Der Gesundheitsfonds kommt. Natürlich zum Wohle der Anleger … ups, der Patienten, meine ich. Die nächste Etappe im Herumdoktern am Gesundheitssystem. Alle Anl… sorry Leute, dieser Tage kriege ich die Anlageformen ein wenig durcheinander. Also noch einmal: Alle Anleger werden zum gleichen Satz abgezockt, und unterm Strich gibt es so gut wie keine Leistungen mehr. (Habe ich damit die Richtung nicht schön beschrieben, in die unser Gesundheitssystem sich entwickelt?)

15 komma 5 Prozent, das ist der neue, einheitliche Beitragssatz, zu dem in den Gesundheitsfonds eingezahlt wird. Aus dem kriegen die Kassen eine Art Kopfpauschale pro Anleger, mit der sie wirtschaften können. Wenn sie klarkommen, können sie davon eine Art Dividende an die Anleger zurückzahlen; reicht sie nicht aus, können sie ihre Kapitalbasis erweitern, indem sie zusätzliche Gebühren erheben.

Für uns Anleger wirft dieses staatlich regulierte Investitionsmodell natürlich einige Fragen auf. Man steckt schließlich viel sauer erarbeitetes Geld in den Gesundheitsfonds; erwirbt man dann nicht auch Ansprüche auf gewisse Gegenleistungen? Wie arbeitet dieses Geld? Wie viel davon versickert in den trüben Kanälen aufgeblähter Bürokratie? Wie viel davon landet am Ende bei denen, die die Leistung erbringen, also den Ärzten? Von denen knappsen mittlerweile viele ziemlich herum. Und last but not least: Was trägt der Fonds dazu bei, unser Gesundheitssystem tatsächlich effizienter zu machen? Wird irgendwo auf dem langen Weg, den mein Geld nun nehmen soll, bevor es bei den Ärzten landet, beispielsweise Druck auf die Pharma-Hersteller ausgeübt, damit die mit ihren Preisen runtergehen? Oder auf die Hersteller medizinischer Apparate?

Dazu gleich mal ein paar Fragen von FR-Leser Edgar Selmer aus Frankfurt:

„Der Streit um die Höhe des zukünftigen Krankenkassenbeitrags in den gesetzlichen Kassen ist unehrlich, da wesentliche Verbesserungs- bzw. Senkungsgründe vertuscht werden.
Mit dem Start des Gesundheitsfonds in 2009 wird der Wettbewerb unter den Kassen abgeschafft, da für alle Kassen der gleiche Beitrag gefordert wird. Warum brauchen wir dann immer noch weit mehr als zweihundert Kassen mit entsprechend hoch bezahlten Vorständen – im Gegensatz zu beispielsweise Frankreich mit nur einer Kasse? Warum müssen wir in Deutschland auf Medikamente den höchsten Mehrwertsteuersatz zahlen – im Gegensatz zu fast allen europäischen Ländern?“

Elsa Meier, ebenfalls Frankfurt, ist frustrierte Anlegerin:

„Wegen dieses bürokratischen Monsters auf unsere Kosten, Gesundheitsreform genannt, werde ich nie mehr in der für mich verbleibenden Lebenszeit die SPD wählen. Diese unverfrorene Benachteiligung von gesetzlich Zwangsversicherten, jeden Beitrag schlucken zu müssen, bei zugleich immer schlechter werdenden Leistungen, ist nicht mehr auszuhalten.
Die Schwachsinnsreform ab 2009 wird mich persönlich – bei 15,5 Prozent — monatlich 57,60 Euro (jährlich 691,20) mehr kosten, ohne auch nur den geringsten Vorteil/Nutzen zu haben. Den Mehrbetrag meines Arbeitgebers habe ich bei dieser Rechnung noch nicht einmal berücksichtigt. Insgesamt bezahle ich ab 2009 ca. 650 Euro monatlich an die KV. Wenn ich das Geld auf ein Tagesgeldkonto anlegen dürfte, könnte ich sehr locker jede Arztrechnung selbst bezahlen. Und immer noch von einer Solidargemeinschaft zu sprechen, ist der reine Zynismus, denn nicht die Gemeinschaft zahlt, sondern lediglich die, die sowieso sämtliche Lasten auf ihre Schultern gepackt bekommen.
Die Finanzpolitik der Vergangenheit von Rot-Grün war eine einzige Abzocke mittlerer Einkommen zu Gunsten der Reichen, und so geht es lustig weiter. Während sich die Bürger oberer Gehaltsklassen wie gewohnt der günstigeren Privatversicherer bedienen können oder sich noch besser dank der Beitragsbemessungsgrenze freiwillig gesetzlich versichern können – ohne beispielsweise einen Beitrag für die nicht erwerbstätige Ehefrau entrichten zu müssen – sind wir (mittlere Gehaltsklasse) weiter Melkkühe der Nation. Wann bekommen die verantwortlichen Parteien dafür endlich die Quittung für diese Rechnung von uns Bürgern präsentiert?“

Elsbeth Rütten aus Bremen wird zynisch:

„‚Bei Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker‘, ist man versucht, zynisch zu sagen, wenn man sich die momentanen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform anschaut. Der Anstieg des Beitragssatzes zur Krankenversicherung auf 15,5 Prozent mag hart wirken, dabei überdecken die aktuellen Entwicklungen nur, dass hinter den Kulissen schon längst der Tanz der Gesundheitsvampire, der LobbyistInnen tobt. Es ist keine Zukunftsmusik, dass viele Kranken- und Gesundheitskassen längst informell dazu übergegangen sind, notwendige Leistungen einzustampfen. Die meisten Kassen privatisieren schon seit langem ihre Produktpalette und ihre Angebote. So beispielsweise die ambulante Nachsorge außerhalb der Pflegeversicherung. Schon heute werden immer mehr ältere Menschen dabei zu ‚Objekten des Mitleids‘.
Die Erosion im Gesundheitswesen hat gerade erst begonnen. Die LobbyistInnen der Krankenkassen, der Pharmaindustrie und Konsorten haben nicht erst seit heute Hochkonjunktur. Jetzt beginnt man lediglich, erste Auswirkungen ihrer für die Unternehmen ausgesprochen erfolgreichen Arbeit zu sehen.“

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7 Kommentare zu “Melkkühe der Nation

  1. @ Elsa Meier

    Liebe Elsa Meier,

    da gehe ich mit!! Bin aus diesen und anderen Gründen (Bahnprivatisierung, Kriegspolitik, „Un-Sozialdemokratie“, …) vor ein paar Monaten aus dem Kanzlerwahlverein ausgetreten. Super-Gerd hat viel versprochen, wenig gehalten und die unter ihm operierenden, abgehalfterten Protagonisten sind plötzlich die Hoffungsträger von morgen. Sorry, diese armselige Gehirnwäsche war dann doch zu viel für mich …

    Ihre Rechnung, liebe Elsa Meier, zeigt sehr anschaulich, dass es mal wieder nicht ums Gemeinwohl und um eine Verbesserung zum Wohle der Patienten geht – sondern um die Sicherung der Pfründe der Pharmaunternehmen und Co. Und das Ganze wird uns als Reform verkauft. Für Kranke, Rentner, Kinder und Bildung ist kein Geld im Haushalt da – es ist ja auch unverantwortlich nachfolgende Generationen mit Schulden von heute zu belasten. Zockerbanken wird dagegen die Kohle in dreistelliger Milliardenhöhe hintenrein geblasen – zum Wohle aller natürlich. In was für einer Bananenrepublik leben wir? Das Gesindel gehört endgültig vom Hof gejagt!

  2. solange es sich lohnt unanständig zu sein wird jeder Ruf nach Moral und Anstand in dieser Gesellschaft ungehört verhallen.
    Und das gilt für alle !!
    Ich sehe in der Gesammtheit zur Zeit in unserem Lande die Politik -Wirtschaft und nicht zuletzt auch Journalismus als Teile des derzeitigen System ,dass vor allen sich selbst in Gang hält.
    Reale Tagespolitik verbraucht sich schneller als ein Stück Seife.
    Selbstdarstellung und Provit sind die Kirchen der heutigen Zeit.
    Deutsche Wirtschaftslenker,Politiker und Bänker nehmen auch den größten Schwachsinn für bare Münze,wenn es denn etwas elitäres hat.
    Um was zu änderm muß der Mensch sich ändern in seinen neuzeitlichen Moralvorstellungen,die mittlerweile in frühkindheitliche Erziehung einzufließen scheint.“nehmen besser als geben“
    Gesucht werden junge Leute mit dem Wissen von Nobelpreisträger und das Herz von Mutter Theresa ,aber gebraucht werden vor allem nur noch nützliche Idioten.
    Gut das ich schon alt bin !!!

  3. Es ärgert mich als Versicherte einer bis jetzt relativ günstigen Krankenkasse schon sehr, dass erneut eine saftige Beitragserhöhung ansteht und damit wieder weniger Netto vom Brutto übrig bleibt. Zwar wird dies durch die Senkung der Arbeitslosenversicherung etwas abgemildert, aber wer ahnen alle, dass dies kurz nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr wieder rückgängig gemacht werden muss. Des weiteren ist absehbar, dass es beim Krankenkassenbeitrag nicht bei den 15,5 % bleiben wird. Auch dieser wird garantiert nach der Wahl weiter steigen. Zumal jetzt schon 15,8 % von den Krankenkassen gefordert wurden und ausserdem die Auswirkung der Finanzkrise auf die Zahl der Beitragszahler Böses ahnen lässt, nämlich noch weniger Schultern auf die sich die Lasten verteilen lassen.

    Den Kommentar der „frustrierten Anlegerin“ Elsa Meier (s.o) muss ich allerdings etwas relativieren, da sie eine ganze Menge durcheinander zu werfen scheint:
    1.weiss ich aus eigener Erfahrung, dass private Krankenversicherungen nur für junge, gesunde Menschen günstig sind, je älter und kränker man wird, desto höher werden die monatlichen Beiträge in den Privaten.
    2.wenn Frau Meier 650 Euro ab 01.01.2009 für die KV bezahlen muss, so müsste sie demzufolge theoretisch monatlich knapp 4.200 € verdienen (15,5 % von 4200 ergibt ca. 650), was ganz klar über der derzeit gültigen Versicherungspflichtgrenze liegt (4012,50 € monatlich). Dies wiederrum würde bedeuteten, dass Frau Meier genau zu den Kandidaten gehört, die sich freiwillig oder sogar privat versichern können und gleichzeitig auch zu den Glücklichichen gehört, die Beiträge nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze bezahlen müssen (z.Zt. 3600 €) Entweder hat sich Frau Meier gehörig mit den Zahlen vertan oder ihr ist nicht bewusst, dass sie mit einem monatlichen Einkommen von 4200 € zu den priviligierten Gutverdienern hier im Lande gehört.
    3.Auch wenn Frau Meier die 650 Euro sehr gut anlegen würde (was sich aktuell als nicht ganz einfach erweist), so würde das kaum ausreichen, um die medizinischen Kosten zu bezahlen, die z.B. bei einem Herzinfarkt oder Krebsleiden anfallen. Ich wage zu bezweifeln, dass Frau Meier jemals das Vergnügen hatte eine Arztrechnung aus ihrer privaten Tasche bezahlen zu müssen…

    Obwohl ich meine Vorbehalte gegen den Gesundheitsfonds habe und stark bezweifle, dass mit diesem irgendwelche Probleme gelöst werden können, da ja immerhin mehr statt weniger Bürokratie geschaffen wird, so muss ich trotz allem auch zugeben, dass mir selbst recht wenig dazu einfällt, wie unser Gesundheitswesen für alle gerechter und obendrein möglichst kostengünstig gestaltet werden könnte. Wer kann mich erleuchten?

  4. Auf der einen Seite heißt es, die Arbeitnehmer werden mit der Einführung des „Gesundheitsfonds“ 2009, in keinster Weise finanziell mehr belastet, da auf der anderen Seite, die Kosten für die Arbeitslosenversicherung sinkt?
    Und was ist mit den ca. 20 Millionen Rentnern, in dieser Republik? Diese müssen die „Kröte“ des Gesundheitsfonds schlucken !?
    Des einen Freud, des anderen Leid !
    Aber auch die ca.8 Prozentige Lohn/Gehaltserhöhung, welche die Ärzte und Krankenpfleger(innen)vor kurzem für sich in Berlin erstritten haben, müssen ja in irgendeiner Weise wieder reingeholt werden.
    Natürlich alles auf Kosten des deutschen Steuerzahlers.
    Bei 15,5% im Gesundheitswesen, wird es nicht bleiben.
    Die Kosten werden weiter steigen. Mit Sicherheit, nach der nächsten Bundestagswahl, egal wer die Regierungsmacht in dieser Republik dann inne hat!

  5. Die Kosten für die Arbeitslosenversicherung lässt Merkel vor allem deshalb sinken, damit der Heilige Gral namens „Senkung der Lohnnebenkosten“ oder „mehr netto vom Brutto“ unangetastet bleibt. Damit soll mal wieder das Volk für dumm verkauft werden und glauben, ihm bleibt auch so mehr in der Tasche. Was wir brauchen ist aber deutlich mehr brutto!

  6. So ist das nun mal, wenn der Versicherte zum Marktteilnehmer verkommt. Nach dem Gesetz schießt der Bund im Jahr 2009 4 Md Euro in den Fond zu. Vorgesehen ist, diesen Betrag jährlich um 1,5 Md Euro bis zur Höhe von 14 Md Euro jährlich zu erhöhen. Die Kosten dieses Fonds zahen die Versicherten. Dafür aber werden die demokratischen Mitspracherechte der Versicherten beschnitten. Der gemeinsame Bundesausschuss, bestehend aus mehrheitlich Hauptamtlichen, welche vom Gesundheitsministerium berufen werden, Vertretern der Vertragsärzteschaft, der gesetzlichen Krankenkassen und den Krankenhäusern treffen Entscheidungen. Patientenvertreter nehmen gnädigerweise beratend aber ohne Stimmrecht an den Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses tei. Versicherte kennt das Gesetz nur als Zahler. Kommt eine Krankenkasse mit den ihr zugewiesenen Mitteln nicht aus, muss sie von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag erheben. Dieser Zusatzbeitrag darf aber 1 % der beitragspflichtigen Einnahmen nicht überschreiten. Zusatzbeiträge bis 8 Euro werden ohne Einkommensüberprüfung erhoben. Das jedoch trifft in besonderem Maße die in prekären Beschäfigungsverhältnissen lebenden Menschen.
    Es ist für einen reichen Staat wie dem unsrigen, der zig Md Euro für banken erübrigt, sich kein Gesundheitssystem leisten kann, welches alle Menschen ohne Blick auf ihr Einkommen gleich behandelt.

  7. Liebe Frau Anna,
    ich habe keine Zahlen durcheinander gebracht und rechnen kann ich auch. Meine monatlichen Mehrkosten habe ich exakt benannt, denn im Moment zahle ich einen Beitragssatz in Höhe von 12,3%. (Wenn Sie möchten, können sie gerne noch mal versuchen mein Gehalt auszurechen). Da helfen mir die 0,5% Punkte aus der Arbeitslosenversicherung nicht wirklich weiter. Die jährliche Belastung für mich ist und bleibt exorbitant hoch. Insgesamt zahle ich ab 01.01.09 (inklusive des Arbeitgeberanteils) fast 650,00 €, da es ohne Zusatzversicherung heutzutage nicht mehr geht. Gerade wenn man wie ich, alternative Heilmethoden bevorzugt. (Die in der Regel sehr viel günstiger für die Kasse sind, als die Heilmethoden der Schulmedizin). Seien Sie versichert, ich gehöre nicht zu der privligierten Schicht, die frei wählen kann, ob sie sich privat oder freiwillig gesetzlich versichert.
    Es ist schon oft gesagt und geschrieben worden, dass unser Gesundheitssystem extrem teuer ist. Es leben viele Funktionäre und Lobbyisten sehr gut von diesem Geld. Brauch das System wirklich eine „Kassenärztliche Vereinigung“, nein. Und dieses bürokratische Monster wird erst recht nicht gebraucht. Damit werden die Kosten ins uferlose steigen. Da kann auch ich nur sagen, zum Glück bin ich schön etwas älter!

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