/Herr BvG,

    eigentlich hatte ich auf die Versuche von Frau Ernst eingehehen wollen, mich anhand meiner Widersprüchlichkeiten in Erklärungsnot zu bringen. Aber dazu habe ich nun keine Lust mehr, nachdem ich all die Kommentare gelesen hatte, die auf Frau Ernsts Kommentar folgen. Meine Aussagen sind in diesem Wust von hanebüchenen Argumenten einfach nur noch irrelevant.

    Zu schlechter Letzt bin ich an den letzten drei Sätzen Ihres Kommentars vom 2. Juli, 22:07 Uhr hängengeblieben: „Es käme darauf an, dem Volk zu sagen, was es nicht wollen darf. Dann würde mehr Vernunft einziehen in die Debatte.
    Was man nicht wollen darf, gilt für alle, dahinter beginnt die Freiheit.“

    Ich habe keine Vorstellung davon, an welche Art von höherer Macht Sie glauben. Aber eine bessere Legislative als die demokratische kann ich mir nicht vorstellen.

  87. @BvG
    Ich bin aus ganz praktischen Gründen gehen Volksentscheide. Ich habe mir das lange genug in der Schweiz angeschaut.
    Man wählt eine Regierung und dann entscheidet man sich im nächsten Volksentscheid genau für das Gegenteil dessen, was diese Regierung will und der Stillstand ist da.

  88. Natürlich wäre es für die EU besser wenn GB ein normales Mitglied wäre wie Schweden z. B. Für GB wäre das auch besser nach meiner Meinung, aber das will GB nicht. Auch die EU Befürworter wollen das nicht. Dann sollten sie halt besser heute als morgen gehen. Das die Mehrheit der jungen Menschen in GB das nicht will ist auch so eine Falschinformation. Die Mehrheit war nicht wählen.

  89. @ Henning Flessner
    „Ich stimme Ihnen ja bei der Analyse der Missstände zu, aber ich halte es für zu einfach immer nur zu sagen, die Politiker sind schuld und dahinter stecken dunkle Mächte.“ (Henning Flessner)
    Da sind wir dann nicht weit auseinander: Ich habe weder von Schuld noch von dunklen Mächten geschrieben. Wovon ich geschrieben habe das sind reale finanzielle Abhängigkeiten der Parteien von Großspendern und die subjektive Abhängigkeit, die sich daraus bei den einzelnen Politikern ergibt und soetwas wie einen vorauseilenden Gehorsam erzeugt.

    „Politiker machen genau das, was die Leute wollen.“ (Henning Flessner)
    Damit erklären Sie mal die berühmten Steuervergünstigungen für Hoteliers unter der CDU-FDP-Regierung. Derartige Extrembeispiele lassen ganz gut die „Strategien“ erkennen, nach denen entscheiden wird. Ich würde es deshalb eher so formulieren: Politiker folgen ihrer ideologischen Grundausrichtung oder den gefühlten finanziellen Sachzwängen ihrer Partei genau so weit, wie sie meinen, dass es ihrer Wiederwahl nicht hinderlich ist. (Das läuft nicht unbedingt bewusst ab, deshalb die „“ bei den Strategien)

    Aber diese Grenzen sind nicht allgemein festzulegen, sondern länderabhängig. So haben die Franzosen anders als wir die historische Erfahrung, schon mal eine Regierung erfolgreich mit Gewalt aufgelöst zu haben. Da ist das Volk viel eher bereit, das Land lahmzulegen bzw. in Aufruhr zu versetzen. Bei denen hat – im Gegensatz zu uns – „die Straße“ und damit die Gewerkschaft als deren Organisation eine völlig andere Stellung als bei uns. Das ist auch die Antwort auf diese Frage:
    „Der Mindestlohn ist eine nationale Sache, keine Sache der EU. Frankreich hat ihn schon lange. Dabei frage ich mich, welche Industrielobby den eigentlich durchgesetzt hat.“ (Henning Flessner)

  90. @Frank Wohlgemuth
    Ich habe mich falsch ausgedrückt. Ich meinte den deutschen Mindestlohn. Ich habe hier im Blog gelernt, dass die Gesetze in Deutschland von der Industrielobby gemacht werden. Ich versuche zu verstehen, warum die deutsche Industrie unbedingt den Mindestlohn einführen wollte, wo sie doch immer gesagt haben, dass er die Arbeitslosigkeit erhöht. Man könnte natürlich annehmen, dass die Unternehmer möglichst hohe Arbeitslosigkeit wollen und deshalb die Regierung bestochen haben, um den Mindestlohn einzuführen.

  91. Ausgelöst durch den BREXIT (oder besser:verstärkt) Entscheid wird ja derzeit wieder debattiert und diskutiert, welches Europa, welche EU, welche Euro-Zone wir Menschen in diesem Raum eigentlich wollen. Die einen wollen vertiefen, die anderen eher zurück zu einem Staatenverband mit mehr Eigenständigkeit der einzelnen Regierungen. Ich sehe hier die Kluft eher darin, wie in den Ländern mit den einzelnen -ismen umgegangen wird.

    Da haben wir die Hauptform des Marktkapitalismus, auch geläufig als marktkonforme Demokratie (ein Unding, weil eine Demokratie nie „marktkonform“ sein sollte und darf – und damit auch nicht mehr ist, weil hohl. Fürnehm wird diese Form auch gerne „neo“-liberal(ismus) genannt, wobei hier das „neo“ wichtiger ist als das „liberal“, weil es sich eher um eine pervertierte Form von Liberalismus handelt.

    Da haben wir vereinzelt noch Vorstellungen eines demokratischen Sozialismus, welcher aber durch den realen Sozialismus bzw. den „gelenkten Staat“ nur noch eine Hülle ist. Wir haben populistisch bis hin zum Faschismus agierende Systeme und Staaten. Und wir haben

    Wir in Deutschland sind inzwischen, dank Fischer, Schröder, und weitergeführt durch Merkel und Schäuble, marktkonform und neoliberal bis zur Schmerzgrenze geworden. Wir brüsten uns, innerhalb der EU der größte Nettozahler zu sein, vergessen darüber aber, das wir mit unseren – durch den für uns eigentlich zu billigen und für die meisten anderen zu teuren EURO – mit unseren Exporten das Mehrfache wieder reinholen, und so die Bilanz schon längst nicht mehr stimmt. Entgegen den Willen vieler haben wir erweitert, Richtung Osten und Süden. Richtung Osten hat etwas mit dem Kotau vor dem großen Bruder überm Teich zu tun, Stichwort NATO und Osteinkreisung des bösen und ach so kriegslüsternen Rußlands. Die USA kostet es ja nichts. Und wir machen, aufgrund des faulen Flüchtlingsdeals, der Türkei Hoffnungen auf einen Beitritt. Einem Land, welches sich in Richtung Religions-Diktatur bewegt. Bei einem Beitritt hätten wir dann auch noch alle Folgen und Nebenwirkungen bis hin zu Kopftuchträgern und Verschleierten mit islamistisch geprägten Ansichten, wie ein Staatsgebilde auszusehen hätte. Hier sehen viele ihr Heil und ihre Chance nur darin, jetzt Richtung Populismus zu marschieren.

    Und die Staatsvorstellungen einer wahren, sozialen, laizistisch geprägten Demokratie, die es bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts noch gab, gingen und gehen, sofern noch Restbestände, über die Wupper. Meine Vorstellung ist ein Europa der Regionen, weil mir und vielen Freiburgern ein Straßburger wohl näher ist als einer aus Leipsch oder Dräsdn, womöglich noch mit PEGIDA-Orientierung.

    Freistaaterei haben wir im Lande genug, und Querschiesser, z.B. aus München, wo ja in Thatcher’scher Manier auch gerne in Berlin mit „Mir wolls unser Geld zurück“ vorgefahren wird.

    Und Lobbyisten gibt es in Berlin zuhauf, da braucht es nicht noch ein paar Tausend zusätzlich in Brüssel, vor allem nicht solche aus Ankara oder – Gott bewahre – der korrupten Ukraine.

    Ein Gutes dürfte der Brexit jetzt haben. Brüssel und andere Hauptstädte sind mit den möglichen Folgen beschäftigt und geben uns somit noch eine Frist bis zur nächsten Dummheit: der Verabschiedung von CETA und TTIP.

  92. Als annähert wahrer Deutscher (Sohn von Vertriebenen) muss ich also Wert auf Gewinn für mein der (Europäischen) Gemeinschaft gezahltes Geld legen. Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass über 70 Jahre Frieden eine angemessene Dividende für uns und unser Land sind. GB ist Nettozahler wie D. Ca. 6 Mrd. € werden von ca. 60 Mio. Briten in den EU Topf bezahlt. Ist der Mehrheit der Briten der Friede keine 100€ wert, oder liegt es an den Bestimmungen unter denen Volksbefragungen abgehalten werden? Eine kleine Änderung hätte schon eine große Wirkung: Das Ergebnis wird nicht an der Zahl der Wähler, sondern an der Zahl der Wahlberechtigten gespiegelt. Gehen nur 49% zur Wahl muss nicht einmal ausgezählt werden. In GB hätten die Befürworter des BREXIT auch nur ca. 40% bekommen.

  93. Sehr geehrte Damen und Herren Redakteure von der FR,

    ich bedanke mich für den ehrlichen Artikel aus der Frankfurter Rundschau, Seite 15, vom 2./3. Juli 2016:
    mit dem Titel „Britische Bischöfe beklagen moderne Sklaverei“ „Osteuropäische Migranten in der Landwirtschaft / Zahlreiche Bordelle entdeckt.“

    Dieser Artikel offenbart schreckliche Zustände im Osten Englands: es handelt sich um einen Bericht des Online-Portal Independent Catholic News (CN).
    Dabei geht es um Ausbeutung und Dumpinglöhnerei in der Landwirtschaft, Bandenkriminalität, die Schutzgelder von Immigranten erpressen, Schulden, Scheinehen, Bordelle in Privathäusern etc.

    Die Schattenseiten der Freizügigkeit sollte man nicht verschweigen. Auch hier in Frankfurt ist nicht nur die Drogenkriminaliät, sondern auch die allgemeine Kriminalität angestiegen.

    Vielleicht kann man vor diesem Hintergrund den Brexit besser verstehen. Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten.

    Das sollte man nicht verschweigen.

    Sie als FR haben es nicht verschwiegen. Dafür gebührt Ihnen mein Dank.

  94. 1. Frank Wohlgemuth sagt:
    3. Juli 2016 um 11:35
    @ Henning Flessner
    Sie sagen:
    „Damit erklären Sie mal die berühmten Steuervergünstigungen für Hoteliers unter der CDU-FDP-Regierung. !“
    Meine Antwort: Bitte lesen Sie mal das Impressum dieser Zeitung, dann werden Sie sehen, dass das Zeitungsexemplar der FR am Kiosk ebenfalls nur mit 7 % MWSt belastet ist und nur die Online Version mit 19%.
    Also wer hat eine (jahrelange) Steuersubvention erhalten, der Gast des Hoteliers oder der Leser dieser Zeitung ???

  95. @ Christel Stephan
    „Bitte lesen Sie mal das Impressum dieser Zeitung, dann werden Sie sehen, dass das Zeitungsexemplar der FR am Kiosk ebenfalls nur mit 7 % MWSt belastet ist und nur die Online Version mit 19%.
    Also wer hat eine (jahrelange) Steuersubvention erhalten, der Gast des Hoteliers oder der Leser dieser Zeitung ???“ (Christel Stephan)

    Der Gast des Hoteliers kaum – ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, dass damals die Hotelpreise entsprechend gefallen sind.

    Wir sollten zur Beantwortung dieser Frage doch einmal in die Geschichte sehen: Als man 1968 mit der „Märchensteuer“ anfing, war man sich einig darüber, bestimmte Dinge des täglichen Bedarfs nicht so hoch zu besteuern, es ging darum, den Grundbedarf am unteren Ende der Einkommensskala weniger zu belasten. Dazu gehörten neben Lebensmitteln auch Kulturgüter und Informationsträger wie Zeitungen – politische Information gehört in einer Demokratie zum Grundbedarf. Dazu gehörten aber nicht Dienstleistungen wie das Zur-Verfügung-Stellen von Hotelraum.

    Dass die gedruckte FR den ermäßigten Satz hat, ist also im Sinne der Erfinder. Es ist andersherum unverständlich, warum die Onlineversion als die identische Informationsleistung nur auf einem anderen Verteilerweg nicht unter den ermäßigten Satz fällt.

  96. Brexit, oh Brexit.

    Der Grundsatz aller Lemminge sei, zu prüfen, ob ihr Vorläufer einen Gleitschirm, Fallschirm oder eine Bungeerope mit sich führt.

    Aber nun ist jedenfalls die Möglichkeit eröffnet, von der eigenen Meinung jederzeit zurückzutreten.

    Welcome back, here’s your BRENTRANCE !

  97. @ Christel Stephan, Frank Wohlgemuth

    Ich möchte kurz einwerfen, dass die Regelung bei der Mehrwertsteuer suboptimal ist, aber dafür können wir als Zeitung nichts. Die Steuerpolitik hat hier meines Erachtens noch nicht die richtigen Antworten auf die digitale Ära gefunden. Sie bewertet Online-Content nicht als Presseerzeugnisse, sondern als digitale Dienstleistungen. Das beschränkt sich nicht auf Zeitungen. Für Bücher gilt ebenfalls der ermäßigte Steuersatz, für E-Books hingegen der volle. E-Books sind eben keine Bücher, und iPad-Ausgaben der FR sind keine Zeitungen. Das hat vor gut einem Jahr sogar der EuGH geurteilt und damit viel Kopfschütteln ausgelöst. Die EU-Kommission will darauf reagieren und den Weg frei machen für eine technologieneutrale Erhebung der Mehrwertsteuer. (Hier ein Bericht dazu auf Buchreport.de von 2015.) Vor einigen Monaten hat der Bundesfinanzhof wiederum geurteilt, dass Buch und E-Book steuerrechtlich nicht gleichzustellen seien. Die Gemengelage ist also undurchsichtig, aber es gibt seitens der Bundespolitik anscheinend den Willen, die Angelegenheit endlich zu regeln.

  98. Weiter gedacht, sollte die Entscheidung, der EU anzugehören, gar keine kollektive, sondern eine individuelle Entscheidung sein.

    Alles, was es dazu braucht, ist ein europäischer Pass.

  99. @ BvG
    Sie übersehen gerade etwas Wesentliches, was regelmäßig auch bei der UN übersehen wird:

    Sowohl EU als auch UN sind keine Nationen, sondern vertragliche Zusammnschlüsse von Ländern, also Regierungen.

    Von beiden ist also nichts zu erwarten, was dem Interesse einzelner Regierungen widerspricht.

  100. @Wohlgemuth
    Weiß ich.
    Aber was spräche dagegen, jeden einzelnen Bürger, der es will, einen Vertrag mit der EU schliessen zu lassen?

  101. Hallo Herr Flessner. Habe da was auf Ihre Aufforderung vom 29.6. um 17:01 Uhr hin nachzutragen, obwohl Herr Wohlgemuth für mich bereits in die Bresche gesprungen war, wie ich lesen konnte (sorry; konnte einige Tage nicht online sein). Einige Beispiele:
    1. Ohne Führerschein in D fahren können (Bay. VHG vom 3.11.2011 AZ 11 C 10 2938; Az 11 CS 102939 und 11 C 10 2940)
    2. Verfahren wegen Gewalt, Nötigung und Vergewaltigung musste eingestellt werden; Thema „Istanbul-Konvention“
    3. http://www.attac.de: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatte in ihrem Maßnahmenkatalog vorgeschlagen, dass große Konzerne jährlich in einem Bericht offenlegen müssen, in welchen Staaten sie aktiv sind und wieviel Umsatz, Beschäftigte, Investitionen, Gewinne und Steuern in dem jeweiligen Land anfallen (Country-by-country-reporting/CbCR). Das Europaparlament votierte mit großer Mehrheit (Konservative, Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grüne, Linke gegen Liberale und Nationalisten) für die Einführung von CbCR. Auch die Regierungen von Frankreich und Großbritannien unterstützen das, anders als Deutschland. „Aus Kreisen des Bundesfinanzministeriums ist zu hören, dass deutsche Konzerne stark Druck auf die Regierung ausüben“, berichtete Karl-Martin Hentschel. „Kein Wunder: Deutsche Konzerne betreiben selbst massiv Steuervermeidung, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern wie China und Indien. Sie befürchten, dass sie dann dort mehr Steuern zahlen müssen.“
    4. FAZ vom 2.7.2016: Steuervermeidung kostet EU-Länder viele Milliarden, weil Konzerne den Fiskus umgehen …….
    5. FR vom 29.7.2014 „Thema Patentbox“; Lizenz zum Steuersparen…… Deutschland will Gesetz schaffen, um Unternehmen zu entlasten !!! (Bsp.: IKEA und andere).
    6. http://www.finanzen.de/news/17256/bundesrat-billigt-antikorruptionsgesetz-trotz-schwachstellen
    7. https://walls.io/NichtMeinGesetz Teilhabegesetz, das verabschiedet werden soll…… Gottseidank noch Zukunft – aber sicher bin ich mir da nicht !!!! (… wer mit einem behinderten Menschen in einer Partnerschaft lebt und zusammen wohnt, muss so lange alle Hilfen für den Partner zahlen, bis er selbst weniger als € 25.000,00 besitzt. Z. B.: weg sein können: geerbtes Elternhaus, Lebensversicherung (§ 140I SGB IX)
    8. FR vom 22.6.2016 und Spiegel online am 1.6.16 bzgl. Gesetz zur Leiharbeit …. Dass nach 9 Monaten MA gleichen Lohn erhalten soll, wie Normalangestellter (auch Thema „Werkvertrag“).
    9. Riesensauerei „Shared Deal“. Spiegel vom 21.5.16 Seite 38. ….. Häuslebauer zahlen brav Grunderwerbsteur; Immobilien ab ca. 5 Mio. können mit Tricks umgangen werden (ist gerade „der“ Hype, um Steuern zu sparen !!!! Hier entgehen dem Staat derzeit ca. bis zu 1 MRD an Steueraufkommen….
    10. FR heute Seite 12: Gesetz zur Etikettierung von Lebensmitteln ….. lt. Bericht dort scheint es möglich, dass in Geflügelwurst Schweinefleisch drin sein kann (nicht nur, dass man da fast kotzen muss, ich denke da nur an die „ethischen“ Themen wie die, dass in bestimmten Religionen kein Schwein gegessen werden darf oder soll!!!)
    11. EEG; hier werden die Kosten ungehemmt erhöht, obwohl Überangebot an Strom herrscht und die Börsenpreise fast um die Hälfte gefallen sind.
    Aus meiner Sicht sind das im Wesentlichen Gesetze mit Lücken, die bewusst offen gelassen wurden, oder aber dass hier Riesenschlampereien der Administration vorliegen. Sollte mal ausreichend sein. Bei Bedarf gern mehr.

  102. @bun
    Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen Ihren „Belegen“ und Ihren Behauptungen. Aus der Tatsache, dass der Käse Löcher enthält, zu schliessen, dass der Käsehändler mich über den Tisch ziehen will, läuft bei mir unter Verschwörungstheorie.

  103. @ Henning Flessner

    „Aus der Tatsache, dass der Käse Löcher enthält, zu schliessen, dass der Käsehändler mich über den Tisch ziehen will, läuft bei mir unter Verschwörungstheorie.“ (Henning Flessner)

    Um Sie bei diesem Bild zu nehmen:

    Die Löcher gehören beim (Schweizer) Käse so sehr mit zum Produkt, dass sogar erhebliche Anstrengungen unternommene werden, um sie zu erzeugen, nachdem die moderne Fertigungstechnik ihnen durch die hohe Sauberkeit den Garaus gemacht hatte.

    Die Lücken sind beim Käse also Produkteigenschaften, denen dadurch Rechnung getragen wird, dass Käse nach Gewicht verkauft wird und nicht nach Volumen.

    Das Gewicht eines Gesetzes ist, ob es regelt, was es regeln soll.

    Ich gebe Ihnen Recht darin, dass Fehler passieren können. Ein solcher Fehler führte zu der Möglichkeit der Cum/Ex-Geschäfte. Der kostete Milliarden. Wenn er nicht gewollt war: Warum wurde mehr als 10 Jahre zugewartet, bevor man versuchte, ihn abzustellen. Es wurde dafür mehrmals behauptet, dass das Gesetz richtig sei und die gezahlten Gelder zurückerstattet werden müssten, aber die Gerichte sagten dann, dass das Gesetz so sei und diese Geschäfte also Rechtens. Das war die Waage, die da sagte „Beschiss“.

    Ich nehme an, Sie wissen, warum Sie auf dieses Beispiel nicht geantwortet haben.

    Ich bekomme jetzt nicht mehr aus dem Stegreif zusammen, welche internationalen Konstrukte da genutzt wurden (werden?), aber es ist bekannt, dass z.B. IKEA über Jahrzehnte praktisch keine Steuern in Deutschland bezahlt hat. Wenn das nicht gewollt ist: Warum dauert das so lange, das abzustellen?

  104. Vorgestern vermeldete der britische Finanzminister, dass er die Unternehmenssteuern senken werde, wohl um den befürchteten Massenexodus von Firmen aus GB zu stoppen bzw. neue Anreize für Firmenniederlassungen zu bieten. Das dadurch entstehende Loch im Finanzhaushalt soll durch Kürzungen im Sozialbereich wettgemacht werden. So schnell bekommen die Brexiteers aus den unterprivilegierten Bevölkerungsschichten die Quittung für ihre undurchdachte Entscheidung. Jetzt wäre es eigentlich an der Zeit für den britischen Steuerzahler, in Richtung eigene Regierung (und nicht EU) zu rufen: „I want my money back!“

  105. @Frank Wohlgemuth
    Ich habe auf das Bespiel Cum/Ex-Geschäfte nicht geantwortet, weil ich nicht weiß, was das ist und ich zu faul bin, mich da einzuarbeiten. Ich möchte hier auch keine Diskussion über (den Unsinn des) Steuerwettbewerb beginnen.
    Sie werden ihre Theorie nicht beweisen können und ich werde sie nicht widerlegen können.
    Ich denke, es ist mehr eine Sache der Lebenseinstellung. Ich gehe immer erstmal davon aus, dass jeder Mensch sein Bestes tut. Andere haben andere Erfahrungen gemacht und haben andere Einstellungen. Ich möchte es gerne dabei belassen.

  106. @Brigitte Ernst
    Dieser Steuerwettbewerb ist natürlich ein totaler Unsinn. Er könnte zumindestens in der EU beendet werden, wenn sich die einzelnen Nationalstaaten dazu bereit erklären würden. Ich habe da aber keine grosse Hoffnung. Ein Blick in die Schweiz unterstützt meinen Pessimismus. Dort hat jedes Dorf unterschiedliche Steuersätze mit dem Ergebnis, dass die Steuersätze im „Armenhaus“ Jura doppelt so hoch sind wie im reichen Kanton Zug. Die SP fordert schon seit langem eine Steuerharmonisierung, aber ohne grosse Resonanz in der Bevölkerung.

  107. Dividendenzahlungen an Aktionäre müssen von diesem Aktionär privat versteuert werden, jedoch hat das Unternehmen diese Dividendengewinnausschüttungen bereits schon versteuert, es liegt also eine Doppelbesteuerung vor.
    Cum ist der Aktienwert mit Dividende, Ex ist am Tag nach der Auszahlung der Kurswert der Aktie ohne Dividende.
    Da Inländer steuerpflichtig sind, verleiht man die Aktien mit Dividenenschein für diesen 1 Tag an Ausländer, die darauf keine Steuern zahlen müssen, um Doppelbesteuerung zu vermeiden: Unternehmensgewinn aufgeteilt pro Aktie wurde 1.) beim Unternehmen und 2.) bei der Privatperson versteuert. Ganz einfach. Oder wollen Sie als ausländischer Aktionär mehrfach Steuern bezahlen ?

  108. An Herrn Ulrich Mohr, Leserbrief vom 5.7.2016, Seite 20

    Was wollen Sie uns damit sagen ? Ein „Amerikaner“ meint, wir sollen „Supermacht“ oder Weltmacht werden und Ihrer Ansicht nach soll die Elite/Politik dies den jungen Leuten bei der nächsten Wahl positiv vermitteln. Oder habe ich das falsch verstanden ?

    Glauben Sie die jungen Leute in Deutschland wollen als Weltmacht oder Supermacht wieder militärisch eingreifen und sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischen, wieder Kriege führen und nach Mali, Afghanistan, Kosovo oder die Ukraine in den Krieg ziehen. Das glauben Sie doch selber nicht ? Ich sehe eher einen Zusammenhang damit, dass die USA erst kürzlich von der EU erhebliche zusätzliche Militärausgaben gefordert haben und die USA sich einen Teil dieser staatlichen zusätzlichen Aufträge an Rüstungsfirmen über TIPP unter den Nagel reißen wollen, einen der am stärksten wachsenden Sektoren in den USA mit der höchsten Rendite ohne jegliches Risiko. Die Kollateralschäden (Flüchtlinge) werden auf den europäischen Steuerzahler umgelegt.

    Zum Brexit: die Engländer können aufgrund der fehlenden Sprachbarriere mit den USA viel mehr Zeitungen lesen und Informationen bekommen als ein Deutscher, der sich mühsam die internen englischen Sprachregelungen zusammensuchen muss, insbesondere juristische Finessen.

    Glauben Sie, es ist der Sinn des Lebens unserer Kinder alle Armenhäuser dieser Welt zu finanzieren ?

  109. Leserbrief Brexit

    Als in der Schweiz über die hochemotional betriebene sog. „Ausschaffung“ von Aus-ländern abgestimmt werden sollte, rafften sich die verantwortlichen Eliten rechtzeitig auf zu einer entschiedenen, professionell durchgeführten und daher höchstwirksamen Aufklärungskampagne. Fakten und Argumente waren fortan nicht mehr durch Lautstärke zu übertönen; am Ende obsiegten in der bedächtigen Schweiz Vernunft und Anstand. Ein Brexit wäre Europa wohl erspart geblieben, hätten die Verantwortlichen in der ältesten Demokratie Europas ähnlich planvoll und zielbewusst Zeichen gesetzt gegen Ignoranz und aufklärungsresistente Emotionalisierung.
    Was lernen wir daraus? Von den Schweizern lernen, heißt überzeugen lernen. Lügen und Halbwahrheiten muss man laut und vernehmbar entgegentreten. Populisten muss die Lufthoheit entzogen werden, quer durch alle Redaktionen und sozialen Medien. Politiker müssen in Eintracht Flagge zeigen. Es genügt nicht, wie die Engländer vor einer wichtigen Entscheidung sich auf Boulevard-Niveau zu informieren – wie etwa über den seit Schulzeiten unterhaltsam ausgetragenen Hahnenkampf zwischen Boris Johnson und David Cameron.
    Und wie in Deutschland mit biedermännischer Betulichkeit zu reagieren, wenn die Brandstifter schon unterwegs sind, wird Europa auf Dauer nicht retten. Hierzulande behaupten selbsternannte Wutbürger auf Marktplätzen in Dresden, Erfurt und anderswo, sie seien das Volk. Statt mit einer längst fälligen, durchdachten und planmä-ßigen Aufklärungskampagne dagegen zu halten, verharrt in Deutschland eine halbherzige Politik in Verzagtheit und der Furcht, man könnte mit klaren Worten ein paar Wähler verlieren – und tut lieber nichts. Längst ist es bei uns so weit, dass das Wutgeheul von Minderheiten vernehmbarer geworden ist als die Stimme der Vernunft. Die Eliten in Deutschland lassen zu, dass wieder laut von der guten alten Zeit ge-träumt wird, die für manche bis 1945 dauerte.
    Auch das muss gesagt werden: Die Europa-Euphorie der Anfänge wird sich erst wieder einstellen, wenn Brüssel begreifbarer wird, wenn es sich zurückzieht auf seine Kernaufgaben, wenn es endlich ablässt von einer Ökonomie, die Wohlstand und Erfolg immer ungleichmäßiger und ungerechter verteilt, als wäre wachsende Armut hinzunehmendes Naturgesetz. Als wären TTIP und CETA, die anonymen „Schiedsgerichten“ die Abschaffung unserer Vorsorge-Standards ermöglichen sollen, der Weisheit letzter Schluss.
    Warum wohl rief letzte Woche in einer großen deutschen Wochenzeitung der Amerikaner Steven Hill dem alten Europa in einer Ruckrede zu: „Du bist super – gewöhn´ dich dran! Innovativ, sozial, nachhaltig: Europa ist eine Supermacht. Warum fällt es euch so schwer, das zu begreifen?“ Wer von unseren Eliten, so fragt man sich, wird wohl solchen Tenor in den kommenden Bundestagswahlkampf tragen?

    (Anm. Bronski: Leserbrief als Kommentar veröffentlicht)

  110. „Dividendenzahlungen an Aktionäre müssen von diesem Aktionär privat versteuert werden, jedoch hat das Unternehmen diese Dividendengewinnausschüttungen bereits schon versteuert, es liegt also eine Doppelbesteuerung vor.
    Cum ist der Aktienwert mit Dividende, Ex ist am Tag nach der Auszahlung der Kurswert der Aktie ohne Dividende.
    Da Inländer steuerpflichtig sind, verleiht man die Aktien mit Dividenenschein für diesen 1 Tag an Ausländer, die darauf keine Steuern zahlen müssen, um Doppelbesteuerung zu vermeiden: Unternehmensgewinn aufgeteilt pro Aktie wurde 1.) beim Unternehmen und 2.) bei der Privatperson versteuert. Ganz einfach. Oder wollen Sie als ausländischer Aktionär mehrfach Steuern bezahlen ?“

    Interessante Darstellung, die aber leider unvollständig ist.

    Ich stelle da der Einfachheit wegen die Dastellung aus Wikipedia gegenüber:
    „Unter Dividendenstripping wird börsentechnisch die Kombination aus dem Verkauf einer Aktie kurz vor dem Termin der Dividendenzahlung und Rückkauf derselben Aktie kurz nach dem Dividendentermin verstanden. Ist der Verkäufer bei einem Verkauf kurz vor diesem Stichtag (noch) nicht Eigentümer der Aktie (Leerverkäufer) und wird die Aktie kurz nach dem Dividendenstichtag geliefert, spricht man auch von einem Cum/Ex-Geschäft oder Cum-ex-Trade. Bei Cum/Ex-Geschäften kam es in der Vergangenheit in großem Umfang zu bewusst herbeigeführter mehrfacher Erstattung von nur einmal abgeführter Kapitalertragssteuer. Ob hierbei der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt wurde oder eine legale Steuergestaltung genutzt wurde, ist umstritten.“
    Ein sehr interessanter Artikel.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Dividendenstripping

  111. @ Bronski
    Den Leserbrief habe ich in der FR schon gelesen. Ich kann dem nur zustimmen. Man sollte allerdings bedenken das die Schweiz ein Land ist dessen Bevölkerung über Erfahrung in solchen Abstimmungen verfügt. Das Volk weiß das es kein Spaß sondern sehr Ernst ist wenn man abstimmt. Protestwahlen wird es da eher weniger geben und die Menschen wissen sich zu informieren. So eine Abstimmung mit einem Volk zu machen das damit keine Erfahrung hat, sondern eher gegenteilige, war mutig um nicht zu sagen dumm. Es spricht aber grundsätzlich nicht gegen direkte Demokratie.

  112. Leider kennen sich der Leserbriefschreiber Ulrich Mohr und hans nicht gut mit der Schweiz aus.
    U. Mohr bezieht sich auf die Initiative zur Ausschaffung krimineller Ausländer. Hintergrund war, dass die Schweiz mehrfach Ausländer nicht ausschaffen konnte, weil diese erfolgreich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt haben. Diese Initiative wurde abgeschmettert.
    Besser mit dem Brexit zu vergleichen, ist die «Masseneinwanderungsinitiative» (MEI). Diese wurde ähnlich knapp angenommen wie das Brexit-Referendum. Während das Brexit-Referendum nicht bindend ist, haben die Schweizer praktisch ein Verbot der Personenfreizügigkeit in die Verfassung geschrieben. Diese Initiative muss spätestens Februar 2017 umgesetzt werden. Wenn die EU nicht irgendwelche Zugeständnisse macht, bedeutet dies das Ende aller bilateralen Verträge zwischen EU und der Schweiz.
    Seit zweieinhalb Jahren ist man in der Schweiz verzweifelt auf der Suche wie man aus dem Schlamassel wieder rauskommt.
    Wenn das Brexit-Referendum schon nicht besonders intelligent war, war die MEI saudumm.
    Die Zeiten, in denen die Schweizer in Volkabstimmungen massvoll reagiert haben, sind längst vorbei (siehe Minarett-Verbot in der Verfassung).

  113. Es mag sein das ich mich nicht gut mit der Schweiz auskenne, aber grundsätzlich gibt es 3 Grundformen in der Demokratie.
    Direkte Demokratie ähnlich Schweiz: Eine Mischung von Verhältniswahlrecht und direkte Mitbestimmung des Volkes
    Vorteile: Entscheidungen können direkt vom Volk korrigiert werden. Deshalb weniger Einfluss von Lobbygruppen. Entscheidungen haben nicht mit der nächsten Wahl Verfalltag.
    Nachteile: Auch das Volk hat nicht immer recht. Unterschiedliche Meinungen zwischen Parlament und Volk möglich.
    Mehrheitswahlrecht:
    Vorteile: Meist klare Mehrheiten im Parlament und selten Koalitionen nötig.
    Nachteile: Wenige Parteien haben einen Einfluss im Parlament. Ich würde sagen ein Paradies für Lobbyisten. Man muss sich nur vorstellen in Österreich würde ab sofort nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt. Eine 2/3 Mehrheit für die FPÖ wäre denkbar. Oder diese seltsame Form von Mehrheitswahlrecht in den USA. Wie groß muss die Politikverdrossenheit in diesem Land sein um so ein Vorwahlergebnis zu erzeugen.
    Verhältniswahlrecht:
    Vorteile: Politische Strömungen bilden sich schnell im Parlament ab. Auch kleine Parteien können mit in die Regierung kommen und haben Einfluss auf die Politik. Als Beispiel in D. die Grünen mit der anti AKW Bewegung.
    Nachteile: Die Lobbyisten müssen das Volk nicht fürchten und vereinnahmen auf Dauer auch die kleinen Parteien. Keine klare Mehrheiten im Parlament normal.
    Man könnte dazu sicher noch mehr schreiben und natürlich gibt es auch Mischformen. Besonders wenn Bürgerbegehren möglich sind. Wenn ich mir aber die 3 Systeme anschaue dann würde ich die Nachteile der direkten Demokratie in kauf nehmen.

  114. @hans
    Der Bundesrat hat gestern 60 Gesetze verabschiedet. Wie soll das in Ihrer direkten Demokratie funktionieren? Sollen wir alle 3 Monate wie in der Schweiz darüber abstimmen? Direkte Demokratie mag ja in einem Kleinstaat, in dem 20% nicht wählen dürfen, weil sie den falschen Pass haben und von den restlichen nur 40% abstimmen, praktisch funktionieren. Wenn man sich die reale direkte Demokratie in der Schweiz anschaut, ist das eher ernüchternd. Es gibt kaum ein Land, wo der Populismus so stark ist. Es herrscht eigentlich permanent Abstimmungskampagne. Die Populisten werden von einem Milliardär finanziert. Mit seinem Geld hat er alleine den EU-Beitritt der Schweiz verhindert. Die anderen politischen Parteien haben aber gar nicht die finanziellen Mittel, um permanent den Abstimmungskampf zu führen. Also gehen sie zum Industrieverband und bitten ihn, die Kampagne zu führen. Direkte Demokratie verträgt sich schlecht mit einem Verfassungsgericht, deshalb hat die Schweiz auch keins. Viele Volksentscheidungen in der Schweiz würden in Deutschland vom Bundesverfassungsgericht einkassiert. Schweizer müssen, wenn sie klagen wollen, zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen.
    Im Kleinen sieht direkte Demokratie dann so aus. Der Fussballverein der Gemeinde hätte gerne einen zweiten Platz (Kunstrasen, automatische Bewässerung, alles vom Feinsten). Pro Einwohner ergibt das etwa 500 Euros. Die Gemeinde ist aber bereits hoch verschuldet und der Gemeinderat lehnt es deshalb ab. Zur Gemeindeversammlung, bei der normalerweise etwa 120 von 3600 Wählern erscheinen, mobilisiert der Fussballverein alle Anhänger und gewinnt die Abstimmung. Daraufhin gehen zwei Einwohner abends von Haustür zu Haustür und sammeln Stimmen für ein Referendum, in dem der Beschluss dann wieder rückgängig gemacht wird.
    Das Referendum kostet einige tausend Euro.

  115. Meldung von gestern auf SPIEGEL ONLINE: Barroso heuert bei GOLDMAN SACHS an (als „Berater“). Als Grund nennt die Investmentbank das „tiefe Verständnis von Europa“, das der Portugiese mitbringe.

    War ja klar, das die paar Euros für den EU-Kommissionspräsidenten-Job nicht zum Leben reichen, womöglich noch verbunden mit einem Ehrenamt für Lobbycontrol o. Ä.

  116. In D. gibt es ja die Möglichkeit von einem Referendum auf Kommunal und Landesebene z.B. in Hessen. Auf der Kommunalebene habe ich jetzt schon ein paar mal erlebt das alleine die Möglichkeit das es zu einem Referendum kommen könnte so manche Entscheidung zu manchen Unsinn verhindert hat den das Parlament sonst verabschiedet hätte. Man sollte nicht jede Entscheidung über eine Volksabstimmung herbei führen aber die Möglichkeit das so eine Abstimmung kommen könnte diszipliniert schon. Wie schon weiter oben geschrieben kann man ja aus den Erfahrungen in anderen Ländern lernen.

  117. Außerdem hat die Schweiz eine gute Sozialversicherung hinbekommen die in D.so kaum durchsetzbar wäre. Genauso die Entscheidung den Schwerlastverkehr auf die Schiene zu bringen würde von den entsprechenden Lobbygruppen in D. im vorbei gehen kassiert.

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