Erdogan kann mit dem Ergebnis des Referendums nicht zufrieden sein

Es war ganz gewiss kein Sieg der Demokratie, obwohl das Referendum in der Türkei als demokratische Volksbefragung verkauft wurde: Mit etwas mehr als 51 Prozent der abgegebenen Stimmen sagten die wahlberechtigten Türkinnen und Türken Ja zu der von Staatspräsident Erdogan geplanten Verfassungsänderung. Etwas weniger als 49 Prozent sprachen sich dagegen aus. Was auf den ersten Blick wie ein Wahlsieg des türkischen Präsidenten aussieht, wird zur Klatsche, wenn man bedenkt, dass

  • Erdogan auf vielen Sendern des türkischen Fernsehens vor der Wahl praktisch omnipräsent war, während die Gegenposition kaum Platz bekam;
  • die unabhängige Berichterstattung durch die Schließung zahlreicher kritischer Medien in der Türkei im Vorfeld schwer behindert wurde;
  • die Köpfe der Opposition teilweise in Haft sitzen, ebenso wie viele kritische Journalisten;
  • Nein-Sager bedrängt und bedroht wurden.

Unter Aufbietung aller zur Verfügung stehender Kräfte, so könnte man sagen, hat Erdogan seine 51 Prozent bekommen — und damit die Erlaubnis zur Verfassungsänderung. Wie viele der Wählerinnen und Wähler waren wohl wirklich darüber informiert, was diese Verfassungsänderung bedeutet? Du gehst in einer Demokratie schlafen und wachst in einer Autokratie auf. Das Parlament wird künftig, wenn alles nach Erdogans Plänen läuft, eine ähnliche Rolle spielen wie der Reichstag zu Zeiten des Kaiserreichs. Es kann jederzeit aufgelöst werden, und ansonsten fungiert es als eine Art Quasselbude der Scheindemokratie. Es gibt keinen Ministerpräsidenten bzw. Regierungschef mehr; diese Aufgaben übernimmt der Staatspräsident, also Erdogan, der den Willen des Parlaments künftig ignorieren und mit Dekreten an ihm vorbei regieren kann. Schwer vorstellbar, dass die Türkinnen und Türken dies wirklich gewollt haben — und dies auch noch ohne jede Notwendigkeit! Wirtschaftlich lief es zwar zuletzt nicht ganz rund, aber diese Probleme waren zum Teil hausgemacht. Erdogans Gebahren nach dem Putschversuch im vergangenen Jahr war alles andere als eine positive Visitenkarte für das Land. Der angehende Autokrat verschreckte auf diese Weise Investoren wie Touristen.

Erdogan EmineJetzt hat er seinen Sieg, aber es ist ein Pyrrhussieg. Da zeigt sich vor allem die tiefe Spaltung der Türkei. Ein Teil hat offenbar Sehnsucht nach einem starken Führer, einem Kalifen, einem Sultan, nach einer islamischen Türkei. Ist es die Sehnsucht nach der eigenen Vergangenheit, die hier aufgebrochen ist? Nach der einstigen Größe des Osmanischen Reichs, die doch stets fragil war? Verfolgt hier hundert Jahre nach dem Ende des Osmanischen Reichs ein islamischer Führer das Projekt, die Türkei zur neuen Führungsmacht des „islamischen Kulturkreises“ zu machen? Will Erdogan, in den Worten des Politikwissenschaftlers Samuel P. Huntington, diesem „islamischen Kulturkreis“ den „Kernstaat“ zurückgeben, der hundert Jahre lang vermisst wurde? Spürt dies jene Hälfte des türkischen Volkes, die Erdogans Plänen nun das Plazet erteilt hat?

Aber da ist noch die andere (knappe) Hälfte, die Erdogan nicht gefolgt ist, die Türkinnen und Türken der Städte, die sich unter anderem vor vier Jahren bei den Gezi-Park-Protesten zeigte, die aber auch vor dem Referendum sehr aktiv war. Die Türkei war auf dem Weg, eine funktionierende Zivilgesellschaft zu entwickeln. Davon hat unter anderem der Blogtalk gehandelt, den ich 2013 mit einem Aktivisten der Gezi-Park-Proteste geführt habe. Das Referendum und seine Folgen könnte diese Entwicklung vorantreiben — und so auch die Spaltung der Türkei vertiefen. Der kritischen, überwiegend westlich orientierten Öffentlichkeit der Metropolen und der westlichen Landesteile, aber auch der Kurden, steht die ländliche, schlecht informierte, abgehängte Türkei gegenüber, in der Erdogans Wahlsieg seine Wurzeln hat.

Eine Sonderrolle bei dieser Wahl spielten die wahlberechtigten Türkinnen und Türken in Deutschland. Diejenigen von ihnen, die ihre Stimme abgaben, stimmten mehrheitlich für Erdogan. Dieses Phänomen ist schwer fassbar: Menschen, die in einer funktionierenden Demokratie leben — und nichts anderes ist Deutschland im internationalen Vergleich trotz aller Kritik im Detail –, stimmen für eine Einschränkung ihrer eigenen demokratischen Rechte. Diese bestehen unter anderem darin, regelmäßig ein Parlament zu wählen, das ihrem Willen Ausdruck verleiht. Das Parlament, nicht der Staatspräsident, ist die Institution, in der Demokratie kondensiert. Das Plenum der Abgeordneten, nicht eine einzelne Person, setzt den Volkswillen um. Auch in Frankreich, das ein Präsidialsystem mit einer durchaus machtvollen Position des Präsidenten hat, geht nichts ohne das Parlament, die Nationalversammlung. In der Türkei wird das künftig anders sein, da der Präsident die Macht haben wird, das Parlament jederzeit aufzulösen.

Noch einmal der Anlauf zu meiner Frage: Warum stimmen Menschen, die in einer funktionierenden Demokratie leben und in den Genuss all ihrer Vorzüge kommen, einer Einschränkung demokratischer Rechte zu? Vielleicht weil auch sie einem dumpfen nationalistischen Ressentiment folgen? Weil Erdogan antimodernistisch ist? Sehen sie ihr gutes altes Patriarchat schwinden und hoffen nun, dass Erdogan diese Entwicklung aufhalten kann? Oder sind sie einfach Ja-Sager?

Dieses Referendum, diese Volksbefragung, ist kein Sieg der Demokratie. Den Demokratien und all jenen, die Volksbefragungen befürworten, mag die Wahl in der Türkei als Fanal gelten: So etwas funktioniert nur, wenn

  • die Medienlandschaft funktioniert, so dass freie und unabhängige Information erhältlich ist;
  • die Wahlbürger ihre Pflicht wahrnehmen, sich umfassend zu informieren und sich eine verantwortete Meinung zu bilden.

Dafür waren die Voraussetzungen in der Türkei nicht gegeben.

Leserbriefe

Reinhard Matthies aus Pinneberg:

„Ja, nun ist ein Ergebnis da, welches dem einen gefällt, dem anderen nicht. So ist Demokratie (siehe Brexit): Eine knappe Mehrheit der abgegebenen Stimmen stimmt der Verfassungsänderung in der Türkei zu.
Nimmt man die Wahlbeteiligung, so hat eben nicht die Mehrheit der Türkinnen und Türken mit Ja gestimmt. Aber das Wahlsystem ( im übrigen auch teilweise bei uns) sagt: Mehrheit ist Mehrheit. Die Wahl zu einer Verfassungsänderung (nicht Wahl von Erdogan) ist eine innertürkische Angelegenheit, die uns erst einmal nichts angeht. (Allerdings sind Verstöße gegen eine freie Justiz, eine freie Presse o.ä. durchaus zu kommentieren.) Anders sieht es beim Verhalten der Türkei zu Institutionen der EU der einzelnen Länder bzw. deren Vertretern (z.B. unserer Kanzlerin) Hier ist konsequentes Handeln erforderlich: Geldhahn zudrehen ( EU- Gelder), Temporäre Isolation, ggf. Abzug der Bundeswehr, Reduzierung von Handelserleichterungen, und die individuelle Entscheidung, in die Türkei zu reisen.
Natürlich fragt man sich, was denn die Türkinnen und Türken in Deutschland bewegt hat, für die Verfassungsänderung zu stimmen, zumal sie unter diesen Bedingungen ja nicht wérden leben müssen (wollen.?). Hier ist es ja besser, demokratischer, hier kann man alles sagen, hier kann man alles ( aus-) nutzen:
Justiz, freie Wahlen ( auf kommunaler Ebene auch oft,als für Ausländer!), freie Presse. Hier gibt es ggf. Auch Hartz 4 oder andere staatliche Leistungen. Aber so ist Demokratie: Wir können damit leben, viele Türken in der Türkei in Zukunft mit der neuen Verfassung nicht, diese werden wir aber nicht aufnehmen!
Warten wir ab, was kommt, ändern können und dürfen wir es nicht. Erdogan wird sich selbst abschaffen.“

Susanne Alpers aus Frankfurt:

„Die Türken haben gewählt. Das Ergebnis war erwartbar gewesen. Überraschend ist nur der knappe Vorsprung der Ja-Sager. Trotz flächendeckender medialer Propaganda, trotz drängender Hinweise auf Wahlmanipulationen und trotz der Inhaftierung der Führungsriege der oppositionellen HDP hat es nur zu einem 51,4 Prozent gereicht. Somit lehnt mindestens die Hälfte der Bevölkerung die Alleinherrschaft des „Lider“ ab.
Die Menschen im Westen des Landes blicken auf das Meer, die Bürger des Ostens der Türkei orientieren sich an ihrer uralten zoroastrischen Geschichte. Die Bewohner der großen türkischen Metropolen wollen mit dem Rest der Welt in Kontakt bleiben. Sie alle stellen sich gegen die Logik der Steppe mit ihren absolutistischen Herrschern zentralasiatischer Prägung. Sie wollen Freiheit, Özgürlük, Azadiya und nicht von einem strengen Sultanatör wie Kinder erzogen und beherrscht werden. Sie sind viele und sie sind vielfältig. Diese Menschen repräsentieren den Gegenentwurf zum Türkenklischee. Sie werden es in Zukunft noch schwieriger haben in einem Land, das sprichwörtlich von allen guten Geistern verlassen ist und die Wiedereinführung der Todesstrafe vorne anstellt. Traurig ist auch die Erkenntnis, dass die Fraktion der Befürworter des Präsidialsystems in Deutschland signifikant höher ist als in der Türkei. Die gestiegene Sensucht nach vermeidlich starker Führung in unübersichtlichen Zeiten geistert durch viele westliche Länder, die Deutschtürken bilden hier keine Ausnahme.
Interessant bleibt die Erkenntnis, dass das kritische Potential in der Türkei so hoch ist. Die Menschen haben Mut. Sie machen es sich nicht bequem. Sie denken nach. Sie vernetzen sich. Sie protestieren. All dies kann Inspiration sein für westliche Länder, wenn es um Widerstand gegen populistische Vereinnahmungen geht. Die Opposition in der Türkei hat die Komfortzone schon lange verlassen. Sie ist aktiv, im Lande selbst und im Exil. Die Nein-Sager in der Türkei können unser Vorbild sein bei der Verteidigung der Demokratie auch in Europa. Dies ist meine Erfahrung aus dem gestrigen Referendum in der Türkei. Wach bleiben, kritisch bleiben, auch in schwierigen Zeiten. Die wichtigsten Impulse für den Erhalt der Demokratie kommen aus den Ländern der Welt, in denen sie akut bedroht ist. Es bleibt zu hoffen, dass auch die deutsche Regierung sich endlich auf die Seite der türkischen Opposition stellen wird anstatt weiterhin fragwürdige Kooperationen mit einer Autokratenriege in der Türkei fort zu setzen, die keine Zukunft hat und die das Land weiter ruinieren wird.“

Wolfgang Schlüter aus Münster:

„Nach dieser überwältigenden Zustimmung der in Deutschland wohnenden Türken ist ja nun mit einem Exodus dieser Menschen zu rechnen, zumal sie ja laut ihrem Führer Erdogan in einem faschistischen Land nicht mehr sicher leben, und die Heimreise ja nur zu ihrem Besten sein kann.“

Manfred Schönfeld aus Germering:

„Der Sieger kann eigentlich mit dem knappen Ergebnis nicht zufrieden sein. Bei uns haben ja auch nur etwa zehn Prozent aller türkischen Mitbürger für seinen Kurs gestimmt. Ihm nun zu mehr Bescheidenheit zu raten wäre zwecklos. Doch ihm sollte deutlich klargemacht werden, dass in unserer vernetzten Welt eine Politik nach Gutsherrenart nicht mehr so leicht ist wie früher. Er hat sich sicher ein besseres Ergebnis gewünscht.
Der furchtbare Medienrummel wird sich legen. Die nackten Tatsachen – wie immer mehr Gegner im Innern und Isolierung nach außen – werden ihm vor allem wirtschaftlich das Regieren immer schwerer machen. Europa zu beschimpfen und sich Saudi-Arabien, Katar und vielleicht Russland zuzuwenden, zeugt eher von Hilflosigkeit. Das Elend in Syrien und zunehmend auch in Ägypten in seiner Nähe sollten doch genug abschreckend wirken.
Chaos und Bürgerkrieg nicht potenziell noch mehr Nahrung zu liefern, sollte für alle Beteiligten an erster Stelle stehen. Nur davon würden alle Türken im In- und Ausland profitieren. Die Demokratie ist auch jetzt am Bosporus noch nicht untergegangen und prinzipiell auch mit einem Präsidialsystem vereinbar. Die Uhr tickt allerdings unerbittlich.“

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:

„Es ist dringend an der Zeit, dass die Interessenvertretungen türkischstämmiger Mitbürger in Deutschland sich gegen die unglaublichen Verleumundungen verwahren, die der türkische Präsident Erdogan jeden Tag in die Welt setzt. Erdogan versucht, gegen Europa und insbesondere Deutschland einen Art Kulturkampf auszurufen. Die „moderne“ Türkei nach Atatürk hat es nicht verstanden, mit den in der Türkei lebenden Minderheiten, zuvörderst den Kurden, anständig umzugehen. Wie so häufig schon in der Geschichte werden jetzt finstere Machenschaften des Auslands für die innertürkischen Probleme verantwortlich gemacht. Dem gilt es entschlossener entgegen zu steuern, als dies bisher in Berlin geschieht!“

Jürgen Speidel aus Regensburg:

„Ja, Herr Erdogan hat die Wahl um sein Präsidialsystem gewonnen. Aber wie und um welchen Preis?
Die Frage nach dem „wie“ ist leider schnell und mathematisch einfach beantwortet. Ein Sieg mit 51,4 % ist zweifelsfrei ein Sieg mit 1,4 % mehr Stimmen als die Opposition aufbringen konnte. Doch berücksichtigt man, dass Herr Erdogan, unterstützt von dem gescheiterten Putschversuch, von welchem er durch seine Geheimdienste schon lange im Voraus wusste und diesen geschickt nutzte, zehntausende von Menschen im Vorfeld „mundtot“ machte und hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen derart verängstigte, dass diese entweder gar nicht zur Wahl gegangen sind oder aus Angst Herrn Erdogan wählten, dann sind diese 1,4 % schnell kompensiert und eine Niederlage von Herrn Erdogan wäre die logische Konsequenz.
Traurig für die Menschen in der Türkei, welche die Werte der Demokratie schätzen und dafür gewählte haben.
Da ja nun ca. 63 % der in Deutschland zur Wahl gegangenen Türken das Präsidialsystem gewählt haben, freut es mich aber auch, dass damit die Voraussetzungen für diese Wähler geschaffen wurden, bald wieder in die Türkei zurückzukehren, um dort friedvoll und glücklich in einer der bald wirtschaftlich aufstrebendsten Ländern Asiens weiter zu leben.
Ach ja, und keine Angst vor juristischen Verfehlungen. Die Gefängnisse sind so voll, dass dort kaum noch Platz sein wird für echte Kriminelle. Wobei und ich hatte es fast vergessen, wird ja bald wieder der ein oder andere Platz frei, wenn Herr Erdogan sein wichtigstes Anliegen seiner demokratisch gewonnen Wahl umsetzen wird, nämlich die Todesstrafe wieder einzuführen. Die gilt aber auch dann für Sie alle, liebe türkische Präsidialbefürworter.
Ernsthaftes Fazit: Mit dem Ergebnis dieser Wahl wird es in Zukunft noch einen Krisenherd mehr in dieser Welt geben, um welche sich die westlichen Länder wieder mit staatlichen Hilfen kümmern müssen.
Servus Demokratie!“

Maike Gafert aus Stade:

„Ich weiß gar nicht, wieso sich überhaupt noch jemand über das Ergebnis von Referenden oder Wahlen wundert. Mich wundert da nichts mehr und fürchten muss man heute ganz andere Dinge. Es war doch klar, dass Erdogan gewinnt! Oder glaubt noch ein realistisch denkender Mensch auf dieser Welt an den Weihnachtsmann? Seit Putin, Brexit und zuletzt Trump? Wahlergebnisse werden heutzutage solange manipuliert, bis es dem von den Mächtigen gewünschte Ergebnis entspricht. Methoden gibt es dafür genug (siehe A. Eschbach: Eine Billion Dollar). In der Türkei angefangen mit der Unterdrückung eines fairen Wahlkampfes kombiniert mit Einschüchterung,Verfolgung und dem Wegsperren der Opposition sowie dem Bildungsbürgertum (immer seeehr gefährlich!), so dass sie z.T. gar nicht erst wählen konnten, und damit endend, dass man ungültige Wahlzettel im gewünschten Sinne für gültige erklärt und übermittelte Ergebnisse schönrechnet bzw. per Computer manipuliert. Frei nach dem Motto:„Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!“ – Das ist doch kein neues Verfahren!
Auch hierzulande hatten wir das in der Geschichte schon und, um es mal auf den Punkt zu bringen, auch jetzt regieren in der Welt und hier im Lande nicht die Demokratie und das Volk, sondern die Superreichen, die Banken und Konzerne. Darüber regt sich aber, gut gesteuert, kaum einer auf! Man schaue sich doch mal an, was Frau Merkel seit Amtsantritt und Frau Nahles in ihrem Weißpapier, sowie Herr Gabriel im Hinblick auf CETA und TTIP alles für Geschenke an die Banken und die Wirtschaft gemacht haben und wie viel im Vergleich dazu im Sinne des Durchschnittsbürgers und der Umwelt passiert ist.
Allein die Wirtschaft 4.0 ist ein Geschenk für ebendiese. Welcher weiterdenkende Mensch will das denn? Zuerst fallen bald die Berufe im Transportwesen (selbstfahrende PKW, LKW, Züge) sowie weitere in der Logistik und der Fertigung weg, dann im Handel und im Dienstleitungssektor. Sobald Roboter für die Pflege und sogar als Liebhaber eingesetzt werden, gibt es wohl kaum noch einen Beruf für Menschen! Wenn man Roboter und Computer beschäftigt, braucht man weder Lohn noch Kranken- oder Rentenversicherung zu zahlen und die werden auch nicht krank oder wollen Urlaub. Im Gegenteil, sie arbeiten Tag und Nacht, so kann man noch mehr Gewinne machen und wieder verdienen die Banken und die Großaktionäre, die Boni fallen entsprechend aus. So ein Zufall! Aber wer soll denn die ganzen Güter, die da produziert werden kaufen, wenn niemand mehr Arbeit hat?
Der Normalbürger wird immer mehr entmündigt, manipuliert und für dumm verkauft. Man überschüttet uns mit immer neuen Konsumgütern und Technikgeräten („Brot und Spiele“ hat schon vor 2000 Jahren geklappt!) und macht uns immer abhängiger, kontrollierbarer und gläserner, allein durch GPS, WhatsApp, Google, Paypal u.a. Selbst zuhause fällt mit Computern und Robotern immer mehr Arbeit weg. Mäh- und Wischroboter, Navis, Alex &, Siri … denkende sowie vernetzte Haushaltsgeräte und Co. machen doch alles für uns sooo schööön leicht! Selbst die Fitness-App auf dem Handy kann uns noch ein bisschen gläserner machen und der Krankenkasse direkt melden, was und wie viel wir für unsere Gesundheit tun… wenn es nicht schon der Kühlschrank oder der Heizthermostat getan hat!!! Problematisch ist nur, dass künstliche, selbstlernende Intelligenzen auch jetzt schon ihre Erbauer austricksen und sie aus ihrer internen Kommunikation kicken oder sich in sozialen Netzwerken radikalisieren. „Matrix“ und „Terminator“ lassen grüßen! Schöne neue Welt!
Durch den Terror und die Kriminalität in der Welt ist es sogar in Ordnung überall gefilmt zu werden und besonders Technikversessene installieren sich sogar selbst ihre Kameras im/ am eigenen Zuhause – wie praktisch!(Georg Orwell- 1984?)
Aber zurück zum Artikel: Ich frage mich, ob die Mächtigen der Welt bedacht haben, dass Menschen, die sich langweilen oder abgehängt fühlen, kein Geld, keine Hoffnung und/oder Bildung mehr haben, sich gerne radikalisieren!!! In welche Richtung auch immer – jedenfalls hat das immer irgendwann zur Revolution geführt.“

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29 Kommentare zu “Erdogan kann mit dem Ergebnis des Referendums nicht zufrieden sein

  1. Interessant ist, dass die „Nein“-Sager in der Türkei hier (in Deutschland) annähernd mit den „Ja“-Sagern zur momentanen Zusammensetzung im deutschen Parlament gleichgesetzt werden.
    Es bleibt abzuwarten, wer sich z. B. hier im blog für das Recht bzw. die Pflicht der AfD einsetzen wird, ihren Parteitag in Köln ohne Angst vor Übergriffen abhalten zu können.

  2. Revolutionen oder Kriege oder autoritäre Regime – die – kaum an der Macht – die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit abschaffen und die Opposition unterdrücken. Der Trend geht nach rechts zu Lűge und Ausgrenzung. Und das ist auch für uns sehr beunruhigend. Schauen wir nicht nur nach Osten sondern auch nach Dänemark, Niederlande und Frankreich (?)

  3. Jürgen Speidel beherrscht die Prozentrechnung nicht: Wenn bei dem Referendum 51,4 Prozent mit ja gestimmt haben und 48,6 % mit nein, dann beträgt der Unterschied 2,8 Prozent, auch wenn dies die politische Bewertung nicht ändert.

  4. Das ist fürwahr ein Pyrrhussieg, der mehr als teuer zu stehen kommen wird.
    Was immer die Türken in Deutschland getrieben hat für Erdogan abzustimmen, ein kräftiges Kopfschütteln haben sie allemal verdient. Jedenfalls – und so auch der FR-Titel „Erdogans gespaltenes Reich“ – ist damit die Demokratie in der Türkei selbst noch lange nicht tot.
    Ich glaube, dass die aufgeklärte türkische Gesellschaft (denn in den großen Städten hat Erdogan jedenfalls wenig Erfolg gehabt) nicht klein beigeben wird. Der Kampf für die Demokratie wird dort weitergehen.
    Erdogan kann nicht nur mit der Wahl nicht zufrieden (Leserforum 20.04.) sein, es wird der Anfang vom Ende seiner Despotie sein. Vorher läuft es wohl auch auf einen Bürgerkrieg zu.
    Dieser machtvolle Mann wird an seiner Machtvergiftung scheitern. Jetzt muss Europa nur noch konsequent sein und sich nicht weiter erpressen lassen.

  5. @JaM:
    Wenn Sie sich hier über Prozentrechnungsfehler äußern, dann doch bitte richtig. Der Unterschied beträgt 2,8 Prozent-Punkte (!).

  6. Was soll dies Korinthenkacken mit der Zahlenhuberei? Als ob es nichts Wichtigeres gäbe! wer wählt wie warum? In der Türkei gibt es den großen Unterschied zwischen Stadt und Land. LAnd = gläubig und unwissend. WIeviel Schulbildung gibt es da für die Kinder? das ist in der Türkei ähnlich wie damals im Iran, als es in den Städten Empörung und Aufruhr gab – aber die Wahlen zeigten deutlich die Diskrepanzen.
    Und wer wählt hier mit Ja oder Nein? Wir haben hier die große Gruppe sogenannter bildungsferner Einwanderer und eine andere – leider bisher noch allzu kleiner Gruppe von Einwanderern, die sehr gut ausgebildet sind. Und was haben wir damit zu tun? Ein Blick Richtung PISA sagt alles! Und der zweite Blick sagt: Bildung in Sonntagsreden – Sparpolitik ist die Wirklichkeit!

  7. Aller Respekt für den Mut der „Nein-Sager“ in der Türkei, die sich der Erdogan-Despotie verweigern und sich nun – da stimme ich Jürgen Malyssek zu – dies vermutlich mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen bezahlen werden.
    Zustände, die vor allem Deutschtürken ihnen eingebrockt haben, welche meinen, sich vor den Konsequenzen eines verantwortungslosen nationalistischen Taumels drücken zu können. Da ist wohl Kopfschütteln nicht mehr ausreichend, das schreit nach Konsequenzen.
    Ein klarer Hinweis, wo die Grenzen der Toleranz in einem Rechtsstaat erreicht sind und an wem sich die Politik der EU betr. Türkei zu orientieren hat.
    Betr. des von Jürgen Speidel angesprochenen Erdogan-Projekts „Todesstrafe“: Dazu der AKP-Vertreter lächelnd bei Illner: „Kein Problem, wenn man kein Terrorist ist.“ Angesichts der Definition von „Terrorist“ durch Erdogan ein Zynismus, der anschaulicher macht als jede Analyse, was sich in solchen Hirnen abspielt.

  8. Nein – ich muss zugeben: da bin ich zu kurz gesprungen. Es sind nicht unbedingt die Ungebildeten, die sich nach Recht, Ordnung, Übersichtlichkeit und dem starken Mann sehnen! Das können wir ja auch bei unseren deutschen Mitbürgern beobachten in den Reihen von Pegida und AFD sowie weiteren Menschen und Gruppierungen, denen alles ein Gräuel ist, was von ihren eigenen engen Vorstellungen abweicht. Und in etlichen anderen europäischen Ländern sowie in den östlichen Staaten. DAzu habe ich kürzlich bei Harald Welzer gelesen über den Zusammenhang zwischen hin dem Zusammenbruch der sozialistischen Systeme, der nachfolgenden brutal kapitalistischen Tabula Rasa – Überwältigungspolitik des „Westens“ und dem heutigen großen Bedürfnis nach Sicherheit mittels autoritärer Regime.

  9. @Irmgard Flach:
    Und Ihnen ist kein Gräuel, wer von Ihren Vorstellungen abweicht(z. B. Pegida oder AfD)?

  10. @Werner Engelmann
    «Zustände, die vor allem Deutschtürken ihnen eingebrockt haben,..”
    Ich vermute, dass Sie damit sagen wollen, dass die vielen Ja-Stimmen in Deutschland dafür gesorgt haben, dass das Referendum angenommen wurde.
    Das ist aber, wie bereits in der FR dargelegt, falsch.
    „das schreit nach Konsequenzen”. Sie verlangen also Konsequenzen aus einem nicht genehmen Abstimmungsverhalten. Welche denn?
    „Grenzen der Toleranz in einem Rechtsstaat erreicht sind” Welche Grenzen unseres Rechtsstaates wurden denn durch dieses Abstimmungsverhalten überschritten.

  11. Auch wenn ich für diese Aussage hier wahrscheinlich wieder (bestenfalls) nur Kopfschütteln erreiche:
    Die einzig logische Konsequenz aus meiner Sicht ist (nicht erst seit jetzt) die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft oder zumindest das verordnete Ruhenlassen von einer.
    Wer für bestimmte Machtverhältnisse in der Türkei stimmen will, soll das weiterhin tun dürfen. Nur soll er nicht gleichzeitig darüber abstimmen dürfen, wer die deutschen / EU-Politiker sind, die sich damit auseinandersetzen müssen/dürfen.

  12. @ Deitscher Michel (was wollen Sie eigentlich mit diesem Pseudonym ausdrücken?) Mir ist Menschenfeindlichkeit, Ausnutzen von Verunsicherung!, Suggerieren einfacher Lösungen (raus aus Europa, raus mit den Ausländern) sowie nationalistisch-völkisches Denken ein Gräuel – da haben Sie recht!

  13. Ich stimme Jürgen Malyssek zu, wenn er schreibt, Erdogan werde an seiner Machtvergiftung scheitern, so wie es auch anderen Diktatoren ergangen ist.

    Hoffentlich dauert es nicht zu lange, damit nicht weitere Tausende Menschen eingesperrt und möglicherweise – nach Wiedereinführung der Todesstrafe – hingerichtet werden.

    Und vor allem sollten die Regierenden in Europa endlich aufhören, sich von Erdogan erpressen zu lassen; erreichen tun sie nämlich dadurch nichts!

  14. @Irmgard Flach:
    Das ist genau das, was ich ausdrücken will. Es gibt fast niemanden, dem nicht irgendwer oder irgendwas ein Gräuel ist. Und das Zeigen der Abneigungen muss sich selbstverständlich immer im gesetzlich zulässigen Rahmen abspielen.
    Das sollte gleichermaßen für z. B. Teilnehmer eine NPD-Demo (da die NPD – aus nicht nachvollziehbaren Gründen – nicht verboten ist) und die Antifa gelten.

  15. Für deutsche Staatsbürger ohne Wohnsitz in Deutschland gilt eine sehr vernünftige Regelung:
    Wer nie einen Wohnsitz in Deutschland besaß oder seit mehr als 25 Jahren nicht mehr hat, ist bei Bundestagswahlen nicht wahlberechtigt. Begründet wurde dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts unter anderem mit dem Argument, dass die Teilnahme an einer Wahl nicht sinnvoll sei, wenn der Staatsangehörige die Konsequenzen seiner Wahlentscheidung nicht zu tragen habe.
    Da das Wahlrecht der stärker konservativ ausgerichteten Auslandstürken in Erdogans Interesse ist, gibt es für ihn eine solche Einschränkung natürlich nicht.

  16. An Werner Engelmann:
    Ist schon klar, dass Kopfschütteln bei den türkischen Ja-Sagern in Deutschland nicht ganz reichen kann. Ich würde es jedenfalls meinem türkischen Mitbürger ganz gewiss nicht leicht machen, wenn ich von seiner Pro-Erdogan-Entscheidung erfahren würde. Mit einem cay seinerseits wäre es dann alleine nicht getan.

    An Peter Boettel:
    Schön, wieder von Ihnen zu hören. Ich nutze kurz die Gelegenheit hier im Blog und wollte Ihnen nur gerne mitteilen, dass der Jesuit und Sozialethiker, Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach eine neues Buch zur Krise Europas geschrieben hat: „Was ist los mit dir, Europa?“ Am Mittwoch, den 26. April, ab 19.30 Uhr wird dieses Buch im Haus am Dom, Domplatz 3 in Frankfurt vorgestellt.
    Der Eintritt ist frei, Anmeldung nicht erforderlich.
    Das könnte Sie bestimmt interessieren. Ich muss leider passen. Schätze Herrn Hengsbach (aus meiner Caritas-Dienstzeit) sehr.

  17. @ Henning Flessner, 22. April 2017 um 14:38

    Auf klare Fragen klare Antworten:

    Zunächst: Meine Haltung zur Frage der Integration ist hinlänglich bekannt, dass ich dazu auch einiges getan habe und tue, ebenfalls. Dies bedarf hier keiner weiteren Bekräftigung, um mich nicht in die falsche Ecke drängen zu wollen.
    Nur ein Beispiel aus dem Schulalltag, den von mir unterrichteten Islamistentöchtern, um zu zeigen, wo die Grenzen der Toleranz liegen. Dass ich diese nicht ausgeschlossen habe, sondern ihnen im Gegenteil besondere Bemühungen zuteil haben ließ, ist für einen Pädagogen eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Ebenso aber, Grenzen da zu setzen, wo Toleranz für Intoleranz gefordert wird. In diesem Fall der Versuch der Eltern, die eigenen Töchter nicht nur zu indoktrinieren, sondern auch als Objekt zu missbrauchen, um nach eigenem Gutdünken das deutsche (hier: Berliner) Schulgesetz aushebeln zu können (konkret: Beteiligung an Sportunterricht und Wandertag).

    Was das Abstimmungsverhalten der genannten Deutschtürken angeht, liegt der Fall prinzipiell nicht viel anders:
    „Konsequenzen“ ziehen heißt zunächst, eigene (meist bequeme) Wunschvorstellungen in Frage zu stellen (betrifft mich selbst auch) und schonungslos zu analysieren, wofür dieses Verhalten eigentlich steht. Sicher nicht für ein demokratisches Abstimmungsverhalten, das nun mal zu respektieren ist (unabhängig von den höchst wahrscheinlichen Manipulationen). Dass Rechtsradikale dies so drehen wollen, ist schon klar (und sie wissen wohl warum).
    Dies steht (sofern man nicht alles, was zu erfahren war, in den Wind schlägt) für: Abschaffung der Demokratie andernorts, wovon man selbst nicht betroffen ist; Bespitzelung und Bedrohung von Mitbürgern, selbst in der eigenen Familie; ausdrückliche Verhöhnung des deutschen Rechtsstaats; Export ideologischer Konflikte und nationalistischen Wahns nach Deutschland.
    Auch wenn ich die CDU-Ideologie von der „gespaltenen Loyalität“ („Diener zweier Herren“) nicht teile: Wie solches mit loyalem Verhalten zum Grundgesetz zu vereinbaren sein soll, müsste man mir schon erklären. Dies ist durchaus auch als Gegenfrage zu verstehen.

    Praktische Konsequenzen, nur an einigen Beispielen aufgezeigt (die Flüchtlingsfrage und Frage der EU-Gelder an eine voraussichtliche Diktatur lasse ich zunächst mal weg):
    – Abbruch der Beziehungen zu DITIB und Entzug des Rechts auf Imambenennungen (schon längst überfällig),
    – Integration des Islamunterrichts in das staatlich kontrollierte Schulwesen, Überprüfung der Koranschulen und der hier gepredigten Inhalte auf Rechtsstaatlichkeit
    – Zulassung ausschließlich rechtsstaatlich orientierter Vereine etwa zur Islamkonferenz
    – Verbot der bereits angekündigten Abstimmung über Todesstrafe in Deutschland (das wäre ein klarer Verfassungsbruch).

    Zu Wahlrecht und doppelter Staatsangehörigkeit:
    Brigitte Ernst hat bereits auf die Beschränkung des Wahlrechts im Ursprungsland bei längerer Abwesenheit hingewiesen. Mein Sohn wird demnächst davon betroffen sein, obwohl er einiges für den deutsch-französischen Austausch getan hat. Er wird es wohl schlucken müssen. Ich ebenso in nicht allzu ferner Zeit, da ich keinen zweiten Wohnsitz in Deutschland haben darf.
    Für viele Deutschtürken (sicher der zweiten und dritten Generation) dürfte das eingeräumte Wahlrecht für die Türkei ein Sonderrecht darstellen, das nicht zu rechtfertigen und abzuschaffen ist (wäre genauer zu überprüfen).
    Die CSU-Forderung nach Abschaffung der doppelten Staatsangehörigkeit bereitet mir Bauchschmerzen, auf jeden Fall in der (oben genannten) ideologischen Begründung. Von vornherein falsch muss sie deshalb nicht sein. Falsch ist aber mit Sicherheit die Gleichsetzung des Abstimmungsverhaltens mit dieser Frage. Welchen Anteil Doppelstaatler daran haben, ist ja keineswegs erwiesen und wäre erst einmal zu überprüfen.
    Sollte sich dies aber bestätigen, wäre ich bereit, meine Meinung dahingehend, was Nichtanghörige von EU-Ländern betrifft, auch zu ändern.

  18. @Werner Engelmann
    Man kann die Beteiligung an einer Wahl in einem anderen Land nicht verbieten. Wie wolllen Sie verhindern, dass die Leute per Briefwahl oder Internet abstimmen?
    Ich meine, dass die Diskussion sich zu stark auf die Änderung der Verfassung konzentriert, die im übrigen sehr große Ähnlichkeit mit der französischen bzw. amerikanischen Verfassung hat. Da Sie ja in Frankreich leben, wäre Ihre Sichtweise interessant. Die heute vermutlich siegende M. LePen wollte vor einem Jahr noch über die Einführung der Todesstrafe abstimmen lassen.
    Die Kritik sollte sich m. E. mehr auf die Zustände in der Türkei richten, die ja unter der jetzigen Verfassung entstanden sind.

  19. An Jürgen Malyssek @:

    Vielen Dank für den Hinweis, auch in der Einschätzung von Friedhelm Hengsbach sind wir uns einig. Schade, dass er nicht mehr in der FR schreibt. Seine Kommentare trafen stets den Kern.

    Das Buch ist mir bekannt, konnte es aber noch nicht kaufen oder gar lesen, weil ich eine Woche weg war etc.

    Die Gelegenheit einer Lesung wäre mir willkommen, aber dies geht bei mir leider zu diesem Zeitpunkt nicht.

  20. Das Ergebnis des Referendums in der Türkei sollte auch uns Deutschen zu denken geben. Auch bei uns wird es einmal wieder eine Einladung zur (Volks)Abstimmung geben und wir müssen uns zwischen Ja und Nein entscheiden. Die Beteiligung bei solchen „Referenden“ liegt in unserem Ländle so bei ca. 30%, manchmal auch unter den notwendigen 25%. Jeder der nicht zur Abstimmung geht sollte sich darüber Gedanken machen, dass seine Faulheit grundsätzlich eine Stimme für die Mehrheit ist. Das gilt nicht nur in der Türkei! Bei einer Wahlbeteiligung von ca. 50% und 37% Nein- Stimmen der Wahlberechtigten Türken in D bedeutet dies das über 80% der Wahlberechtigten mit dem Ergebnis einverstanden sind. Zum Abstimmen muss man seinen Hintern nicht unbedingt aus der Wohnung schaffen.

  21. @ Henning Flessner ,3. April 2017 um 8:19

    „Man kann die Beteiligung an einer Wahl in einem anderen Land nicht verbieten.“

    – Sollten Sie übersehen haben, dass es sich bei Erdogans Lieblingsprojekt nicht um eine demokratisch legitimiere „Wahl“ handelt, sondern um die Wiedereinfühung der Todesstrafe, was auf deutschem Boden eindeutig verfassungswidrig ist? Zudem bedarf es meines Wissens für die Wahl ausländischer Organe oder Referenden auf deutschem Boden der Zustimmung der Bundesregierung. Diese „kann“ nicht nur, sondern muss derartige Akivitäten unterbinden, will sie sich nicht selbst des Verfassungsbruchs schuldig machen.
    Dazu aus Wikipedia, Art, „Todesstrafe, Deutschland“:
    „Nach der heute herrschenden Rechtsmeinung verletzt eine Todesstrafe jedoch in jedem Fall die unantastbare Menschenwürde und verstößt damit gegen Art. 1 Abs. 1 GG. Da dieser durch die Ewigkeitsklausel gegen Änderungen geschützt ist, sei Art. 102 GG streng genommen überflüssig und habe nur klarstellende Funktion.[“
    Der Bundesgerichtshof fügt im Urteil vom 16. November 1995 hinzu:
    „Diese Bedenken legen den Befund nahe, daß nach deutschem Verfassungsrecht jegliche Wiedereinführung der Todesstrafe – auch abgesehen von Art. 102 GG – vor Art. 1 Abs. 1 GG und der Wesensgehaltsgarantie des Grundrechts auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 2 GG) keinen Bestand haben könnte…“[

    – Der von Erdogan-Propagandisten immer wieder bemühte Vergleich mit dem Präsidialsystem in Frankreich oder den USA ist schon verschiedentlich, auch in Talkshows, widerlegt worden. Er kommt m.E. auch einer Beleidigung der französischen Republik gleich.
    Dazu nur zwei Hinweise aus dem Art. „Frankreich“ zu den Befugnissen des französischen Präsidenten:
    „Er darf Gesetze oder Teile davon an das Parlament zur Neuberatung zurückweisen, hat aber kein Vetorecht. (…) „Die Regierung hängt in der Folge vom Vertrauen des Parlamentes ab, der Präsident kann eine einmal ernannte Regierung formal nicht entlassen.“

  22. @Werner Engelmann
    Sie sind so ein intelligenter, gebildeter Mensch. Ich würde gerne mit Ihnen diskutieren, aber Ihre Tritte unter die Gürtellinie („Erdoganpropagandist“) halten mich bedauerlicherweise davon ab.

  23. @Henning Flessner 24. April 2017 um 17:40
    Kurze Bemerkung, ganz sicher nicht als „Tritt unter die Gürtellinie“ gemeint:
    Es ist mir unverständlich, wenn man alles und jedes auf sich beziehen muss. Ist aber nicht mein Problem, und deshalb halte ich mich da des weiteren raus.
    Nur soviel: Ich habe mehr als einen „Erdoganpropagandisten“ in Talkshows gesehen, der mit eben der genannten These hausieren ging, aber nicht ein Wort der Distanzierung von massiven Menschernrechtsverletzungen, Bespitzelung und Einschüchterung von Landsleuten, Nazibeschimpfungen Erdogans gegen Merkel und Deutschland fand.
    Welche Bezeichnung halten Sie denn bei solchem Verhalten für angemessen? Mir erscheint „Propagandist“ dafür eine eher zurückhaltende Bezeichnung.
    „Propaganda“ nach Wikipedia:
    „Zielgerichtete Versuche, politische Meinungen und öffentliche Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und das Verhalten in eine vom Propagandisten oder Herrscher erwünschte Richtung zu steuern. Dies steht im Gegensatz zu pluralistischen und kritischen Sichtweisen.“

  24. Was Werner Engelmann zu „Erdogan-Propagandisten“ in Talkshows sagt, kann ich zu 95 Prozent bestätigen. Die Namen habe ich jetzt nicht abrufbar, aber es ist und war teilweise schwer auszuhalten.

  25. Henning Flessner am 23. April 2017 um 8:19
    „Man kann die Beteiligung an einer Wahl in einem anderen Land nicht verbieten. Wie wollen Sie verhindern, dass die Leute per Briefwahl oder Internet abstimmen?“
    Briefwahl und Abstimmung per Internet sieht meines Wissens das türkische Wahlgesetz nicht vor, aber sicher kann man nicht verhindern, dass die Auslandstürken zur Abstimmung in die Türkei reisen. Trotzdem wäre es, wie es Werner Engelmann fordert, ein notwendiges politisches Zeichen, wenn die Bundesregierung die Einrichtung von türkischen Stimmlokalen zu einer Abstimmung über die Todesstrafe in Deutschland nicht erlauben würde.

  26. @Werner Engelmann
    Ich schaue keine Talkshows. In der FR war ein Artikel zu lesen, in dem die französische Verfassung mit der neuen türkischen Verfassung verglichen wurde. Dort wurden zahlreiche Punkte aufgeführt, in denen sie übereinstimmen. Aber darum geht es eigentlich nicht.
    Es soll m. E. nicht so viel über die Verfassung geredet werden, sondern über die Zustände in der Türkei.
    Die Situation in der Türkei wäre doch nicht in Ordnung, wenn das Referendum abgelehnt worden wäre. Alle Verhaftungen, Verbote etc. sind doch unter der jetzigen Verfassung entstanden.

  27. Ein Wort zu dem von Henning Flessner angesprochenen Bezug von Erdogan und Marine LePen:
    „Die heute vermutlich siegende M. LePen wollte vor einem Jahr noch über die Einführung der Todesstrafe abstimmen lassen.“ (23. April 2017 um 8:19

    Marine LePen ist sicher skrupellos im Verfolgen ihrer Machtambitionen, aber dumm ist sie nicht. Ihr Todesstrafen-Gerede zielte vor allem auf Kanalisierung einer berechtigten Empörung und Betroffenheit (islamistische Anschläge) in FN-Sympathien. Nun möchte sie aber die Stimmen der Mehrheit der Franzosen. Und natürlich weiß sie, dass dies nicht mit hirnlosem Gerede über Todesstrafe für Selbstmordattentäter zu erreichen ist.
    Dass sie – anders als Erdogan – ernsthaft eine Abstimmung über Todesstrafe anstreben würde, kann ich mir nicht denken.

    Erdogans Srategien entsprechen weitgehen dem traditionellen Modell der Herrschaft durch Erzeugen einer „Massenpsychose“, wie sie die Antisemitismus-Forschung zutage befördert hat (bei Wikipedia sehr ausführlicher und aufschlussreicher Artikel):
    Nach Freud und Reich zeigen antisemitische Reaktionen „immer auch Verletzungen eines „gekränkten Narzissmus“, die eigene Widersprüche verschleiern (z.B.: Nazi-Ideologie: „jüdischer Bolschewismus“ – Identifikation mit Kapitalismus). Und Ernst Simmel führt aus, dass diese Massenpsychose es dem Einzelnen mithlife eines „Rückfalls in infantile, primär vom Destruktionstrieb beherrschte Entwicklungsstufen unter Verleugnung der äußeren Realität“ ermögliche, „eigene psychische Defizite zu kompensieren“.
    Erdogan kann sich auf in muslimischen Gesellschaften noch weitgehend virulente Formen des Antisemitismus stützen (solche Einstellungen junger Muslime haben sich auch in Frankreich gezeigt). Seine Nazi-Beschimpfungen gegen Deutschland und Niederlande dürften auch unter dem Aspekt der Projektion eigener Neigungen nach außen, auf eine „out-group“ zu sehen sein.

    Anders bei Marine LePen. Ihr Rassismus tritt nicht offen zutage wie bei ihrem von ihr geschassten Vater. Der konterte, dass sie genau so ist wie er, „nur mit Perücke“. Womit er ausnahmsweise Recht haben dürfte.
    Wie diese „Perücke“ aussieht, zeigt sich an der Transformation von Rassismus in einen diffusen Begriff des „Anti-Establishment“. Was vor allem in Frankreich viel wirkungsvoller ist.
    Er thematisiert – mittlerweile vielfach bestätigte – Ressentiments gegen eine politische „Klasse“ insgesamt, der in Frankreich nahezu alle Politiker (ENA-Absolventen) angehören: „Mittlerweile rekrutiert sich die französische Elite nahezu ausschließlich aus einem Milieu, das gerade einmal zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht.“ (Wikipedia, Art. „Elite“)
    In der nun gezielten Anwendung dieses Vorwurfs auf Macron projiziert Marine LePen damit Korruptionsvorwürfe gegen Fillon auf diesen. Und zugleich lenkt sie von eigenen Korruptionsaffären ab: Sie selbst ist – schlimmer als bei Fillon – von der EU-Administration des „bandenmäßigen Betrugs“ angekagt.
    Bei einer solchen verallgemeinernden Hetze gegen „Establishment“ wird sowohl traditioneller Rassismus bzw. Antisemitismus wie auch (vielfach berechtigtes) Gefühl des Ausgeschlossenseins angesprochen. Nicht zu vergessen auch die gerade in unteren Schichten z.T. massive Intellektuellenfeindlichkeit, die auch schon im traditionellen Antisemitismus eine bedeutende Rolle spielt.

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