Gastbeitrag von Daniel White aus Dortmund

Es ist längst an der Zeit, eine Gleichberechtigung für afro-deutsche Schauspieler/innen herzustellen, damit die Benachteiligung hierzulande endlich ein Ende findet. Das Thema betrifft mittlerweise einige Millionen Menschen in Deutschland und ist deshalb sehr wichtig. Das Ziel des Ganzen? Die Menschen informieren und zugleich unterhalten. Durch Ihren hohen Bekanntheitsgrad und Ihr Engagement wird dieses Thema für sehr viele TV-Zuschauer hochinteressant sein. In der Sport-, Popmusik- und Opernwelt, ist das Afro-Deutsch-Sein auch nicht von Nachteil, wohl aber im Schauspiel. Es ist höchste Zeit, dass dieses Thema publik gemacht wird.

Es geht um die Schauspieler-Besetzungen in deutschen TV-Produktionen und in diesem Zusammenhang um die Definition des Deutsch-Seins. “Ich bin Deutscher.“ Was heißt das eigentlich heutzutage, in Zeiten der Globalisierung? Bezieht es sich noch immer auf die Ur-Germanen, oder vielmehr auf die vielen Millionen Deutsche, die durch einen langjährigen Einbürgerungsprozess zu deutschen Staatsbürgern wurden? Und was, wenn man zum Beispiel Afro-Deutscher ist, hier geboren und aufgewachsen, wie ich? Laut Personalausweis ist man Deutscher, aber wie ist es gesellschaftlich betrachtet zu bewerten?

In den späten Siebzigern und frühen Achtzigern, hörte ich oft Sätze wie diese: „Sie haben irgendeinen Einschlag? Irgendwas negroides sehe ich da, woher kommen Sie?“ „Sie sprechen aber gut deutsch!“ „Neger“ war in den Achtzigern häufig noch die übliche Bezeichnung für Schwarze, sehr oft auch in Schulbüchern. Solche Wortwahl wird heute zum Glück kaum noch verwendet. Auch bin ich froh, dass man keine “Negerküsse“ mehr im Supermarkt kaufen kann. Heute gibt es ein ganz anderes Deutschlandbild und im Alltag erlebe ich kaum noch Benachteiligungen. Immerhin spricht man heute von Menschen mit Migrationshintergrund oder Migranten. Was heißt das aber eigentlich genau, Migration? „Von einer Migration (von lat.: migratio = Wanderung) spricht man erst dann, wenn die Wohnsitzverlegung eines Individuums über eine administrative Grenze hinweg und dauerhaft, jedoch zumindest für einen längeren Zeitraum angelegt ist.“

Genau darin liegt das Dilemma. Die meisten, die als Migranten bezeichnet werden, sind keine. Sie sind, wie ich, hier geboren oder aufgewachsen, ohne Bezug zu einer anderen Heimat und sind somit Deutsche, darum ist der Begriff “Migrationshintergrund“ irreführend, denn alle Deutschen “germanischen Ursprungs“ sind durch historisch begründete Völkerwanderung “gemischt“, wenn auch nicht unmittelbar an der Hautfarbe erkennbar und haben somit einen Migrationshintergrund. Das ist gerade im Zuge der aktuellen Debatten hochinteressant! Inzwischen hat die Mehrheit der deutschen Bevölkerung längst akzeptiert, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, genauso wie Europa. Europa ist bunt. Deutschland ist bunt. Sogar der Deutschen liebstes Kind, die Fußballnationalmannschaft, ist bunt. Auch im Musikgeschäft ist, spätestens seit Xavier Naidoo, ein Bann gebrochen und Afro-Deutsche Sänger und Sängerinnen sind sehr erfolgreich.

Es gibt aber leider — und das ist mein Hauptanliegen an dem Thema — immer noch eine Bastion, bei der die “Deutschtümelei“, bis auf wenige Ausnahmen, an der Tagesordnung und ungebrochen ist und sein Unwesen treibt. Die hiesige TV-Schauspiel Landschaft! Unglaublich, aber wahr, im Tagesgeschäft begegnet man häufig noch Ressentiments und Vorurteilen, wie in den 1950er Jahren. Sehr viele Redakteure, Regisseure und Produzenten sind leider – mit Verlaub – ¬von unfassbarer Begrenztheit und vertreten ein Deutschlandbild, das weitestgehend nicht mehr der Realität entspricht. Sie praktizieren es, weil nach ihrer Meinung „die Deutschen noch nicht so weit sind“, um das multikulturelle Leben als normal bezeichnen zu können. Dementsprechend wird man als Afro-Deutscher Schauspieler so gut wie gar nicht als Schauspieler wahrgenommen, sondern viel eher als “Beiwerk“, damit bestimmte Klischeerollen besetzt werden können. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass ich z.B. von Castern, die mir wohlgesinnt zur Seite stehen weiß, dass von diversen Redakteuren und Regisseuren der Begriff “Negerrollen“ immer noch verwendet wird. Zum Beispiel Sätze wie: „Für diese Rolle wäre ein großer Neger gut.“, sind leider immer noch im Sprachgebrauch. Es handelt sich um eine alte, verkrustete Denkweise, die verhindert, dass wir als ernsthafte, deutsche Schauspieler gesehen werden und es nahezu unmöglich macht, dass Afro-Deutsche Hauptrollen in deutschen Filmen und guten Serien spielen dürfen.

Ich nehme diese Haltung mittlerweile mit Humor, denn als Afro-Deutscher bekomme ich all das tagtäglich zu spüren, weil sich meine Rollenangebote ausschließlich auf meine Hautfarbe und nicht auf meine Fähigkeiten als Schauspieler (mit guter Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar in Wien) und auch nicht auf mein Deutsch-Sein beziehen. So darf ich in Kurzauftritten den US-Soldat spielen, oder einen ausländischen Attaché, oder amerikanischen Drogendealer oder Footballspieler, oder afrikanischen Tierpfleger…Merkwürdig, denn bei den “Deutschen“, die mich zum Beispiel nach einer Theatervorstellung ansprechen, finde ich meine Kritik bestätigt, dass viele TV-Filme und Rollen vorgestrig, altbacken und klischeehaft anmuten — was gerade auch im Rollenklischee der Frau sichtbar wird — und so gar nicht das heutige Gesellschaftsbild widerspiegeln. An Theatern wird „Othello“ bezeichnenderweise mit weißen Schauspielern besetzt, die schwarz geschminkt werden. Es ist kurios, skandalös, lustig und tragikomisch, was sich dort immer noch abspielt und ich stehe mit diesen Erlebnissen wahrlich nicht allein da.

Verwandte Themen

20 Kommentare zu “Negerrollen

  1. Lieber Herr White,
    Sie sollten erst eine gewisse Ordnung in das was Sie wollen hineinbringen. Man kann sich nicht darüber aufregen dass Weiße als Othello „schwarz“ geschminkt werden und sich gleichzeitig beschweren dass Rollenangebote auf die Hautfarbe zugeschnitten werden. Dann hätten Sie doch einen Othello in Sinne von Shakespeare Und einen schwarz geschminkten Othello, den gibt es schon lange nicht mehr. Der wird ja schon „weiß“ gespielt, aus Angst man könne etwas falsch machen (lieber wird Shakespeare hingemordet). Denken Sie an den Sarottimohr. Ich kenne ihn noch als „Mohr“. Jetzt ist er weiß. Und nun kommen Sie und wollen alles wieder umkehren? Hehe. Jetzt, in einer Zeit wo man sogar erklärt dass das Atomkraftwerk Krümmel in den NEUNZEHNHUNDERT 83`ziger Jahren ín Betrieb genommen wurde? Nicht etwa 1883 oder 2083. Immer korrekt und immer ist man auf der sicheren Seite. So muß man gar nicht wissen ob es 1883 schon Atomkraftwerke gab! Und genauso verhält es sich heute mit Shakespeare und dem Casting an sich.

  2. Lieber Daniel,
    ich merke auch tagtäglich die Ungleichheit in den Medien… und finde auch, dass dort Menschen mit Migrationshintergrund auffallend selten Hauptrollen besetzen oder gar moderieren. Es wäre wünschenswert, dass sich etwas ändert. Denn die Medien stellen für viele Menschen ein Bild von der Gesellschaft dar… und es wird oft ausgeblendet, dass Menschen mit Migrationshintergrund nicht immer eine Negativrolle in Deutschland besetzen, und schon gar sollten die Menschen mit Migrationshintergrund hier als selbstverständlicher Bestandeil der dt Gesellschaft dargestellt werden und nicht immer mit ihrer Herkunft betitelt werden.

  3. Es gehört hier zwar eigentlich nicht ganz zum Thema:
    aber es wäre so schön, wenn das Wort MIGRATIONSHINTERGRUND endlich wieder aus dem deutschen Sprachschatz verschwinden würde; es hört sich immer an wie ein Tapetenmuster.

  4. @Katja
    achja, was halten Sie denn dann für politisch korrekt??? Reden Sie dann von Migranten? Die nicht selbst migriert sind? Das entspricht in keinster Weise den Tatsachen! Reden Sie von Ausländern, die keine Ausländer sind?

    Es wäre schön, wenn man die Menschen mit Migrationshintergrund als Deutsche wahrnehmen könnte, allerdings tut das keiner… also bitte ich „höflichst“ darum, zu akzeptieren, dass sich manch ein Mensch darum bemüht ein korrektes Wort zu verwenden.
    Wenn Sie gerne von Migranten sprechen, tun Sie das… aber Menschen die in der dritten Generation in D leben sind das eben nicht!

  5. und: die FR macht es zum Beispiel richtig… sie betitelt in Beiträgen eben nicht nach Nationalitäten, es sei denn es geht explizit um Integrationsthemen, wo man sie freilich mit einbeziehen muss… In der Bild heißt es dann z.B.: der junge Nigerianer stach zu… in der FR heißt es dann z.B.: der junge Mann stach zu…
    und so sollte allgemein argumentiert werden, wenn es um einzelne Personen geht, deren Fälle nicht unmittelbar etw. mit ihrer Herkunft zu tun haben.

  6. @Sarah:
    Wie wäre es z.B. mit Nachfahren oder Nachkommen von Einwanderern?

    Im Übrigen sollte es eh so sein, dass Menschen, die in der dritten Generation in Deutschland leben (so sie einen deutschen Pass besitzen) einfach Deutsche sind und nicht mehr mit besonderen Merkmalen betitelt werden müssen.

  7. @Sarah:
    Es gibt durchaus auch andere Themen als Integration, bei denen die Nationalität statistisch eine Rolle spielt.
    Klassiker waren beispielsweise der Verkauf von unversteuerten Zigaretten durch Vietnamesen oder der Autodiebstahl durch Osteuropäer.
    Auch der Drogenhandel darf in diesem Zusammenhang hier ruhig genannt werden.

  8. @katia
    traurige einstellung, zu einem frohen fest…
    und was ich mit meinem kommentar gemeint habe haben sie wahrscheinlich nicht verstanden.

  9. die nachkommen der einwanderer? Das ich nicht lache, das erscheint mir als diskriminierend… da würde die dritte generation, dann noch immer mit der geschichte in verbindung gebracht werden.

    ich versuche zumeist jegliche betitelung zu vermeiden… mit migrationshintergrund ist einfach am passensten und weniger diskriminierend.
    und zur erklärung, warum man in den meisten fällen, eben die nationalität außer acht lassen sollte.. wenn in deutschland lebende menschen mit migrationshintergrund, von den medien mit der nationalität betitelt werden, im zusammenhang mit gewalt etc… so wirft das einfach ein verquertes bild auf die umstände wie die gewalt entstanden ist. die medien reproduzieren so eine falsche wirklichkeit auf die menschen… das ist absicht!
    Um es mit den Worten Luhmanns zu sagen „das was wir über die welt in der wir leben wissen, wissen wir durch die massenmedien.“
    somit sollten die medien äußerst sensibel mit ihrer macht umgehen.
    wie man im alltag spricht ist wieder etwas anderes… denn da kann man genauer darauf eingehen, ob man das diskriminierend meint oder wie genau… usw.#

  10. @Sarah:
    „die nachkommen der einwanderer? Das ich nicht lache, das erscheint mir als diskriminierend… da würde die dritte generation, dann noch immer mit der geschichte in verbindung gebracht werden.“
    Als Mensch mit Migrationshintergrund etwa nicht?

  11. Sehr geehrter Kundesbanzler,
    Ordnung? Mit Verlaub, mir scheint, Sie haben den Artikel nicht richtig gelesen und verwechseln zudem Äpfel mit Birnen. Man kann sich zurecht darüber aufregen, dass Weiße als Othello “schwarz” geschminkt werden und sich gleichzeitig beschweren, dass Rollenangebote auf die Hautfarbe zugeschnitten werden. Es gibt zahllose TV-Stoffe, bei denen die Hautfarbe irrelevant ist, wo es um Charaktere, um Typen geht, die eine Geschichte (zu erzählen) haben. Afro-Deutsche werden aber von vornherein nicht berücksichtigt und nur als „Afrikaner“, oder „US-Soldaten“, oder ähnliches gesehen. Othello ist ein Schwarzer, ein Mohr (the Moor of Venice); er ist der Oberbefehlshaber der venezianischen Armee, als solcher genießt er Achtung, als Schwarzer aber bleibt er eine Randfigur, nur geduldet, nicht wirklich akzeptiert. So viel zu der, vom Autor, beabsichtigten Rolle.
    Die Rollen werden aber durchgehend mit Weißen besetzt, was einen anderen Umstand, als den der Marketingstrategie von „Sarotti“, darstellt. Viel mehr ist es die Ausgrenzung vorhandener Afro-Deutscher Darsteller, um die es mir geht. Diese Haltung der Verantwortlichen, zieht sich ebenso durch die TV-Besetzungen.

    Im Übrigen, wie kommen Sie zu der Behauptung, dass es mir um die Umkehr der Hautfarbe des „Sarotti-Mohr“ geht? Keineswegs. Er war ein Marketingkonstrukt der 1920iger Jahre und ist aus Gründen der politischen Korrektheit vom Markt genommen worden, genauso wie die „Negerküsse“.

  12. „Die meisten, die als Migranten bezeichnet werden, sind keine.“

    Das ist eine Falschaussage. Die Zahl der Personen mit Migrationshintergrund war 2009 16 Millionen. Die Zahl der Zuwanderer, d.h. der Bevölkerung mit EIGENER Migrationserfahrung, lag im gleichen Jahr bei 10,6 Millionen. Zuwanderer, d.h. die Personen mit eigener Migrationserfahrung, d.h. Personen mit einem Geburtsort außerhalb Deutschlands, haben also einen Anteil von 66,25%, und das sind ganz klar „die meisten“. Man sollte sich mal abgewöhnen, beim Stichwort „Migranten“ immer nur an irgendwelche Nachkommen von Gastarbeitern zu denken. Wir hatten in den letzten 20 Jahren eine massive (vorwiegend Armuts-)Immigration, die alle „Gastarbeiter“migrationen der 60er und Anfang 70er zahlenmäßig weit hinter sich ließ (zumal auch nicht unbeträchtliche Anteile der Gastarbeiter schon längst wieder in ihre Heimatländer zurückkehrt sind).

    Das TV-Programm in Deutschland ist selbstverständlich skandalös, aber daß in ihm zuwenige Afro-Deutsche vorkommen ist eher noch eines seiner kleineren Makel.

  13. @ Max Wedell

    Sie haben versäumt zu erwähnen, dass unter den Zuwanderern mit eigener Migrationserfahrung auch deutsche Aussiedler und ihre Familien aus Mittel- und Osteuropa sind; nach 1950 kamen etwa 5 Mio. Menschen aus dieser Gruppe nach Deutschland.

  14. @Max Wedell

    Diejenigen, die bis in die 70er-Jahre als Gastarbeiter gekommen und danach geblieben sind, werden bis an ihr Lebensende „eigene Migrationserfahrungen“ haben. Genau wie die von Abraham angesprochenen Aussiedler aus Osteuropa. Wer z.B. zwischen 1960 und 1970 mit 20 Jahren nach Deutschland gekommen ist, ist heute zwischen 60 und 70 Jahren alt, fällt also aus dieser Betrachtung nicht heraus. Was aber sagen diese Zahlen im Hinblick auf Integration und Teilhabe der Migranten und ihrer Nachkommen? Und worin besteht der von Ihnen angedeutete Zusammenhang mit der „massiven (vorwiegend Armuts-)Immigration“ der letzten 20 Jahre?

  15. @Abraham

    natürlich gehören die sog. „Spätaussiedler“ auch dazu (ca. 4,5 Mio.), d.h. Russen, Rumänen, Polen und andere, deren Vorfahren vor (teils 6 oder 7) Jahrhunderten aus Deutschland auswanderten. Ihre Jahresangabe von 1950 ist dabei recht irreführend (Kriegsheimkehrer und Vertrieben sind in den Zahlen nicht enthalten), die ganz große Mehrheit dieser Personen immigrierte nach 1990… wie z.B. auch Juden aus der Sowjetunion, die sog. Kontingentflüchtlinge, eine weitere Zuwanderergruppe, die sie ja sicher kennen werden (1991-2004). Die Spätaussiedler kamen größtenteils aus ländlichen Verhältnissen ohne Möglichkeiten einer Vermögensbildung und hatten daher bei der Einwanderung oft nicht viel mehr als ihre Kleidung dabei (weswegen auch hier m.E. berechtigt von „vorwiegender Armutsimmigration“ gesprochen werden kann, also nicht nur bei der großen Gruppe der Wirtschaftsflüchtlinge, die unter Asylvorwand einwanderten, oder den Kriegsflüchtlingen, die trotz Kriegsende die Rückkehr in die Heimat verweigern).

    @dreas,
    hier der Hintergrund für meine Bemerkungen und meinen Hinweis auf die (vorwiegend Armuts-)Immigration der letzten 20 Jahre: ich habe schon oft bemerkt, daß viele Menschen immer dann, wenn über die stattgefundene Zuwanderung diskutiert wird, irgendwie nur die Gastarbeiter der 60er/Anfang 70er sowie deren Nachkommen vor Augen haben und dann so diskutieren, als handele es sich bei Zuwanderern nur bzw. vorwiegend um solche Personenkreise. Auch die erwiesene Falschbehauptung von Daniel White „Die meisten, die als Migranten bezeichnet werden, sind keine.“ resultiert doch daraus, daß Daniel White sich beim Stichwort „Migrant“ überwiegend Gastarbeiternachfahren vorstellt, und gar nicht weiß, daß diese doch bloß eine Minderheit in der Gruppe der heutigen Menschen mit Migrationshintergrund sind und bei weitem nicht eine Mehrheit.

  16. @Max Wedell

    Eines vorweg, Ihre Eigenart, selbst in vom Ton her sehr sachlich geführten Diskussionen nicht auf herablassende und abwertende Äußerungen, hier gegenüber Flüchtlingen („Wirtschaftsflüchtlinge, die unter Asylvorwand einwanderten“, „Kriegsflüchtlingen, die trotz Kriegsende die Rückkehr in die Heimat verweigern“) verzichten zu können, ist vermutlich nicht nur für mich, sondern für viele Diskussionspartner unerfreulich. Vielleicht möchten Sie sich einmal bewusst machen, dass Sie für das Privileg, in Deutschland als Deutscher in Wohlstand und Bildungsmöglichkeiten geboren zu sein, genauso wenig verantwortlich sind wie es z.B. der im Kosovo geborene Sprößling einer Roma-Familie für seine Herkunft ist.

    Ihre Antwort auf meine Frage hilft mir leider noch nicht weiter. Wenn von 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund 10,6 Millionen eigene Migrationserfahrungen haben, wenn allerdings zu diesen 10,6 Millionen aber auch alle hier noch lebenden Gastarbeiter der 1. Generation und Aussiedler aus Osteuropa gehören, deren Anzahl hier nicht benannt wurde, dann kann ich doch keine Aussage darüber treffen, welchen Anteil die Migration seit 1990 zur Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund beiträgt.

    Bezogen auf die die Aussage von Daniel White geben Ihnen die genannten Zahlen in der Tat insoweit Recht, dass die numerische Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund immer noch eigene Migrationserfahrung hat. Wobei es allerdings für das Selbstverständnis durchaus bedeutsam sein dürfte, ob diese Migrationserfahrung 5 Monate, 5 Jahre oder gar 50 Jahre zurückliegt. Aus dem numerischen Verhältnis folgt aber sicherlich nicht, dass die 5,4 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund ohne eigene Migrationserfahrung eine vernachlässigbare Zahl darstellen würden. Genau darum ging es Daniel White meiner Einschätzung nach in seinem Statement – herauszustellen, dass die Nachfahren von Immigranten mittlerweile einen relevanten Anteil der hiesigen Bevölkerung ausmachen. Dies im genannten Kontext als „erwiesene Falschbehauptung“ (befinden wir uns in einer Gerichtsverhandlung?) zu titulieren, halte ich für etwas tendenziös.

    Warum liegt Ihnen daran, die Spätaussiedler, die vor 1990 einen bedeutsamen Anteil derImmigranten ausmachten, nachträglich einer Kategorie „Armutsimmigration“ zuzuordnen? Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, war es möglich, diese Gruppe so weit in den hiesigen Arbeitsmarkt zu integrieren, dass eine Kategorisierung nach dem materiellen Startkapital wenig zielführend erscheint.

    Überhaupt verstehe ich nicht ganz, was eine (reale oder imaginierte) „Armutsmigration“ seit 1990 mit dem ursprünglichen Thema zu tun hat. Andererseits verstehe ich auch nicht völlig, warum ich mich hier eingeklinkt habe – also sei’s drum… Ein Frohes Neues Jahr allen, die dies hier noch lesen!

  17. @ dreas

    Nachtmenschen lesen auch späte Beiträge.

    Ich bin ja auch ein „Wandermensch“. Wir hießen damals Flüchtlinge. Und waren nicht willkommen, aber sind jetzt gut integriert. Aber damals kamen wir auch so ohne alles an. Vielleicht gehörten mir die Windeln, in denen ich noch lag. Die Zahlenspiele von Max Wedell sind mir völlig egal. Ein Mensch, der sein zu Hause verlässt, der ist in großer Not. Und wenn er es überhaupt schafft, ein sicheres Ufer zu erreichen, dann soll er uns willkommen sein.

    Aber Daniel White äußert doch ein ganz anderes Problem. Nämlich, dass Deutsch-Schwarze gar nicht als Deutsche wahrgenommen werden. Sondern als Exoten. Dabei gibt es doch Zahlreiche (nein, bitte jetzt keine Statistik), aber sie sind nur selten in Filmen zu sehen, und meistens als Klischee und selten als normale Deutsche.

  18. @drea,

    ich halte meine Vokabeln doch für recht sachlich. „Wirtschaftsflüchtlinge, die unter Asylvorwand einwanderten“ gibt nur in anderen Worten den Sachverhalt wieder, daß während vieler Jahre in den 90ern die Anerkennungsraten bei Millionen von Asylanten unter 5%, teils unter 1% lagen, die im GG vorgesehenen Asylgründe also bei 95% – 99% nicht vorlagen. Das kann man schönreden, ich tue es nicht, vielleicht stört Sie das. Und die Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien teilen sich eben nun mal in zwei Gruppen: Diejenigen, die nach Kriegsende zurückkehrten (und in der Migrationsstatistik 2009 nicht mehr auftauchten), und diejenigen, die nach Kriegsende trotz Verpflichtung dazu NICHT zurückkehrten (und daher in die Migrationsstatistik 2009 einfließen). Daß ich hier in Deutschland in Wohlstand lebe, weil der vom Himmel fiel oder im Lotto gewonnen wurde, ist ebenso eine merkwürdige Vorstellung von Ihnen, ich habe für diesen Wohlstand gearbeitet.

    Daß ich auch für Spätaussiedler die Aussage „überwiegend Armutsimmigration“ für gültig halte, habe ich deswegen erwähnt, weil ich den Eindruck hatte, daß der Einwurf Abrahams irgendwie auch eine Kritik an meiner Aussage der „vorwiegenden Armut“ der Immigranten der letzten 20 Jahre gewesen sein könnte. Ansonsten bin ich ihm aber dankbar, daß er mir Anlaß gab, ein wenig klarer auszuführen, aus welchen Gruppen die Migranten bestehen, jenseits der Gastarbeiter und ihrer Nachfahren, sowie daß die ganz große Mehrheit der Zuwanderer nach 1990 einwanderten und nicht zur Gruppe der sog. Gastarbeiter zu zählen sind.

    Daß Sie nicht verstehen, was die (vorwiegend Armuts-)Immigration der letzten 20 Jahre mit dem ursprünglichen Thema zu tun hat, wundert mich ein wenig, Sie sind doch sonst nicht auf den Kopf gefallen. Es geht um die Akzeptanz von Zuwanderern. Je mehr die Einheimischen den Eindruck haben, daß Einwanderung auf ihre Kosten stattfindet, umso geringer ist die Akzeptanz der Einwanderung. Daß es vereinzelt Idealisten gibt, die die Vorstellung hegen, jeder Mensch irgendwo auf der Welt in wirtschaftlicher Not sollte hierzulande Aufnahme finden können, egal welche Kosten oder sonstigen Aufwände dies den Einheimischen auferlegt, bedeutet doch nicht, daß es keine Menschen gibt (um das Wort Mehrheit mal zu vermeiden), die doch eher anders denken, d.h. von Einwanderern eine Bereicherung verlangen und keine Verarmung oder Verschlechterung hiesiger Bedingungen, ob in Sozialsystemen, auf den Arbeitsmärkten oder durch die die Lebensumstände in den wachsenden Einwanderervierteln etc.

    Und so kommt es dann sicher auch zu Situationen, in denen mancher Einheimische nicht mehr willens ist, im Einzelfall, bei der Begegnung mit einem Afro-Deutschen z.B., vor einer Beurteilung die notwendigen Unterscheidungen zu machen: Ist dies nun ein Angehöriger der großen Gruppe der afrikanischen Wirtschaftsflüchtlinge der letzten 20 Jahre, die man innerlich ablehnt, oder ein hier geborener Deutscher. Die Menschen neigen dann zu Generalisierung. Das müssen nicht unbedingt bewußte Denkvorgänge sein, es gibt auch eine unbewußte Ablehnung, die dann eben auf jene durchschlägt, die eigentlich gar nicht gemeint sind, also z.B. hier geborene dunkelhäutige Deutsche.

    Zumindestens ist das meine Hypothese für die Fälle von Ablehnung, die Daniel White möglicherweise jenseits der anderen Ursache erfuhr, die er selbst genannt hat: Deutsche Spiel- oder TV-Filme sind nun mal größtenteils nicht mehr als Ansammlungen der diversesten Klischees, und eine Ablehnung des Einsatzes dunkelhäutiger Schauspieler jenseits von Klischeerollen muß nicht unbedingt eine Ablehnung dunkelhäutiger Schauspieler per se sein, sondern kann auch der Tatsache geschuldet sein, daß es in der gängigen filmischen Fernsehunterhaltung ja kaum Nicht-Klischeerollen gibt, die man relativ vorgabenfrei besetzen könnte. Das wäre jedenfalls ein anderes Thema, das mit „Afro-Deutschen“ nur am Rande etwas zu tun hat: Die Misere deutscher TV-Filmproduktion, die einerseits eine Misere der Drehbuchautoren ist, also des Quarks, den Huby und Konsorten am Fließband raushauen, und andererseits ein Resultat der Auffassung öffentlich-rechtlicher Fernsehgewaltiger, sie müssten unbedingt „Quote“ produzieren. Über diesen ganzen Themenkomplex könnte man ja viel schreiben… für mich einfacher ist allerdings, das TV abgeschaltet zu lassen und den ganzen Quatsch zu ignorieren.

    @I. Werner,
    Erst eine Behauptung in den Raum stellen, daß die Mehrheit der hiesigen Migranten „hier aufgewachsen und geboren sind“, und anschließend die Behauptung aufzustellen, bei der notwendigen Widerlegung dieser Behauptung mit Zahlen des Bundesamts für Statistik handele es sich um belanglose „Zahlenspiele“ ist nur deshalb nicht unverschämt, weil diese Behauptungen ja von zwei unterschiedlichen Personen kamen. Sollte aber jemandem tatsächlich die Widerlegung einer falschen Idee unnötig erscheinen, so kann ich mir das nur dadurch erklären, daß ihm oder ihr die falsche Idee doch irgendwie ans Herz gewachsen ist.

  19. @Max Wedell

    Ihr Tonfall ist nicht aggressiv, Ihre Wertungen drücken Sie subtil aus. Aber doch verständlich genug. Ich versuche einmal, dies an Ihrer Kernaussage festzumachen: „Es geht um die Akzeptanz von Zuwanderern. Je mehr die Einheimischen den Eindruck haben, daß Einwanderung auf ihre Kosten stattfindet, umso geringer ist die Akzeptanz der Einwanderung.“ Das klingt so isoliert durchaus sachlich. Nimmt man den Kontext hinzu, hat es jedoch nicht den Eindruck, als ob Ihnen die „Akzeptanz von Zuwanderern“ besonders positiv am Herzen läge, denn die Aspekte, die Sie ansprechen, sind meist negativer Art. Und Sie diskutieren diese Aspekte allein entlang Ihres eigenen Bewertungsmaßstabes einer unmittelbaren „Nützlichkeit“. Andere Standpunkte werden nach Ihren Ausführungen lediglich von „vereinzelt[en] Idealisten“ vertreten. Als Gesamteindruck ergibt sich: Max Wedell hätte offensichtlich gerne weniger Zuwanderung und Zuwanderer. Sehr viel weniger und dazu auch andere als jetzt. Ich bin nicht so naiv anzunehmen, ich könnte diesen Standpunkt beeinflussen. Er gefällt mir nicht unbedingt, aber so lange Sie ihn für sich vertreten und nicht verallgemeinern, respektiere ich ihn als Ihre Meinung.

    Mit meiner Anmerkung, dass niemand dafür verantwortlich ist, in welche Umstände er oder sie hineingeboren wird, habe ich natürlich nicht ausdrücken wollen, jedweder Wohlstand in Deutschland sei „geschenkt“. Sie wissen aber so gut wie ich, dass hier die Voraussetzungen, sich Wohlstand zu erwerben, ungleich besser sind als in den meisten anderen Teilen der Welt. Sie meinen nicht wirklich, wir könnten hier so gelassen über das Internet miteinander unterhalten, wenn Sie in die schon genannte Roma-Familie im Kosovo hineingeboren worden wären? Oder in eine südsudanesische Flüchtlingsfamilie? Vermutlich nicht, also lasse ich es dabei bewenden.

    Sie schreiben, nicht direkt aber doch deutlich genug, Diskriminierung von Afrodeutschen sei gewissermaßen unvermeidbar, weil man ja zunächst nicht wisse, ob einem da das Kind eines GI oder ein „Angehöriger der großen Gruppe der afrikanischen Wirtschaftsflüchtlinge (…), die man innerlich ablehnt“ gegenüberstünde. Mal abgesehen von der m.E. unzulässigen Verallgemeinerung, „man“, also alle Deutschen, lehne diese Gruppe innerlich ab. Eine derart undifferenzierte Haltung wollen Sie Ihren kulturvollen Landsleuten durchgehen lassen? Wohlgemerkt, Daniel White sprach nicht von Pöbeleien glatzköpfiger, camouflagebehoster, springerstiefelbeschuhter Gestalten auf der Straße, sondern von Diskriminierung (ob nun bewusst oder nicht) durch gebildete Kulturmenschen.

    Für Ihre Aussage, „daß die ganz große Mehrheit der Zuwanderer nach 1990 einwanderte und nicht zur Gruppe der sog. Gastarbeiter zu zählen [ist]“ fehlt mir immer noch der Beleg. Mit den bislang genannten Zahlen lässt sich das weder bestätigen noch widerlegen. Es fehlt die Angabe, wie viele Menschen denn nun nach 1990 eingewandert sind und wie viele davon (warum) Ihrer Kategorisierung als „Armutsmigranten“ entsprechen. Warum insistieren Sie denn so auf „der Mehrheit“, wenn Sie’s nicht quantifizieren können?

    Ich hatte ja schon geschrieben, dass es nach meinem Verständnis für die ursprünglich angeregte Diskussion von untergeordneter Bedeutung ist, ob die numerische Mehrheit selbst noch migriert ist oder Kind von Migranten ist. Entscheidend ist, dass die Zahl derer, die hier seit Jahrzehnten leben oder hier geboren sind und somit als „eingesessen“ angesehen werden können, groß ist – zu groß, um marginalisiert zu werden. Es gibt ja auch Fälle, wo die Unterscheidung kaum Sinn ergibt. I. Werner erzählt, dass sie mit ihrer Familie als Windelkind nach dem Krieg aus dem Osten nach Westdeutschland gekommen ist. Ist sie nun ein Flüchtling mit „eigener Migrationserfahrung“ oder ein Flüchtlingskind, das hier aufgewachsen ist? Oder ist hier eine solche Unterscheidung, wie ich annehme, irrelevant?

  20. @ # 15 und # 18 Max Wedell

    Auch jetzt vernebeln Sie mehr als Sie aufklären. Mir ist keine Statistik bekannt, wonach die so genannten Spätaussiedler aus Armutsverhältnissen geflohen wären. Für die Entscheidung, nach Deutschland auszuwandern, war eine Vielzahl von Faktoren entscheidend: Bis zum Zusammenbruch des Sowjetsystems vorwiegend der Wunsch, in Freiheit leben zu können und der jahrelangen Diskriminierung als Deutscher zu entkommen (wobei diese Zuwanderer hier dann von manchem scheel als „Russen“ angesehen werden). In den Wendejahren kamen die Unsicherheit der Verhältnisse und der wachsende aggressive großrussische Nationalismus dazu. Die Hoffnung auf ein wirtschaftliches Vorkommen kam hinzu – ein legitimes Motiv jeder Migration.

    Genauso wenig können sie die rund 200.000 jüdischen „Kontingent“-Flüchtlinge aus der früheren UdSSR (die nichts mit den Spätaussiedlern zu tun haben) zu den Armutsflüchtlingen zählen. Diese kamen überwiegend, auch Aufgrund ihrer guten Qualifikation, aus „gehobenen“ wirtschaftlichen Verhältnissen. Sie flohen vor dem in der Wendezeit besonders aggressiven „großrussischen“ Antisemitismus und suchten in Deutschland gesicherte Verhältnisse.

    Auch Ihre Angaben zu den „Wirtschaftsflüchtlinge, die unter Asylvorwand einwanderten“, sind unrichtig. Die niedrige Anerkennungsquote bei Asylanträgen besagt mehr über das deutsche Asylrecht als über die Fluchtgründe. Eine Mehrzahl (so weit ich mich erinnern kann bis zu 70 %) der Flüchtlinge konnte wegen der auch für die Bundesrepublik rechtsverbindlichen Genfer Flüchtlingskonvention nicht abgeschoben werden, weil ihnen in ihren Ursprungsländern Folter, unmenschliche Bestrafung (einschließlich der Todesstrafe) bzw. „nichtstaatliche“ Verfolgung drohte. Eine Minderheit der Flüchtlinge, die sich auf das Asylrecht berufen haben (auch weil keine legale Zuwanderungsmöglichkeit bestand) floh tatsächlich vor Armut; ich bezweifle aber, dass diese Gruppe für die „Akzeptanz der Zuwanderung“ entscheidend ist.

    Noch weniger sind die von Ihnen angesprochenen Bürgerkriegsflüchtlinge für die fehlende Akzeptanz verantwortlich. So werden z.B. Roma aus dem Kosovo zur Ausreise gezwungen, obwohl klar ist, dass aufgrund der weiter bestehenden (und durch den Bürgerkrieg verstärkten) ethnischen Konflikte sie in ihrem Ursprungsland kein menschenwürdiges Leben führen werden können, sonder in (von Deutschland mitfinanzierten) Lagern vegetieren werden. Die Behandlung der Familien, die oft in Deutschland bereits gut integriert waren und deren Kinder Bildung genossen haben, ist eine SCHANDE FÜR DEUTSCHLAND! Das sehen auch ihre Nachbaren, Lehrer und Mitschüler so, die sich für sie – bis zum Kirchenasyl – einsetzen.

    Selbstverständlich hat die Zuwanderung auch der letzten 20 Jahre etwas zu tun mit der Arbeitsmigration der 60er und 70er Jahre, und zwar über den Familienzuzug. Gerade gegen diese Migration mit muslimischem Hintergrund richten sich die Emotionen der Sarrazin-Wutbürger. Dabei zeigen alle ehrlichen Statistiken, dass die Migranten unsere Sozialsysteme durch ihre Beiträge weit mehr stützen als diese durch Leistungsbezug zu belasten.

Kommentarfunktion geschlossen