Auch die EKD hat ihre Fundis

Der Dialog zwischen den kulturellen und religiösen Gruppen in Deutschland gestaltet sich umso schwieriger, je mehr einzelne Strömungen mitreden wollen. Im Fall des Dialogs zwischen Christen und Muslimen ist die Gemengelage unübersichtlich. Vier große Islamverbände arbeiten im Koordinierungsrat der Muslime (KRM) zusammen und versuchen, mit einer Stimme zu sprechen. Der EKD auf der anderen Seite des Tisches scheint das leichter zu fallen, doch auch unter ihrem Dach gibt es verschiedene Strömungen, etwa die Evangelikalen. Der Vorsitzende des Rats der EKD, Bischof Wolfgang Huber, dürfte gut damit zu tun haben, all diese Strömungen auszutarieren. Und auch die Muslime haben Probleme mit Fundamentalisten in ihren Reihen.

Im November 2006 kam eine Handreichung der EKD mit dem Namen „Klarheit und gute Nachbarschaft“ heraus (hier als PDF-Dokument zum Herunterladen), an der anscheinend Evangelikale mitgewirkt haben. Darüber und über die Schwierigkeiten, die im Dialog zwischen EKD und KRM daraufhin aufgetreten sind, hat FR-Autorin Urusla Rüssmann in der FR am 2. Juni berichtet. Empörter Protest daraufhin von Seiten der EKD – Dr. Johannes Kandel schreibt uns:

„Als Mitglied der Kommission zur Erarbeitung der Handreichung der EKD ‚Klarheit und gute Nachbarschaft‘ protestiere ich entschieden gegen den Artikel von Frau Rüssmann. Ohne weitere Prüfung und inhaltliche Belege werden die unhaltbaren Verdächtigungen ‚moderater Islamexperten‘ und Aussagen der Herren Miksch und Alboga referiert. Wieder wird das Hohelied der Diskriminierung der Muslime gesungen. Die Handreichung stellt kritische Fragen, auf die muslimische Verbände die Antwort schuldig geblieben sind (Menschenrechte, Scharia, Kopftuch). Doch allein die Tatsache der kritischen Nachfrage erregt die Verbände maßlos und zeigt, welche Art von Dialog sie wünschen: einen Dialog zu ihren Bedingungen, zur Unterstützung ihrer Ansprüche. – Frau Rüssmann sollte die Handreichung lesen, bevor sie solche einseitigen Orientierungen referiert.“ (Veröffentlicht in der FR am 14. Juni)

Ursula Rüssmann aus der Politik-Redaktion hat darauf unmittelbar in der FR geantwortet:

„Sehr geehrter Herr Kandel, natürlich hatte ich die Handreichung gelesen, bevor ich den Artikel schrieb. Dass es innerkirchlich erhebliche Kritik an dem EKD-Papier gibt – vor allem von denen, die im Dialog mit den Muslimen stehen, und zuletzt auf dem Kirchentag -, wissen Sie so gut wie ich. Bemängelt wird nicht, dass die Handreichung kritische Fragen an Muslime stellt. Bemängelt wird, dass das in einem teils pauschalisierenden und belehrenden Ton geschieht, der dem Dialog schadet.“

Diese Art von Antwort – auf der Leserbriefseite – ruft die Journalistin Hildegard Becker auf den Plan:

„Es ist äußerst befremdend, dass die Autorin auf den Leserbrief ,antwortet‘, indem sie diesen kommentiert. Leserbriefe sind bekanntlich Meinungsäußerungen. Es ist bei seriösen Zeitungen unüblich, weil schlechter Stil, darauf erneut meinungsmäßig zu reagieren, um sozusagen das letzte Wort zu haben. Anmerkungen der Redaktion (nicht des Autors) können ausnahmsweise sinnvoll sein, wenn es sich um eine Fakten-Richtigstellung handelt. So viel Souveränität sollten Autoren und Redaktionen eigentlich haben, Kritik – die ja bei Leserbriefen das „Normale“ ist – unwidersprochen zu ertragen.
Eines scheint mir im übrigen nahe zu liegen: Wer den fraglichen FR-Artikel liest und die EKD-Handreichung ‚Klarheit und gute Nachbarschaft‘ tatsächlich gelesen und verstanden hat, kann – wie Dr. Johannes Kandel – in der Tat den Eindruck haben, die FR-Autorin Ursula Rüssmann habe die Handreichung gar nicht gelesen, da sie ‚einseitige Orientierungen referiert‘.“

Wir wollen mit solchen Erwiderungen keineswegs das letzte Wort haben, aber dazu mehr in „Hallo Bronski“ morgen.

Frau Rüßmann hat die „Handreichung“ – was für ein Wort – also gelesen; ich habe keinen Grund, das zu bezweifeln. In ihrem Beitrag gibt sie die Reaktionen der Vertreter der muslimischen Verbände auf diese Schirft wieder, und dies ist es ja auch, was Herrn Kandel auf den Plan gerufen hat. Feststeht, dass die muslimischen Verbände die „Handreichung“ nicht als konstruktiven Beitrag im Verständigungsprozess ansehen. Allein das sollte zu denken geben: Wollte man da wirklich aufeinander zugehen?

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10 Kommentare zu “Auch die EKD hat ihre Fundis

  1. Auch ich habe mich über den Artikel geärgert und halte ihn weiter für ärgerlich.Nicht einmal deshalb,weil ich die dort formulierten Vorwürfe oder Verdächtigungen für unberechtigt oder ungerecht hielte,sondern weil ich gar nicht in die Lage versetzt werde,mir hierzu eine Meinung zu bilden.Denn: worauf sich die Vorwürfe konkret beziehen,erfahre ich in dem Artikel nicht.

  2. Der Artikel war zumindest oberflächlich, mir war nicht klar, was die Schreiberin eigentlich kritisieren wollte. Man müßte sich nach dem Lesen eine eigene Meinung bilden können, auch ohne vorher kirchliche „Handreichungen“ gelesen zu haben.

    Dass Christen in der Tat einige Fragen an Moslems hierzulande und anderswo richten müssen, sollte die Zuwanderer nicht sonderlich aufregen oder gar „verärgern“. Sie könnten auch einfach in einen Dialog eintreten und einige Fragen – zum Beispiel zur Gleichberechtigung der Frau und der Religionen – beantworten.

    Dass es in den christlichen Kirchen ebenfalls noch eine Menge Defizite in dieser und anderen Richtungen gibt, wird bekanntlich in der FR jahrein-jahraus eingehend „referiert“.

    Meiner Ansicht: zu Recht. Während der „Redaktionsblick“ in vielen Jahren in anderer Richtung nur getrübt zu bemerken ist. Man merkt die – pädagogische – Absicht – und ist verstimmt.

    Übrigens: „islamfeindliche Einstellungen“ fallen nicht nur aus Bösartigkeit einfach aus den Himmeln, sondern finden ihre guten Gründe in unserer aller Alltag. Das verwundert nicht und sollte auch nicht „verärgern“. Diese „Einstellungen“ wären eines breiten Dialogs würdig.

    Nebenbei bleibt auch noch der Beifall der Kirchentagsbesucher für Bischof Huber und die Pfiffe für Bekir Alboga, dem DITIB-Beauftragten, bei der Kölner Podiumsdiskussion in Erinnerung.

  3. Muss es denn überhaupt sein, sich mit den Verzweigungen der einzelnen Aberglaubensrichtungen auseinanderzusetzen? Ich meine nein. Sonst hätte man sich schon auf deren Rabulistik bei der Exegese diverser altertümlicher Texte, die unter dubiosen Umständen zusammengetragen worden sind, eingelassen. Fragen, die sich m.E. eher aufdrängen, sind jene, die darüber Auskunft verlangen, weshalb erwachsene Menschen immer wieder hinter die Zeit der Aufklärung zurückfallen und sich in eine Phantasiewelt flüchten, die sie ‚Glauben’ nennen, den sie in ihrem Missionseifer anderen aufdrängen wollen. Die Folgen dieser Naivitäten, die mit ständigen Rationalisierungsversuchen einhergehen, sind teilweise todbringende Auseinandersetzungen innerhalb der eigenen Aberglaubensgemeinde. Aber auch die Vertreterinnen und Vertreter der jeweils anderen Offenbarungsmodelle sind sich selten freundlich gesinnt und versuchen sich häufig gegenseitig zu vernichten – und das immer unter Berufung auf der aus dem Jenseits vernommenen (frohen) Botschaft.

  4. Die absicht der EKD, mehr klarheit in die christl-islam. auseinandersetzung bzw mehr offenheit in den dialog zu bringen, ist auch aus meiner sicht in ordnung.( ich war zuletzt 13 jahre gemeindepfarrer in einem stadtteil mit 50% migrantenbewohnern und habe die situation im rahmen einer gemeinwesenbezogenen arbeit der kirchengemeinde sehr geschätzt.)
    verheerend erscheint mir allerdings, wenn die ekd in der öffentlichkeit mit ihrem papier den eindruck von verständigungs-unwilligkeit erzeugt. auf eine solche profilierung sollte bischof huber doch besser verzichten. (nebenbei: aber schon das innerkirchliche KdF-papier ist kein ruhmesblatt der^derzeitigen ekd-leitung; auch dort werden in unverständlich unsensibler weise konfliktlinien an den falschen stellen aufgemacht.)

    wenn nun in der FR hintergründe dargestellt werden, die den trend des ekd-papiers verständlich machen, ist das nur zu begrüßen.
    wo die fundamentalisten sich in politicis ins zeug legen, kann nicht früh genug gewarnt werden; die USA lassen grüßen! (dh man weiß, was dabei herauskommt, nämlich krieg.)

  5. @ 3. bakunix

    „…todbringende Auseinandersetzungen innerhalb der eigenen Aberglaubensgemeinde…“

    Da hat er irgendwie Recht: von den Ketzer- und Hexenverbrennungen über den Dreißigjährigen Krieg bis zu den Kämpfen zwischen Schiiten und Sunniten heutzutage.

    @ 4. wolfgang nordmann

    „…wenn nun in der FR hintergründe dargestellt…“

    Hintergründe in einem Artikel stelle ich mir etwas tiefsinniger vor.

    Aber bei dem neuen FR-Blättchen hat man wohl bescheiden zu sein.

  6. Da fiel mir zu den „todbringenden Auseinandersetzungen“ noch ein Nachtrag ein:

    Der Philosoph und Dominikaner Giordano Bruno wurde von der Inquisition am 17. Februar 1600 auf dem Campo de‘ Fiori in Rom als Ketzer verbrannt.

  7. @ 4. wolfgang nordmann

    …ich war zuletzt 13 jahre gemeindepfarrer in einem stadtteil mit 50% migrantenbewohnern und habe die situation im rahmen einer gemeinwesenbezogenen arbeit der kirchengemeinde sehr geschätzt….

    Würde mich einmal interessieren, was die moslemischen Zuwanderer in Ihrem Stadtteil von unseren christlichen Kirchen halten?

    Nach meiner Erfahrung fürchten bereits die Schulkinder unsere Religion – wie der Teufel das Weihwasser.

  8. Der Artikel von Urusla Rüssmann ist journalistisch vollkommen in Ordnung. Sie berichtet über eine Denkschrift, die aus der Kirche heraus in andere Teile der Gesellschaft wirken sollte und gewirkt hat und dort einen Konflikt ausgelöst hat.
    Der Vorgang hat gesellschaftliche Relevanz, wird von ihr anschaulich und mit Belegen dargestellt und befriedigt somit unser Informationsbedürfnis.
    Eines persönlichen Urteils über die Denkschrift enthält sie sich, allerdings stellt sie eine vorsichtige Vermutung an über mögliche Hintergründe der konstatierten „verschärfte Gangart der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gegenüber den Muslimen“.

    Tatsächlich hätte allerdings die Redaktion gut daran getan, auf die Provokation des Herrn Dr. Johannes Kandel zu antworten und sich dergestalt vor bzw. hinter Frau Rüssmann zu stellen und dabei offensiv die Zumutung zurückzuweisen, den fraglichen Text auch noch zu lesen. Für die Öffentlichkeit ist die Wirkung interessant, und über die wird, wie gesagt, berichtet. Die FR ist kein ev. Gemeindeblatt. Wenn U. Rüssmann sich tatsächlich durch die über hundert Seiten gequält hat, kann man sie nur dafür bedauern.

    Herr Kandel soll mal nicht so dicke Backen machen und sich auch noch stolz dazu bekennen, an einem solchen Text mitgewirkt zu haben. Wieso wird eigentlich allenthalben der Katholizismus als borniert beurteilt? In zwei Sätzen von Ratzinger steckt mehr geistige und humane Substanz als in dem ganzen fraglichen Traktätchen zusammengenommen, auf das man eigentlich nur polemisch reagieren kann, da man bei ernsthafter Beschäftigung damit Gefahr läuft, auf sein geistiges und menschliches Primitivniveau herabgezogen zu werden.

    Wenn Herr Kandel aber darauf besteht, schlage ich ihm gerne ein paar Zitate daraus (verbal) um die Ohren, die belegen: Hier handelt es sich nicht, wie vorgegeben, um eine Schrift, die den Dialog befördern sollte oder könnte, sondern um ein vor Arroganz und Ignoranz triefendes Abgrenzungspapier, das zu großen Teilen eben nicht an die im Besitz der Wahrheit befindlichen Protestanten gerichtet ist, sondern an die Muslime, denen gezeigt werden soll, was sie zu tun und wohin sie sich zu bewegen haben, um mit den einerseits religiös rechtgläubigen und andererseits bürgerlich aufgeklärten Protestanten auf eine Stufe zu gelangen.

  9. @ 8 heinrich

    ich frage mich immer wieder, ob nicht alle die in Religionen „tätig“ sind, sich mit ihrem Auschließlichkeitsanspruch der Seligmachung selbst und uns, den gemeinen Menschen im Wege stehen, zu einem friedlichen Miteinander zu finden.

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